Meine Woche

Wenn aus Senatoren plötzlich Flughafen-Experten werden

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Christine Richter
Die Jahreszeiten kommen und gehen am BER. Aber eröffnet wird er nicht

Die Jahreszeiten kommen und gehen am BER. Aber eröffnet wird er nicht

Foto: Patrick Pleul / dpa

Die Linken und die Grünen schicken jetzt doch je ein Senatsmitglied in den BER-Aufsichtsrat. Und bei der CDU macht man Witze.

Eigentlich, so hätte man gedacht, ist das Thema BER eines, das von einer neuen, einer künftigen Regierung in Koalitionsverhandlungen besprochen und entschieden wird. Also vor der offiziellen Bildung des neuen Senats. Dass beispielsweise die Frage geklärt wird, wie der BER-Aufsichtsrat künftig zu besetzen ist, denn mit dem Ausscheiden der CDU aus dem Senat ist ja auch der ehemalige Innensenator und Ex-CDU-Chef Frank Henkel in dem Kontrollgremium nicht mehr vertreten. Doch weit gefehlt. Diese Frage wurde von Rot-Rot-Grün in den Koalitionsverhandlungen nicht entschieden. Obwohl allen Bündnispartnern klar war, dass die Meinungen bei der Aufstellung des BER-Aufsichtsrats weit auseinander liegen.

Wir erinnern uns: Nach dem Desaster am BER, nach der Absage des Eröffnungstermins im Jahr 2012, nach den immer wieder neuen Verschiebungen, nach dem Rücktritt von Klaus Wowereit als Aufsichtsratschef, nach dem Kurzzeitauftritt von Matthias Platzeck auf diesem Posten, dann der Wiederinstallation von Wowereit an der Spitze des Gremiums hatte Michael Müller 2014 bei seinem Amtsantritt als Regierender Bürgermeister zunächst auch auf diesen Job verzichten wollen. Weil sich in allen Parteien die Ansicht – die vor allem von Grünen und Linken vehement vertreten wurde – durchgesetzt hatte, dass Experten es womöglich besser können als Politiker.

Weil auch die anderen beiden Anteilseigner, der Bund und Brandenburg, nur ihre Staatssekretäre in den Aufsichtsrat entsenden. Damit, so hieß es, wären die Eigentümer in diesem wichtigen Gremium ordentlich vertreten, Wirtschafts- und Flughafen-Experten aber könnten das BER-Problem am besten lösen.

Es kam anders: Müller ging doch in den Aufsichtsrat, Henkel blieb bis zur Wahl dabei. Nun, nach dem Regierungswechsel zu Rot-Rot-Grün, wäre die Chance gewesen, die Aufstellung zu ändern. Vertan. Und weil Müller mit seinen neuen Koalitionspartnern die Angelegenheit nicht frühzeitig und hinter verschlossen Türen geklärt hatte, wurde der Streit mal wieder über mehrere Tage öffentlich ausgetragen. Müller und seine SPD wollten, dass Grüne und Linke mit einem ihrer Senatoren in den Aufsichtsrat gehen, am besten mit Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sowie mit Kultur- und Europasenator Klaus Lederer (Linke). Doch Pop hat schon so viele Aufsichtsratsmandate, dass sie dankend ablehnte.

Und war da nicht was – Experten in den Aufsichtsrat? Die neue Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) sagte ebenfalls Nein, auch ihren Staatssekretär wollte sie nicht schicken. Die Linke wartete ab. Und bei Müller machte sich das Gefühl breit, dass ihn seine Koalitionspartner mit dem BER, mit dem politisch nichts mehr zu gewinnen ist, alleinlassen wollten. Also hieß es am Montag inoffiziell, auch Müller werde den Aufsichtsratvorsitz aufgeben, sollten Grüne und Linke nur einen Staatssekretär entsenden. Die Schlagzeile „Müller macht den Abflug“, die wollte im Roten Rathaus dann aber doch niemand riskieren.

CDU und AfD witzeln über Unisex-Toiletten am BER

Ergebnis: Am Dienstag setzte sich Müller im Senat durch. Er bleibt an der Spitze des Aufsichtsrats, die Grünen schicken Justizsenator Dirk Behrendt, der mit seiner ersten Amtshandlung zu Unisex-Toiletten schon berlinweit Schlagzeilen gemacht hat. Für die Linken wird Lederer in dem Gremium Platz nehmen. Experten? Behrendt hat sich als Abgeordneter um die Rechtspolitik in Berlin gekümmert, Lederer ebenfalls. Immerhin sind beide Politiker Juristen. Und weil Müller seinen Flughafenkoordinator Engelbert Lütke Daldrup, jetzt Staatssekretär in der Senatskanzlei, an seiner Seite haben will, ist kein Platz mehr für einen Flughafen-Experten frei.

Eines ist sicher: Es werden interessante Diskussionen im BER-Aufsichtsrat und mit der Flughafenführung werden. Bei CDU und AfD prophezeien sie schon: „Jetzt wird es noch weitere Verzögerungen geben, weil alle Flughafentoiletten auf Unisex-Toiletten umgerüstet werden müssen.“ Es ist als Scherz gemeint.