Berlin

Ärger mit der Baufertigstellung

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Harald Czycholl

Gerichtliche Auseinandersetzungen sollten vermieden werden, da sie sehr schnell teuer werden und oft kein richtiges Ergebnis bringen

Berlin.  Beim Richtfest stand Familie R. aufgeregt und voller Vorfreude vor ihrem Rohbau. Hier, nur 15 Minuten von Würzburg entfernt, würde also bald ihr neues Leben beginnen – mit Platz für die Kinder und unabhängig von Nachbarn und Vermietern. So zumindest war ihre Hoffnung. Doch aus dem Umzug ist bis heute noch nichts geworden.

Und das, obwohl ihnen die Baufirma eine Fertigstellung im Sommer versprochen hatte. Aber schriftlich festgehalten war ein solcher Fertigstellungstermin nicht – und so kam es, wie es kommen musste: Nach dem Richtfest kam es immer zu Verzögerungen, bei jedem Telefonat mit der Baufirma hörte der Bauherr eine neue Ausrede. „Zum Glück konnten wir gegenüber unserem Vermieter die Kündigung rückgängig machen“, sagt Michael R. – sonst säße die Familie jetzt wohl auf der Straße.

Bis zu 21.000 Immobilien werden pro Monat gekauft

Bauen gehört zu den großen Abenteuern: Zehntausende Familien wagen es jedes Jahr. Sie investieren oft ihr ganzes Vermögen in ein eigenes Zuhause und verschulden sich auf Jahrzehnte. Laut Angaben des Verbands Privater Bauherren (VPB) bauen oder kaufen in Deutschland derzeit Jahr für Jahr 250.000 Familien ein Haus oder eine Eigentumswohnung. Das entspricht rund 21.000 privaten Immobilienkäufen pro Monat. Die Immobilien sind die wichtigsten Investitionen im Leben dieser Menschen und volkswirtschaftlich von enormer Bedeutung. Und doch scheuen die Baufirmen nicht davor zurück, an allen Ecken zu tricksen. So müssen sich Laienbauherren mit lückenhaften Baubeschreibungen abspeisen lassen und mit ungewissen Einzugsterminen leben.

Je länger der derzeitige Bauboom anhält, desto häufiger kommt es zum Streit zwischen Bauherren mit Bauträgern, Generalunternehmern und Baufirmen. Und wenn derartige Konflikte vor Gericht enden, wird es teuer: Durchschnittlich 26.000 Euro beträgt der Streitwert bei Baurechtsstreitigkeiten, zeigt eine aktuelle Untersuchung baurechtlicher Mandate von Bauherren-Schutzbund (BSB) und dem Institut für Bauforschung (IfB) in Hannover. Die durchschnittlichen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten liegen bei 1300 Euro, die gerichtlichen Rechtsverfolgungskosten im Schnitt bei 5700 Euro und für eine Gutachtenerstellung muss im Mittel mit 3800 Euro gerechnet werden. Noch teurer wird ein selbstständiges Beweisverfahren: Hierfür müssen der Untersuchung zufolge 9300 Euro veranschlagt werden.

Baurechtsstreitigkeiten würden mit einem erheblichen Kostenrisiko für die Betroffenen einhergehen, resümiert BSB-Geschäftsführer Florian Becker. „Neben den Verfahrenskosten kommt zudem noch der Faktor Zeit hinzu, da Baurechtsstreitigkeiten oft lange dauern.“ Und der Zeitfaktor ist für Bauherren kritisch, denn sobald die Finanzierung steht, beginnt die Doppelbelastung aus weiterlaufenden Mietzahlungen für die alte Wohnung und den Kosten des laufenden Darlehens für das neue Domizil. Je länger der Streit dauert, desto größer ist auch das Potenzial, dass diese Doppelbelastung die Bauherren in den finanziellen Ruin treibt.

