Berlin. Zum Wechsel der Jahreszeit verkompliziert sich die Kleiderwahl beim Laufen. Es gibt Regeln, die helfen sollen – zumindest eigentlich.

Diese Übergangszeiten sind immer schwierig. Damit meine ich die Wochen zwischen den Jahreszeiten, wenn es sich nicht mehr richtig nach Winter anfühlt, aber auch der Frühling noch nicht ganz angekommen ist, oder wenn, wie jetzt, sich der Sommer in Berlin langsam verabschiedet und der Herbst leise anklopft. Tagsüber ist es noch warm, morgens und abends teilweise schon sehr frisch, was dann immer die Frage auslöst: Wie ziehe ich mich am besten an? Das gilt im Alltag und lässt sich zum Beispiel bei den Fahrgästen in der U-Bahn beobachten. Da sitzt die Frau, die trotz kühlen Temperaturen am Morgen an ihren Sandalen festhält, neben dem Mann, der ein dickes Sweatshirt und darüber noch eine Weste trägt. Und ähnlich wie im Alltag ist die Situation auch beim Laufen.

Hier ist die Lage ohnehin schon etwas komplizierter, wirklich heiße oder wirklich kalte Tage einmal ausgenommen, an denen klar ist: Entweder die Kleidung so kurz und dünn wählen, wie irgendwie möglich, oder alles übereinander anziehen, was sich an Laufklamotten im Schrank finden lässt: Kompressionsshirt, Langarmtrikot, Jacke, Schlauchschal, Stirnband, gefütterte Hose und so weiter. Bei allem, was temperaturtechnisch dazwischen liegt, entscheide ich mich regelmäßig falsch, auch wenn ich versuche, mich an schlauen Regeln zu orientieren. Eine besagt: Auf die reale Temperatur zehn Grad draufschlagen und sich dann für diesen Wert passend anziehen.

Kompliziertes Errechnen der gefühlten Temperatur beim Laufen

Wenn draußen eigentlich 15 Grad sind, dann addiert man also zehn und kommt auf 25 Grad – würde also vermutlich eine kurze Hose und ein T-Shirt anziehen, so Regel Nummer 1. Regel Nummer 2, der sogenannte Windchill-Faktor, besagt allerdings wieder, dass man von der tatsächlich gemessenen Temperatur mehrere Grad abzieht, je nachdem wie stark der Wind ist. Aus zehn Grad bei Windstille werden demnach bei schwachem Wind gefühlte acht Grad, bei Windgeschwindigkeiten von 20 Kilometern pro Stunde sogar nur noch drei Grad – auf die ich dann (Regel Nummer 1) wieder die anfänglichen zehn Grad addieren könnte, um die gefühlte Temperatur beim Laufen zu erhalten. Sie merken: Diese ganze Rechnerei ist gar nicht so einfach.

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Aber es ist ja nicht nur die Temperatur, die das Finden der richtigen Kleidung erschwert, sondern auch die aktuelle Unbeständigkeit des Wetters in Berlin. Es geht von Sonne zu Regen zu Wind und Wolken innerhalb weniger Minuten. Das konnte ich Ende vergangener Woche erleben.

Als ich mich für die Laufrunde bereit machte, war es noch trocken, also entschied ich mich für normales Langarmshirt. An der Haustür angekommen, fing es plötzlich an zu regnen: Also: Zurück in die Wohnung, statt des Langarmshirts wählte ich eine Regenjacke. Wieder zurück im Freien, hatte der Regen allerdings bereits aufgehört – und während des Laufs kam auch kein Tropfen mehr runter. Ich will mich darüber nicht beklagen, ich laufe lieber im Trockenen. Aber es zeigt, wirklich verlässlich ist das Wetter aktuell nicht.

Rätselraten über die Kleidungswahl anderer Läufer in Berlin

Es gibt aber auch beruhigende Nachrichten, denn zumindest stelle ich immer wieder fest: Offenbar bin ich nicht die einzige, die ein Problem damit hat, sich für die richtige Laufkleidung zu entscheiden. Ganz offensichtlich scheint das bei denen, die einfach Kleidung für ganz unterschiedliche Temperaturen kombinieren. In der vergangenen Woche ist mir in Berlin etwa ein Läufer begegnet, der ein dünnes Tanktop getragen hat, dazu aber wärmende Handschuhe.

Auch nicht schlecht war der Jogger, der oberkörperfrei über das Tempelhofer Feld rannte, auf dem Kopf aber eine Pudelmütze trug. Lässt sich eine solche Taktik wissenschaftlich begründen? Oder gibt es doch eher modische Gründe, die sich mir noch nicht erschlossen haben? Vielleicht kann mich irgendwann noch einmal jemand aufklären, was es damit auf sich hat. So lange rätsle ich noch ein wenig weiter. Über die modischen Entscheidungen anderer Läuferinnen und Läufer. Und vor meinem Schrank über meine eigene Kleidungswahl.

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