Zwischen Hollywood und Wacken liegt Berlin. Während auf einer holsteinischen Weide 75.000 demonstrieren, dass der Heavy Metal die Musik der Mitte ist, im Schlamm vor Bands wie Iron Maiden stehen und auf Soulfly warten, treten Soulfly im Berliner C-Club auf. 500 Gäste, die aus irgendwelchen Gründen nicht zum Festival nach Wacken reisen konnten, freuen sich. Für einen Abend wird die Metropole zur Provinz: Eine berühmte Band aus Kalifornien wärmt sich auf für ein Konzert im Itzehoer Umland, für den großen Auftritt.
Die Verhältnisse auf der Berliner Bühne sind beengt, das Schlagzeug wird von den Verstärkern eingeklemmt, und wenn der dicke Bühnenarbeiter eine Gitarre austauscht, tritt er seinem Arbeitgeber auf den Fuß. Max Cavalera nimmt ihm das nicht übel, es gibt Schlimmeres: Zum Auftakt brüllt er „Blood! Fire! War! Hate!“ Die Anwesenden stimmen fröhlich ein. Der Kommandant der Band trägt einen Kampfanzug, seine Gitarre ist im patriotischen Dekor seines Geburtslandes Brasilien lackiert und seine Haare sind verfilzt. Er hätte gern eine Kalaschnikow, singt er.
Max Cavalera wurde vor zwei Tagen 41 Jahre alt. Er hat zwei Söhne, die auf seinem jüngsten Album „Omen“ brav am Schlagzeug sitzen. 1984 gründete er mit dem jüngeren Bruder Igor in der Heimat Belo Horizonte die Band Sepultura. Es gab Streit, und vor zwölf Jahren zog Max Cavalera nach Los Angeles, um Soulfly zu formieren. Keine herkömmliche Band, sondern ein offenes Projekt mit ihm als Fixstern. Er lud Gäste ein: Sean Lennon sang für Soulfly, Musiker von Slipknot und von Slayer wirkten mit. Max Cavalera selbst sang für Apocalyptica und für Dave Grohl. Zuletzt versöhnte er sich sogar mit dem Bruder Igor, und gemeinsam riefen sie die Cavalera Conspiracy ins Leben. Glücklicher wurde er nicht, die Welt blieb gleich, die menschheit ebenfalls.
„Back to the primitive, fuck all your politics“, bellt Cavalera seit zehn Jahren und noch immer voller Inbrunst. Neben ihm vollführt Marc Rizzo beim Gitarrespielen wütende Karatetritte. Johny Chow am Bass tropft Wasser aus dem Bart, Joe Nunez trommelt zwischen den Verstärkerschränken um sein Leben. Dass Max Cavalera nur noch die vier tiefen, dunklen Saiten der Gitarre aufzieht, spricht für seine Weltsicht. Er besingt die Todesspritze und den Serienmörder Jeffrey Dahmer, Blutbäder und Kriege. Dass es niemals schlimmer werden dürfte als bei Soulfly, wird von seinem auf und ab springenden Publikum als Trost verstanden. Und die unzähligen Wasserflaschen, die Max Cavalera hinter sich zu stehen hat, leert er zur Abkühlung über den Köpfen der Besucher aus. Ein fürsorglicher Pessimist und großer Musiker mit einem Herz für die Provinz.