Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) und Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) frohlockten diese Woche. Das vom rot-rot-grünen Senat beschlossene neue Konzept zur Ausübung von Vorkaufsrechten diene dem Ziel, „dringend benötigten preiswerten Wohnraum zu erhalten“, so Kollatz-Ahnen. Lompscher fügte hinzu: Dadurch werde der Schutz der Mieter verbessert. Doch das, was sich die beiden Senatoren ausgedacht haben, ist juristisch bei Weitem nicht wasserdicht. Es wird getrickst. Und was es noch schlimmer macht: Es öffnet die Tür zur Gesinnungsschnüffelei.
Der Senat hatte am Dienstag beschlossen, dass die Bezirke bei Hausverkäufen in Milieuschutzgebieten einschreiten können. In diesen Stadtteilen steigen die Mieten besonders stark und es gibt eine Verdrängung der Bevölkerung. Was die Bezirke nun tun sollen, regelt ein 37-seitiges Papier des Senats, eine Art Handlungsanweisung.
Normalerweise ist der Verkauf eines Hauses reine Privatsache, ein Geschäft zwischen Verkäufer und Käufer. Nun aber kann der Bezirk dem Käufer Auflagen machen oder das Haus gleich kaufen, sogar unter dem vereinbarten Preis. Und das geht so: Ein Notar muss routinemäßig beim Bezirksamt nachfragen, ob gegen den Kauf Einwände bestehen. Erfährt der Bezirk auf diesem Weg von dem sich anbahnenden Geschäft, hat er zwei Monate Zeit, dagegen vorzugehen.
Hat der Beamte Zweifel an der Gesinnung, soll der Bezirk zugreifen
Zum Prozedere gehört auch, dass der Käufer bei einer Anhörung versichern muss, dass er die Vorschriften für Milieuschutzgebiete einhält. Gibt er von sich aus eine sogenannte Abwendungserklärung ab, also versichert er, die Mieten niedrig zu halten und nicht zu modernisieren oder die Wohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln, dann darf er das Haus kaufen. Auch seine finanziellen Möglichkeiten, das Haus ordentlich zu bewirtschaften, muss der Käufer offenbaren.
Hat der Beamte allerdings Zweifel an der Gesinnung des Käufers, soll das Bezirksamt zugreifen – und das sogar zu einem möglicherweise für den Eigentümer deutlich niedrigeren Preis, als er sich ihn von seinem ursprünglichen Käufer versprochen hatte. Denn wenn das Bezirksamt den Verdacht hat, dass der Preis zu hoch ist, lässt es parallel zu den Anhörungen ein Verkehrswertgutachten erstellen. Und zwar vom eigenen Mitarbeiter aus dem Fachbereich Vermessung. So kann der Kaufpreis herabgesetzt werden. Und wer soll von dem „zu fairen Marktpreisen“ – wie es in dem Papier heißt – erworbenen Haus profitieren: im Wesentlichen die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Denn private Eigentümer fallen unter Rot-Rot-Grün offenbar unter Generalverdacht. Da schanzt man lieber den eigenen Wohnungsbaugesellschaften neue Mietwohnungen in Neukölln oder Kreuzberg zu.
Massiver Eingriff in die Freiheit privater Eigentümer
Bei einem solchen massiven Eingriff in die Freiheit privater Eigentümer und Käufer rechnet der Senat auch mit Klagen. Deswegen müssen die Sachbearbeiter in den Bezirken überall Vermerke erstellen. Denn es wird auch getrickst. Die Grundlage ist nicht eine „mieterfreundliche Politik“, wie es in der Handlungsanweisung heißt. Vielmehr muss der Beamte mit den Kosten argumentieren, die für die Allgemeinheit entstehen, wenn durch den Verdrängungsprozess vorhandene Infrastruktur woanders neu geschaffen werden muss. War nicht am Anfang dieser Kolumne etwas vom Schutz der Mieter zu lesen? Es gibt noch weitere rechtliche Punkte, die vor Gericht geklärt werden müssen, so der Senat. Offenbar ist man sich juristisch seiner Sache nicht sicher.
Wie sich das Klima in der Mieterstadt Berlin verändern könnte, zeigt auch ein Vermerk. Die oben erwähnte Zwei-Monats-Frist ist eines der größten Probleme. Um Zeit zu gewinnen, sollen die Behörden schon mit Ortsbegehungen beginnen, wenn ihnen „seriöse Mieterhinweise“ über einen bevorstehenden Verkauf vorliegen. Hier wird schon im Vorfeld die Freiheit der Eigentümer eingeschränkt. Willkommen in der Denunziantenstadt Berlin.