"The Social Network"

Die große Einsamkeit des "Facebook"-Gründers

| Lesedauer: 6 Minuten
Andreas Rosenfelder

Mit 26 ein Privatvermögen von 6,9 Milliarden: David Finchers Film porträtiert Facebook-Gründer Mark Zuckerberg als Citizen Kane unserer Tage.

Es ist bloß ein Gerücht, dass der Weltgeist die Siegertypen und Erfolgsverwöhnten liebt. Wenn man genau hinschaut, dann sind es meistens Loser, die Geschichte machen. Sie haben etwas, was geborenen Gewinnern fehlt - ein Motiv.

Natürlich kann man Mark Zuckerberg, der mit Facebook die beliebteste Internetseite der Welt erfunden und mit seinen 26 Jahren ein Privatvermögen von 6,9 Milliarden Dollar angehäuft hat, kaum als Versager bezeichnen. Aber wer einmal mit Zuckerberg gesprochen hat, bewacht von zwei Assistenten, die seine Eltern sein könnten - der wird das Gefühl nicht wieder los, dass in diesem kindlichen Kaiser mit den Schlabberklamotten immer noch der Typ steckt, der auf Partys sogar von Langweilern ignoriert wird.

Es wäre leicht, einen satirischen Film über Mark Zuckerberg zu drehen und den Gag auszubeuten, dass der Erfinder des größten sozialen Netzwerks unserer Tage ein sozialgestörter Nerd ist - und dass er die paar echten Freunde, mit denen er Facebook einst gründete, nur noch vor Gericht trifft. Aber Amerika ist ein Land, das von Außenseitern aufgebaut wurde, und seine größten Mythen handeln von Geächteten, oft sogar von Verbrechern.

Hollywood befasst sich sehr analog mit Digitalem

David Fincher, der Regisseur von "Sieben" und "Fight Club", besitzt einen Sinn für solche dunklen Mythen. Und so begeht er im Facebook-Film "Social Network", dem seit Monaten Gerüchte vorauseilen und der im Oktober in die Kinos kommt, nicht den Fehler, Zuckerberg als Witzfigur zu behandeln. Stattdessen baut er seinen Helden zu fast schon antiker Größe auf, die seinem Cäsarenkopf alle Ehre macht. Mag sein, dass Aaron Sorkins brillantes Drehbuch (das nicht von Facebook autorisiert wurde) eng an den Tatsachen bleibt. Aber Mark Zuckerberg, der im Film unter Klarnamen auftritt, steht von jetzt an in einer Reihe mit Citizen Kane und dem großen Gatsby.

Bisher hat Hollywood die Welt des Digitalen nur in bizarren Höhlengleichnissen erkundet. All die Kontrollräume mit ihren blinkenden Monitoren, die abgedunkelten Jugendzimmer der Hacker waren in erster Linie exotische Kulissen. "Social Network" dagegen ist, obwohl es sich um den ersten echten Blockbuster der New Economy handelt, kein Technikfilm. Die Geschichte spielt fast nur an ehrwürdigen Schauplätzen der Analogwelt - einerseits auf dem Campus von Harvard mit seinen gepflegten Rasenflächen und viktorianischen Fassaden, andererseits in nüchternen Verhandlungsräumen, in denen Anwälte sich der ältesten Sozialtechnologie der Welt bedienen, nämlich der Redekunst.

Vor allem aber spielt sich das Geschehen auf dem bleichen Gesicht von Mark Zuckerberg ab. Man wünscht dem jungen Darsteller Jesse Eisenberg (bislang auf die Rolle des sympathischen Schluffis gebucht) mindestens einen Oscar für die stärkste Mimik. Sein Zuckerberg scheint dort, wo sonst das Hirn sitzt, einen Mikroprozessor zu haben. Wenn er seine sarkastischen Monologe hält, dann flackern seine Augen wie nervöse LED-Anzeigen.

Zuckerbergs böser Facebook-Vorläufer "Facemash"

Nur die für das Lächeln zuständige Muskulatur ist abgekoppelt von der Denkmaschine, deren Geschwindigkeit jedes Gegenüber überfordert. Auf einer trostlosen Party seiner jüdischen Studentenverbindung bricht Zuckerberg ein Gespräch ab, weil er den logischen Widerspruch zwischen dem karibischen Leitmotiv der Feier und den an eine Wand projizierten Niagarafällen nicht erträgt.

Wie alle verkannten Genies leidet Zuckerberg darunter, dass sein überentwickelter Intellekt ihn weder in die Betten seiner Kommilitoninnen bringt noch in die exklusiven Zonen der Gesellschaft, in seinem Fall also die handverlesenen Clubs der Elitestudenten. Deren Mitglieder rudern am Morgen und tragen Hemden von Brooks Brothers, er streift sich Kapuzenpullis von GAP über und trainiert allenfalls die Finger an der Tastatur.

Im Grunde erzählt "Social Network" den Aufstieg von Facebook als Rachefeldzug eines Einzelgängers, der nicht dabei sein darf, wenn sich auf den Abschlussfeiern der wirklich coolen Clubs die Mädchen ausziehen - und der nach einem katastrophal gescheiterten Date im Studentenpub auf die Idee kommt, die Homepages der Wohnheime zu hacken und die Fotos sämtlicher Studentinnen herunterzuladen, um im Internet über ihr Aussehen abstimmen zu lassen. Diese Seite mit dem Namen "Facemash" war, wenn man so will, der böse Vorläufer von Facebook und brachte den Harvard-Server über Nacht zum Zusammenbruch. Zuckerberg hatte im Internet sein eigenes Fest gefeiert. Und diesmal war er der Gastgeber.

Ein Unsympath entwirft eine Sozial-Maschine

Hier liegt das Erstaunliche dieses Films: Ein durchaus feinfühliger Unsympath, der mit Perl-Skripts und SSL-Schlüsseln umgehen kann, baut in seinem Wohnheimzimmer etwas auf, was am Ende viel heißer und attraktiver ist als all die holzvertäfelten Verbindungshäuser - ganz abgesehen davon, dass man nicht nächtelang in Unterhosen auf dem Campus stehen muss, um bei Facebook Mitglied zu werden.

Um das Soziale zu durchschauen, muss man selbst nicht sozial sein - das ist vielleicht die Lehre dieser Erfolgsgeschichte, die zwar nach Kalifornien führt, nicht aber in die Klischees von Dekadenz und Hybris. Mark Zuckerberg drängt seinen einzigen Freund, den Facebook-Mitgründer Eduardo Saverin (Andrew Garfield), mit der Brutalität eines Mafiapaten aus dem Unternehmen. Aber er verschmäht die meterlangen Bongs und meidet die Kokspartys, die sein mephistophelischer Kompagnon Sean Partner (Justin Timberlake) besucht. Geld, Frauen und Statussymbole lassen Zuckerberg relativ kalt. Er starrt lieber auf das Display seines Vaio-Notebooks und prüft, wie es mit Facebook in Bosnien so läuft.

Überhaupt wirkt Mark Zuckerberg immer leicht abwesend. Die Verhandlungen mit den alten Kommilitonen, die ihm geistigen Diebstahl vorwerfen, verfolgt er mit demonstrativer Langeweile. Als ihm der Anwalt der Gegenseite in theatralischem Tonfall ins Gewissen redet, sagt er plötzlich: "Es regnet." Er braucht sich nicht auf die faulen Tricks einzulassen, mit denen Juristen Emotionen erzeugen. Denn sein Reich ist nicht von dieser Welt.