Berlin. Mit der Zeit kann man als Läufer in Berlin durchaus kleine Ticks entwickeln. So oder so wird man zumindest ein guter Planer.
Neulich habe ich mich ertappt gefühlt. Auf der Plattform Instagram wurde mir ein kurzer Clip angezeigt, in dem ein Läufer eigentlich von seiner Joggingrunde bereits zurück und vor dem Haus angekommen ist. Nach einem Blick auf die Uhr beginnt er dann aber, etwas wirr in kleinen Kreisen umher zu laufen, bis er schließlich zufrieden stehen bleibt. Ich habe sofort verstanden, was er da macht und warum, weil ich manchmal ähnlich seltsame Runden drehe. Einen Trainingslauf nach 9,73 Kilometern beenden? Kommt gar nicht in Frage. In einem solchen Fall müssen natürlich die zehn Kilometer voll gemacht werden, auch wenn das bedeutet, noch zwei Mal die Straße hoch und runter zu laufen.
Natürlich weiß ich, dass das nur bedingt sinnvoll ist. Ob ich diese 270 Meter noch laufe oder nicht, spielt für den Trainingseffekt keine Rolle. Das Einzige, was sich ändert, ist die Zahl, die mir auf meiner Uhr angezeigt wird – und die im Zweifelsfall auch nur ich selbst sehe. Aber es ist eine der Macken, die ich offenbar nicht nur mit dem besagten Instagram-Läufer teile, sondern auch noch mit manch anderen Joggerinnen und Joggern. Wenn ich das Thema anspreche, heißt es oft: So geht’s mir auch.
Die Aufzeichnung mit der Laufuhr ist das, was zählt
Es gibt aber noch andere Eigenheiten, die man mit der Zeit als Läufer oder Läuferin entwickelt. Oder die ich zumindest bei mir selbst und Menschen in meinem Umfeld beobachte. Viel hängt mit der Technik zusammen, die Sportlern heute zur Verfügung steht. Um das Training korrekt aufzuzeichnen, also vor allem das Tempo und die Länge der Strecke zu erfassen, wird ein GPS-Signal benötigt. Bis meine Uhr das Signal gefunden hat, dauert es mal mehr und mal weniger lange. Im Zweifelsfall stehe ich fünf Minuten vor dem Tor, bis das Zeichen endlich grün aufleuchtet und das erlösende Piepen ertönt.
Wo wir schon beim korrekten Aufzeichnen von Strecke und Tempo sind: Selbstverständlich gilt, dass an Kreuzungen oder Ampeln – und davon können einem beim Joggen durch Berlin so einige begegnen – die Stopptaste gedrückt wird. Bloß keine Sekunde zu viel aufzeichnen, die die Geschwindigkeit verfälschen könnte. Selbst wenn auch das kein Mensch außer einem selbst sieht. Oder es zumindest niemand anderen interessiert.
Drei Wetter-Apps checken, die dann doch alle daneben liegen
Und ist der Akku der Laufuhr leer, kann das Training natürlich erst gar nicht starten. Das Motto: Nur, was aufgezeichnet wird, zählt. Man kann das Ganze natürlich auch ein wenig (oder noch ein wenig mehr) übertreiben. Als ich vor ein paar Monaten mit der S-Bahn zum Start eines Laufs am Olympiastadion fuhr, stand mit mir im Wagen ein anderer Teilnehmer mit gleich drei Uhren an den Armen gegenüber. Eine rechts, zwei links – der Mann wollte offenbar auf Nummer sicher gehen. Passend, dass er außerdem ein Armband mit dem Nike-Slogan „Just do it“ umgebunden hatte. Ganz so einfach ist das „einfach Machen“ dann wohl doch nicht.
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Faszinierend ist auch der Aufwand, den Läufer manchmal auf sich nehmen, um ihren Trainingsplan aufrechtzuhalten. Das gilt vor allem in der Vorbereitung auf längere Distanzen, einen Halbmarathon oder Marathon, wenn Läufe zwei, drei oder dreieinhalb Stunden dauern können. Für solche Trainings wird traditionell der Sonntag genutzt, der dann nicht selten um den Lauf herumgeplant wird. Da wird um sechs Uhr aufgestanden, um die angestrebte Kilometerzahl auch bei Hitze im Sommer durchzuziehen. Verabredungen können erst ab dem späteren Nachmittag stattfinden, und beim Essen wird der absehbare hohe Kalorienverbrauch miteinkalkuliert, im Idealfall sogar schon am Tag vorher.
Manchmal sind es aber auch Kleinigkeiten. Ich erwische mich teilweise dabei, zwei bis drei Wetter-Apps vor einem Training zu kontrollieren. Wind, Sonne, Temperatur – alles wird geprüft, um dann festzulegen: Was ziehe ich an, nehme ich Wasser mit, wo laufe ich lang und in welche Richtung starte ich? In der Hälfte der Fälle ist das natürlich völlig umsonst, weil jede Wetterprognose etwas anderes besagt. Oder einfach alle daneben liegen. Vielleicht wäre das Motto „Just do it“ also ab und an doch eine gute Idee. Man muss es dann eben nur einfach machen. Also wirklich.