Berlin

Sondierung erfolgreich: SPD, Linke und Grüne wollen Berlin regieren

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Jens Anker

Koalitionsverhandlungen starten nächste Woche. SPD-Basis kritisiert Parteispitze nach schlechtem Wahlergebnis

Berlin. Während SPD, Linke und Grüne am Montag beschlossen haben, Mitte nächster Woche in Koalitionsverhandlungen einzutreten, wächst an der SPD-Basis der Ärger über das Verhalten der eigenen Partei nach der Wahl. Vor allem im Ostteil hatte die Partei zum Teil dramatisch an Zuspruch verloren. „Ich weiß nicht, ob wir im Osten jemals so schlecht waren“, sagt der Kaulsdorfer Abgeordnete Sven Kohlmeier. In einem Schreiben an seine Partei zieht er eine verheerende Bilanz des Wahlkampfs und des Wahlergebnisses. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, darüber zu diskutieren, warum wir so viele Stimmen verloren haben“, so Kohlmeier. Vielleicht müsse die SPD in den Koalitionsverhandlungen andere Schwerpunkte setzen. Nach dem Wahlergebnis könne die Partei nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Unterstützung erhält Kohlmeier aus Treptow-Köpenick. „Es besteht die Gefahr, dass wir sagen, ‚Schwamm drüber‘, irgendwie geht es schon weiter“, sagt der innenpolitische Experte der SPD, Tom Schreiber. Beide Politiker befürchten, dass die feststehende Regierungsbeteiligung die Analyse der Wahlschlappe übertüncht. „Ich hätte mir mehr Demut erwartet“, betont Schreiber. Die SPD werde vor allem von älteren Menschen gewählt. Jüngere, ob Angestellte, Beamte oder Arbeitslose, würde die SPD kaum noch erreichen. Angesichts dieser Krise sei es gefährlich, sich damit zufriedenzugeben, weiterhin die stärkste politische Kraft zu stellen. „Die SPD entwickelt sich immer mehr zu einer Funktionärspartei“, kritisiert Schreiber. Die Ursache für die Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung liegt nach Auffassung Schreibers darin, dass die Partei es versäumt hat, ihren Markenkern zu pflegen. „Die SPD muss wieder mehr den Blick fürs Soziale bekommen“, sagt Schreiber und nennt als Beispiel die Bildungspolitik, für die die SPD seit Jahren verantwortlich ist. „Wir doktern seit Jahren im Bildungsbereich herum und stellen jetzt fest, dass fünf Milliarden Euro nötig sind. Was ist da schiefgelaufen?“

Die Kritik der beiden Sozialdemokraten richte sich ausdrücklich nicht gegen Personen. Allerdings dürfte innerparteilich der Finger vor allem auf den Regierenden Bürgermeister Michael Müller zeigen, der sich nach den Wahlen trotz starker Verluste zum Wahlsieger mit klarem Regierungsauftrag ausgerufen hatte. Dafür war Müller kritisiert worden.

In der vergangenen Woche hatte sich Müller dann einsichtig gezeigt. Nach den Sondierungen mit Grünen und Linkspartei hatte er von einem neuen politischen Umgang miteinander gesprochen. Kritik am Kurs der Partei hatte SPD-Fraktionschef Raed Saleh schon am Sonntag im Morgenpost-Interview geübt. Die SPD müsse mehr in den Kiezen, Sportvereinen und Kneipen verankert sein. „Wir müssen weniger Staatspartei sein und wieder mehr als Volkspartei bei den Leuten sein“, forderte Saleh ein Umdenken.

Nächste Woche starten dem SPD-internen Streit zum Trotz die Verhandlungen für Rot-Rot-Grün. Alle drei Landeschefs, Michael Müller (SPD), Klaus Lederer (Linke) und Daniel Wesener (Grüne) werden den Parteivorständen empfehlen, den Eintritt in Koalitionsverhandlungen zu billigen. Kritik daran kam von der CDU. Fraktionschef Florian Graf sagte, eine Empfehlung zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ohne Angabe von Inhalten entspreche nicht dem Anspruch, die besten Lösungen für Berlin zu finden. Seiten 2 und 10