Berlin

Rigaer Straße: Räumung war rechtswidrig

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Ulrich Kraetzer

Linksautonome erzielen nach Polizeieinsatz Erfolg vor dem Landgericht. Innensenator gerät in Erklärungsnot

Berlin. Die Aktivisten des linken Wohnprojekts an der Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain haben einen Etappensieg vor Gericht erzielt: Das Landgericht entschied am Mittwoch im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, dass der Verein „Kadterschmiede“ die Flächen der gleichnamigen Szenekneipe im Hinterhof des Hauses zunächst weiter nutzen darf. Die Räumung durch den Eigentümer, die „Lafone Investment Limited“, am 22. Juni sei rechtswidrig gewesen.

Richterin Nicola Herbst begründete ihren Beschluss damit, dass die Betreiber der „Kadterschmiede“ zwar keinen Mietvertrag gehabt hätten, die Räume aber bereits seit Jahren genutzt hätten. Im juristischen Sinne seien sie damit im Besitz der Flächen gewesen. Um die Räume wieder selbst nutzen zu können, hätte der Eigentümer laut Gesetz daher einen Räumungstitel erwirken müssen, den ein Gerichtsvollzieher hätte vollstrecken können. „Die Lage ist rechtlich relativ eindeutig“, sagte die Richterin. Vor dem Amtsgericht waren die Betreiber der „Kadterschmiede“ zuvor erfolglos geblieben, weil sie nach Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft machen konnten, die Räume schon länger als ein Jahr zu nutzen. Vor dem Landgericht legten sie nun eine eidesstattliche Versicherung vor.

Richterin Herbst machte deutlich, dass die Entscheidung „nur von kurzer Dauer“ sei. Der Eigentümer könne zur Nutzung der Flächen einen Räumungstitel erwirken. Die Vereinsmitglieder müssten die Räume der „Kadterschmiede“ dann unverzüglich verlassen. Herbst appellierte an beide Seiten, sich gütlich zu einigen, um eine weitere Eskalation zu vermeiden.

Der Rechtsbeistand der Eigentümer, André Tessmer, war nicht zum Prozess erschienen, sodass die Entscheidung im Wege eines Versäumnisurteils erging – die Eigentümer konnten ihre Sicht der Dinge also nicht darstellen. Auf Anfrage der Morgenpost begründete Tessmer sein Fehlen damit, dass in der Nacht vor dem Prozess ein Auto vor seinem Haus angezündet worden sei. Dazu gab es auch eine Meldung der Polizei. Einen weiteren Anschlag hatte es laut Tessmer bereits Anfang April gegeben. Es sei offensichtlich, dass er eingeschüchtert werden sollte. „Vor diesem Hintergrund haben meine Familie und ich entschieden, mich nicht weiteren Anfeindungen bei dem heutigen Prozess auszusetzen“, sagte Tessmer. Eine Vertretung sei am Mittwoch nicht zu finden gewesen. Gegen das Urteil werde er wahrscheinlich Einspruch einlegen.

Die Entscheidung bringt die Polizei und Innensenator Frank Henkel (CDU) in Erklärungsnot. Aus Sicht der Opposition bedeutet der Beschluss, dass auch der Polizeieinsatz zur Umsetzung der Räumung nicht rechtmäßig war. Henkel wies die Vorwürfe zurück. Rechtliche Grundlage für den Polizeieinsatz sei die Gefahrenabwehr gewesen. Bauarbeiter sollten geschützt werden. Ein Sprecher der Verwaltung sagte, es habe sich nicht um eine Räumung gehandelt. Henkel sei über den Polizeieinsatz informiert worden, habe ihn aber nicht angeordnet. Auch die Senatskanzlei erklärte, in die Entscheidung nicht involviert gewesen zu sein. „Wir gehen fest davon aus, dass die Innenverwaltung die Rechtsgrundlage dafür erklären kann“, sagte die Sprecherin des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), Daniela Augenstein. Seiten 2 und 10