Berlin. Je näher die BER-Eröffnung rückt, desto ruhiger wird es um die einstige Skandalbaustelle, beobachtet Jens Anker.
Das ist erstaunlich: Der 100-Tage-Countdown hat begonnen – und kaum jemand hat davon Kenntnis genommen. Stand heute sind es noch 84 Tage, bevor der neue Großflughafen BER in Schönefeld nach einer nahezu unendlichen Leidensgeschichte eröffnet. Derzeit spricht nichts dagegen, dass der Termin am 31. Oktober eingehalten werden kann. Am Ende könnte es also doch noch klappen mit der Fertigstellung des Flughafens.
Je näher der Termin rückt, desto ruhiger wird es um den Milliarden-Bau im Süden der Stadt. Der Testbetrieb läuft fast geräuschlos. Gerade erst haben 400 Statisten erneut das Ein- und Aus-Checken am neuen Terminal geprobt. Ein paar Macken stellten die Test-Reisenden fest und beklagten lange Wege – kein Wunder, sind die Berliner es doch gewöhnt, am Flughafen Tegel praktisch direkt von der Straße in das Flugzeug zu steigen. Auch das Fehlen von Steckdosen und Ladestationen für die Mobilgeräte wurde moniert. Angesichts der desaströsen Vorgeschichte des BER also eher kleinere Probleme, die in den kommenden knapp drei Monaten noch zu lösen sein sollten. An diesem Freitag ging zudem auch das Dienstgebäude der Bundespolizei in Betrieb.
Flughafen BER - mehr zum Thema:
- BER-Chef: Werden Krise ohne Hilfe nicht überstehen
- 400 Komparsen testen Abläufe am Flughafen BER
- Flughafen im Visier der Strafverfolger
- BER: Trotz Feueralarm - Betreiber zufrieden mit Tests
Der Flughafen BER ist plötzlich „eine perfekt konzipierte Maschine“

Mehr noch, nach dem ganz Deutschland in den vergangenen Jahren nicht an Spott und Häme über die milliardenteure Pannenbaustelle gespart hat, kommen jetzt ganz andere Signale in der Hauptstadt an. „Eine perfekt konzipierte Maschine“ nannte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ gerade den BER bei einem ersten Gang durch den fast fertigen Flughafen. Berlin habe es tatsächlich geschafft, den „modernsten Flughafen Europas“ zu bauen, schreibt die Zeitung, die bislang nicht im Verdacht stand, eine besondere Vorliebe für Berlin zu pflegen. „Die Architektur ist überraschend gut“, heißt es weiter.
Als Leid geplagter Berliner reibt man sich verwundert die Augen über derlei Lobeshymnen, zauberte doch allein der Name BER stets ein mitleidiges Lächeln in das Gesicht der Gesprächspartner, angesichts der nicht enden wollenden Katastrophen-Geschichten rund um den Airport.
BER: Die Flugrouten scheinen überhaupt keine Rolle mehr zu spielen
Wer sich an die „heiße Phase“ der geplanten Eröffnung 2012 erinnert, stößt außerdem auf ein anderes Phänomen: Die Flugrouten scheinen überhaupt keine Rolle mehr zu spielen. Damals entstanden im Süden Berlins und den angrenzenden Brandenburger Gemeinden Bürgerinitiativen, die die geplanten Routen wegen der drohenden Lärmbelästigung massiv ablehnten und eine Umplanung forderten. Davon ist aktuell nichts zu spüren. Die Routen sind nach Angaben der Flughafengesellschaft inzwischen alle genehmigt.
Etwa 4000 Anwohner haben darüber hinaus noch nicht einmal einen Antrag auf Lärmschutz gestellt, obwohl sie antragsberechtigt wären, wundert sich die Flughafengesellschaft über die auffällige Zurückhaltung. Es scheint so, als ob die Coronakrise auch das Protestpotenzial in Sachen BER gelähmt hat.
Die Stille rund um die finanzielle Situation der Flughafengesellschaft lässt Böses ahnen
Am Ende also alles gut rund um den neuen Großflughafen? Sicher nicht. Denn die Stille rund um die finanzielle Situation der Flughafengesellschaft lässt für die Zukunft Böses ahnen. Trotz aller Bekundungen des Flughafenchefs Engelbert Lütke Daldrup, die Gesellschaft sei liquide, mehren sich die Zweifel, ob das alles so hinhaut, wie erhofft. Schon jetzt verabschiedete sich Lütke Daldrup von den Plänen, der Flughafen könne in drei oder vier Jahren schwarze Zahlen schreiben. Ohne weiteres Geld der drei Eigentümer Berlin, Brandenburg und dem Bund wird es wohl nicht gehen, kündigte der Flughafenchef schon mal an. Doch die Eigentümer reagieren zurückhaltend.
Dabei ist die Schlussrechnung noch eine Wundertüte. Niemand weiß, was die beteiligten Unternehmen am Ende für eine Summe abrechnen werden. Sechs bis sieben Milliarden Euro werden es wohl sein, auch ohne Corona-Pandemie. Das dicke Ende steht also noch bevor. Nur Eines ist sicher: Für Berlin wird es teuer.