Wer ein schlüsselfertiges Haus kauft, hofft darauf, dass die Kosten unter Kontrolle und das finanzielle Engagement überschaubar bleibt. Doch die Praxis sieht laut VPB-Angaben anders aus: Ungenaue Leistungsbeschreibungen, lückenhafte Angebote, überzogene Kostenpläne und Bauträgerpleiten seien an der Tagesordnung und könnten leicht zu erheblichen Mehrkosten führen. Trotz allen Ärgers über unzuverlässige Baufirmen sollten Bauherren aber eines möglichst vermeiden: den Gang vor Gericht. Dieser sollte immer nur das letzte Mittel sein, rät Peter Steiniger, Fachanwalt für Baurecht aus Schwandorf in der Oberpfalz. Häufig wird ein solcher Rechtsstreit auch gar nicht mit einem Urteil abgeschlossen, sondern mit einem Vergleich.

Viel besser ist es, alles daranzusetzen, eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Wer sich schon beim Entstehen erster Probleme an einen Experten wendet – etwa einen Fachanwalt oder auch einen Bausachverständigen –, kann baurechtliche Probleme oft schon im Ansatz lösen. Und zwar, bevor diese eskalieren und die Kontrahenten auf stur schalten.

Gerade bei der Vertragsgestaltung zwischen Bauherrn und den ausführenden Firmen liegt oft einiges im Argen. Die Beschaffenheit des Gebäudes werde in der Regel durch eine Baubeschreibung oder die Bauantragspläne definiert, sagt Steininger. „Diese werden zu Bestandteilen des Baubetreuungs- oder Kaufvertrags.“ Hier sind Details wichtig, damit es nicht zum Streit über die Beschaffenheit und Ausstattung des Hauses kommt. So sollten beispielsweise in der Beschreibung nicht nur der Einsatz mehrfach verglaster Fenster und eine weiße Haustür, sondern auch der Hersteller und der sogenannte Wärmedurchgangskoeffizient des Bauteils, der sogenannte U-Wert, stehen.

Detaillierte Angaben nach dem neuen Bauvertragsrecht

Mit dem im Februar vom Bundestag verabschiedeten neuen Bauvertragsrecht, das 2018 in Kraft tritt, soll sich die Situation von Bauherren verbessern. Bauunternehmer sind dann verpflichtet, eine Baubeschreibung mit detaillierten Angaben bereitzustellen, die auch verbindliche Angaben zur Bauzeit enthält.

Aber der Vertrag ist natürlich nur die eine Seite – ebenso wichtig sind laufende Baukontrollen durch einen Sachverständigen, mahnt der VPB. Der Verband rät, beim Bau eines durchschnittlichen Hauses sechs Baustellentermine durchzuführen. Zusätzliche Baukontrollen sind sinnvoll, wenn anspruchsvolle Bauteile geplant sind, beispielsweise ein zweischaliges Klinkermauerwerk oder auch eine sogenannte weiße Wanne. Bei Letzterer handelt es sich um eine wasserundurchlässige Stahlbetonkonstruktion zur Abdichtung von Kellern. Geprüft werden sollte immer dann, wenn ein Bauabschnitt fertig ist, die Ergebnisse aber noch sichtbar sind. Wie ein Bauunternehmen arbeitet, zeigt sich nicht nur während der Kontrollen, sondern auch schon bei der Frage, ob es die Baustellenbesuche des unabhängigen Beraters toleriert oder boykottiert.

Ein juristischer Fallstrick lauert, wenn man ein schlüsselfertiges Haus von einem Bauträger kauft. Denn man wird erst Eigentümer, wenn das Haus fertig gebaut, bezahlt und offiziell übergeben ist. Vorher ist man rechtlich gesehen lediglich Erwerber, Bauherr ist der Bauträger. Das Problem dabei: Wenn der Erwerber sein Grundstück oder seinen Rohbau besichtigen möchte, benötigt er dazu formal die Zustimmung des Bauherrn, also des Bauträgers, so Fachanwalt Steininger.

Ganz billig ist ein baubegleitender Sachverständiger nicht: Bei einem üblichen Einfamilienhaus beginnen die Kosten bei etwa 2600 Euro netto, abhängig von Bauort, Art, Ausstattung und Größe des geplanten Hauses. Dennoch sind die Kontrollen kein Luxus, sondern vielmehr eine Notwendigkeit – schließlich lassen sich damit spätere Rechtsstreitigkeiten vermeiden. Und verglichen mit der gesamten Bausumme ist die Investition für den Sachverständigen auch nicht sonderlich groß.