Der Nervenstarke bleibt in der heutigen Zeit ungerühmt, schreibt Moderator Jörg Thadeusz in seiner Kolumne.

Ich kann nicht richtig losheulen und damit zeitgemäß rüberkommen. Seit Tagen versuche ich, mich von den Mainzelmännchen-Spots im ZDF auf eine Weise erschrecken zu lassen, die die Tränen fließen lässt. Wie bei Ben Bode, der als Fernsehreporter eine „37 Grad“-Reportage im ZDF über selbstklebende Klimaaktivisten herstellte. Er hielt einem kleinen Mädchen das Mikrofon hin. Sein Papa hatte es zu der Demo mitgenommen.

Es erzählte dem Ben, wie sehr es sich vor der Zukunft fürchtet. Was sonst? Denn würde es das nicht sagen, wäre sein Vater auf eine schluchzende Weise enttäuscht von ihm. Wie in den Sandalenfamilien üblich, die immer schon ihre Kinder zu Demos mitschleppten. Etwa als kommende Abgasvergiftete, wenn es gegen den Bau einer Straße ging.

Warum Flennen vor der Kamera, nichts mit journalistischer Aufgeräumtheit zu tun hat

Bode ist sehr mitgenommen von den Worten des Mädchens. Er möchte, dass wir das wissen. Deswegen ließ er sich beim Flennen filmen. Das hat mit journalistischer Aufgeräumtheit nichts zu tun. Vielleicht trendet aber Selbstmitleid bald noch viel stärker. Dann schniefen Lufthansa-Piloten durch das Bordmikrofon, wenn sie vor einer Landung schreckliche Angst haben.

Am Mittwoch erzählten junge Mitarbeiter in Notrufleitstellen in einem Berliner Museum über ihre tägliche Arbeit. Wie sie eine verzweifelte stumme Autistin doch noch in einem Waldgebiet finden konnten. Indem sie mit der lebensmüden Frau am Telefon Antworten durch Atmen verabredeten: Einmal ausatmen hieß „ja“, zweimal atmen „nein“. Das Telefonat dauerte anderthalb Stunden. 90 Minuten, in denen der junge 112-Disponent die Nerven behielt und damit ein Menschenleben rettete. Es ist immer noch nicht zum Heulen, aber schade. Wie unberühmt der Nervenstarke ist und gleichzeitig der Ben für ein feines Honorar im Fernsehen eine Memme sein kann.