Nur 36 Meter trennen die Ufer von Rahnsdorf und Müggelhort. Ronald Kebelmann bringt die Passagiere auf Zuruf rüber – mit dem Ruderboot.
Es gibt Menschen, die ihn um seinen Arbeitsplatz beneiden. „Mensch Ronni“, sagen sie, „du hast es gut. Sommer, Sonne und Wasser. Ab und zu ruderst du mal nen Wanderer rüber. Vier, fünf Schläge, mehr brauchst du ja nicht, um sie ans andere Ufer zu bringen.“
„Hmmmmm.“ Ein sonores Brummen, das ist alles, was man in solchen Momenten von Ronald Kebelmann hört. Und wer ihn kennt, der weiß, dass das durchaus als Zustimmung zu verstehen ist. Kebelmann, 63, ist Ruderfährmann, der letzte seiner Zunft, zumindest in Berlin, vielleicht sogar auch im Rest der Republik. So genau weiß Ronald Kebelmann das nicht. Sein Revier ist überschaubar. Es sind genau 36 Meter zwischen den Ufern von Müggelhort und Rahnsdorf. Ein Klacks nur, doch es sei genau diese Nähe, die ihn an diesem Job reize, sagt der Fährmann. „Hier kennt jeder jeden. Es ist ein bisschen familiärer als auf der Straße.“
„Kann das Fahrrad mit?“ Ein Passagier steht auf seinem Steg, so ein sportlicher Mittsechziger mit Fahrradhelm. „Ja, kostet aber 1,20 Euro extra.“ Der Mann kramt Kleingeld aus seiner Tasche. Er könnte auch mit der Fähre F 23 fahren. Aber es geht ihm wie vielen Ausflüglern. Sie haben im Reiseführer gelesen, dass es am südöstlichen Rand von Berlin noch ein Boot gibt, das ohne Benzin, Strom oder Solarenergie auskommt. Es heißt „Paule III“ und wird von einem Mann gesteuert, der mit Vollbart, Zopf und seinem mächtigen Bauch aussieht, wie sich Kinder einen Seebären vorstellen.
Und das ist Ronald Kebelmann ja irgendwie auch. Er sagt, er sei schon als Kind im Sommer immer der Erste gewesen, der im Wasser war. Logisch, dass er dann zur Marine gegangen sei und sein Patent als Schiffsführer gemacht habe. Nach der Wende schlug er sich als Lkw-Fahrer durch. Staus, Baustellen, rote Ampeln. Und dann immer dieser Termindruck. Kebelmann sagt, er sei nicht traurig gewesen, als er den Job verlor. Die Stern- und Kreisschifffahrt suchte einen Ruderfährmann, dienstags bis sonntags, 11 bis 19 Uhr. Er sagt, der Job sei ein Sechser im Lotto gewesen. Das findet er heute noch. Dabei ist es mit der Gemütlichkeit auf der Wasserstraße vorbei, seit die Grenze für Motorboote ohne Führerschein von fünf auf 15 PS erhöht wurde. Sein Blick fällt auf ein „Partyfloß“, das ihm die Vorfahrt nimmt. Lauter Jungs an Bord, die ersten schon betrunken. Einer grölt: „Hey Paule.“ Kebelmann seufzt. „Die sind viel zu schnell.“
Es ist ein Wunder, dass es seine Fähre noch gibt. 2013 sollte sie eigentlich eingestellt werden, doch die Anwohner protestierten – mit Erfolg. 2014 kam die Fähre zurück. Heute verkehrt „Paule III“ nur noch an den Wochenenden. Kebelmann sagt, an den anderen Tagen steuere er die Fähre F 21 von Schmöckwitz nach Krampenburg. Es ist seine letzte Saison, 2018 geht er in den Vorruhestand. „Paule III“ aber fährt weiter. Drei Kollegen werden die Tradition fortführen. Ein Glück, sagt Kebelmann. „Der Fährmann von Rahnsdorf ist doch so etwas wie der Hauptmann von Köpenick.“