Berlin. In Boardinghäusern wohnen Firmenangestellte für längere Dauer komfortabler als in vergleichbaren Hotels
Flexibilität ist das Mantra der modernen Arbeitswelt. Einige Monate ein Projekt in Frankfurt am Main, dann zurück in die Zentrale in Hamburg, anschließend für vier Wochen zur Unterstützung der Berliner Niederlassung in die Hauptstadt – für manche Berufstätige ist das Alltag. In solchen Fällen stellt sich die Frage: Hotel oder Wohnung? Die Antwort darauf lautet immer häufiger: Weder noch – die urbanen Nomaden entscheiden sich stattdessen für ein Serviced Apartment. „Wir beobachten einen Riesenschub in diesem Segment“, sagt Anett Gregorius. Die Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Boardinghouse Consulting stellt fest, dass sich das Angebot deutlich ausweitet. „Die Anbieter erkennen, dass die Bedürfnisse der Menschen flexibler geworden sind“, so Gregorius. Diesen Bedürfnissen entgegen kommt ein Modell, das zwischen Hotel und klassischer Wohnung liegt: Beim Serviced Apartment muss sich der Gast nicht um die Einrichtung der Wohnung kümmern, weil diese komplett ausgestattet ist; gleichzeitig ist er aber unabhängiger als im Hotel.
Allerdings hat der Markt für temporäres Wohnen einen Nachteil: Niemand weiß, was alles genau darunter zu verstehen ist. Apartmenthotel und Boardinghouse, Mikroapartments und Serviced Apartments, Aparthotel und City-Living – eine Vielzahl an Begriffen schwirren herum mit teilweise unterschiedlichen Konzepten. „Der Markt für temporäres Wohnen ist intransparent und sehr fragmentiert“, sagt Roman Heidrich, Wohnungsexperte bei der Beratungsgesellschaft Jones Lang LaSalle (JLL) in Berlin. Er hat in Kooperation mit dem Immobilienunternehmen Berlinovo eine Studie verfasst, die Licht in das Dunkel zumindest des Berliner Markts bringen soll. Ergebnis: In der Bundeshauptstadt gibt es rund 11.000 solcher für die Kurzzeitvermietung vorgesehenen Apartments.
Dabei ist dieser Markt, der von Portalen wie Airbnb und Wimdu dominiert wird, alles andere als unbedeutend: Laut einer vom Deutschen Ferienhausverband in Auftrag gegebenen Studie gab es im Jahr 2015 allein in Berlin fast 25.000 solche privaten Ferienwohnungen. Bundesweit kamen die Autoren der Studie damals auf die gewaltige Zahl von 680.000 privaten Ferienapartments.
Dass sich die professionellen Anbieter von diesem Segment demonstrativ abgrenzen, hat gute Gründe: Sie wollen vermeiden, in die politisch aufgeladene Debatte um die Zweckentfremdung von Wohnraum einbezogen zu werden. „Mit Zweckentfremdung und Ferienwohnungen haben wir nichts zu tun“, betont Roland J. Stauber, Sprecher der Geschäftsführung von Berlinovo.
Dieses wohnungswirtschaftliche Modell ist jedoch nur die eine Seite. Auf der anderen Seite stehen gewerbliche Konzepte, die sich an den Hotelmarkt anlehnen. Derag Livinghotel, Adina, Adagio, Citadines und Capri by Fraser sind nur einige dieser Aparthotels, deren Zimmer zwar auch für einen längeren Aufenthalt geeignet sind, die aber oft trotzdem bereits für eine einzige Nacht angemietet werden können.
„Aber auch viele Quereinsteiger aus dem Bereich des studentischen Wohnens drängen auf den Markt“, beobachtet Anett Gregorius. Ein Beispiel dafür ist der Projektentwickler GBI, der zu den großen deutschen Spezialisten für Studentenapartments zählt.
Bei der Preisgestaltung orientieren sich GBI und ihre Wettbewerber nicht an den Wohnungsmieten, sondern an den Preisen von günstigen Hotels. „Ein Standardapartment bei uns sollte in der Regel bei längeren Aufenthalten nicht mehr als 1500 Euro im Monat kosten“, sagt Michael Blind, Geschäftsführer der Smartments Business Betriebsgesellschaft. Dabei böten die möblierten Apartments jedoch „einen höheren Standard und mehr Individualität als ein Hotelzimmer“. Expertin Anett Gregorius nennt noch weitere Vorteile: Weil Serviced Apartments weder Konferenzsäle noch Frühstücksräume aufweisen, können sie günstiger vermietet werden.
Nach Berechnungen von Anett Gregorius wird die Zahl von derzeit bundesweit 25.600 Serviced Apartments bis 2018 um 30 Prozent steigen. Parallel dazu nimmt auch die Nachfrage an diesem Produkt durch Investoren zu. „Die Investmentseite hat erkannt, dass sie es bei den Budget-Hotels verpasst hat, rechtzeitig auf den Zug aufzuspringen“, sagt Stefan Brauckmann, Geschäftsführer der Forschungseinrichtung am Moses-Mendelssohn-Institut. Diesen Fehler wollen die Investoren nicht noch einmal machen. Entsprechend hat die GBI beispielsweise ihr im Bau befindliches Haus in Wien an die Württembergische Versicherung verkauft.
Allerdings kommt es dabei zu einem Konflikt zwischen den Ansprüchen der Investoren und den Wünschen der Gäste, wie Anett Gregorius feststellt: „Investoren wünschen sich größere Häuser mit mindestens hundert Einheiten. Die Gäste schätzen hingegen die Individualität, die kleinere Häuser bieten.“