Berlin

Große Defizite in der Polizeiakademie

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Hans H. Nibbrig

Bericht des externen Prüfers: Viele Schüler können kein Deutsch, es fehlen Lehrer, zu viel Unterricht fällt aus

Berlin. Die Bildungsdefizite angehender Polizeibeamter in Berlin sind gravierender als bislang angenommen. Das geht aus dem Abschlussbericht des externen Sonderermittlers Josef Strobl über die Situation an der Polizeiakademie hervor, der der Berliner Morgenpost vorliegt. Der 100-seitige Bericht soll am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses vorgestellt werden.

Deutliche Defizite gibt es vor allem bei den Deutschkenntnissen der Auszubildenden. Die sprachliche Kompetenz einer Vielzahl der Schüler sei insgesamt eher als unterdurchschnittlich zu bewerten, ist dem Bericht zu entnehmen. Zahlen zu den sogenannten Einstufungsdiktaten, die die Polizeianwärter während ihrer Ausbildung mehrfach schreiben müssen, belegen dabei besonders deutlich das ganze Ausmaß des Problems. So erhielten im Einstellungsjahrgang 2016 137 von 218 Auszubildenden für ihre Diktate die Note 6.

Die Chance, dieses Manko während der Ausbildung so gut wie möglich zu kompensieren, war zumindest in der Vergangenheit gleich null, das belegt eine andere Zahl. So fielen im Jahr 2016 etwa 35 Prozent, zu manchen Zeiten gar bis zu 60 Prozent der Unterrichtsstunden in Deutsch einfach aus.

„Der Ausbildungserfolg in Gänze war und ist grundsätzlich noch nicht in Gefahr“, heißt es in dem Bericht, wobei die Worte „noch nicht“ unterstrichen sind. Jedoch, heißt es im Fazit des Sonderermittlers weiter, sei deutlicher Verbesserungsbedarf festgestellt worden. Der gilt sowohl für die Gestaltung des Unterrichts als auch für die Organisation der Akademie und das Auswahlverfahren für die Bewerber. Dazu enthält der Bericht eine Vielzahl von Handlungsempfehlungen.

Keine Verbesserungen ohne zusätzliches Personal

Dabei gibt es allerdings ein Problem, von dem derzeit nicht sicher ist, wie es gelöst werden könnte. Es sei davon auszugehen, dass das empfohlene Konzept nur mit deutlich mehr Personal umgesetzt werden könne, stellen Strobl und seine Mitarbeiter unmissverständlich fest. Kommen soll das zusätzliche Personal den Handlungsempfehlungen zufolge aus allen anderen Bereichen und Dienststellen der Berliner Polizei. Denen sei die Notwendigkeit weiterer Mitarbeiterentsendungen verständlich zu machen. Eine Idee, wie das funktionieren könnte, hat der Sonderermittler auch. Die Abstellung von Mitarbeitern für die Polizeiakademie solle den betroffenen Dienststellen als „Investition in die Zukunft“ schmackhaft gemacht werden.

Die Polizeiakademie an der Charlottenburger Chaussee in Spandau war 2017 in die Schlagzeilen geraten. Berichte über ein erschreckendes Bildungsdefizit der Auszubildenden und Disziplinlosigkeiten bis hin zur Begehung von Straftaten machten die Runde. Zudem gab es Klagen und Kritik von Ausbildern an die Adresse der Akademieleitung, die inzwischen komplett ausgetauscht wurde. Befragungen, auf die der Bericht ausführlich eingeht, belegten ein offenbar völlig zerrüttetes Verhältnis zwischen der früheren Akademieleitung und vielen Ausbildern.

„Was der Sonderermittler darüber festgestellt hat, widerspricht völlig der ständigen Behauptung von Innenverwaltung und Behördenleitung, man wolle eine offene Kritikkultur und einen offenen Umgang mit Fehlern“, kritisierte Marcel Luthe, Innenexperte der FDP-Fraktion. Sein SPD-Kollege Tom Schreiber nannte gegenüber der Berliner Morgenpost bereits zuvor drei Forderungen zur Zukunft der Polizeiakademie: mehr Personal, mehr Geld für Investitionen und eine bessere Bezahlung der Lehrkräfte. Schreibers Erwartungen decken sich mit dem Tenor des Berichts.

Nachdem im Herbst vergangenen Jahres immer neue Meldungen über die Zustände an der Akademie die Runde machten, beauftragte Innensenator Andreas Geisel (SPD) Sonderermittler Strobl, einen pensionierten Kriminaldirektor und ausgewiesenen Fachmann aus Bayern mit der Untersuchung. Dessen jetzt vorliegender Bericht enthält zumindest in einem Punkt etwas Positives für Innenverwaltung und Polizeibehörde: Es konnten, heißt es gleich in der Einleitung, keinerlei großartige Missstände in Form von dienstrechtlichen Unregelmäßigkeiten oder gar strafrechtlichen Verfehlungen festgestellt werden. Seite 2