Berlin. Die Berliner Justiz bereitet sich auf einen starken Anstieg der Asylverfahren vor. Während sich die Zahl der Verfahren in Brandenburg bereits auf mehr als 5000 verdoppelt hat, erwartet der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in Zukunft ähnlich hohe Zahlen in der Stadt. „Auch in Berlin wird sich die Zahl der Verfahren auf lange Sicht immer mehr aufbauen“, sagte Joachim Buchheister am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresberichts der Verwaltungsgerichte.
Bislang habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Berlin vor allem die Asylanträge der syrischen Flüchtlinge bearbeitet – die so gut wie alle positiv beschieden wurden. Das ändere sich derzeit, da das BAMF jetzt kompliziertere Altfälle aus anderen Herkunftsländern bearbeite. Durch die Aufstockung des Personals werden zudem in diesem Jahr mehr Fälle bearbeitet als zuvor, sodass auch die Zahl der Widersprüche ansteigen wird.
Um die erwartete Zunahme der Asylverfahren bewältigen zu können, werden zusätzliche Richterstellen bei den Verwaltungsgerichten eingerichtet. In Brandenburg sind bereits zwölf neue Stellen entstanden, in Berlin werden Nachwuchsrichter in den kommenden Monaten nach Bedarf in das Verwaltungsgericht geschickt. Derzeit werden Asylverfahren in Berlin durchschnittlich nach 8,6 Monaten abgeschlossen, andere Verfahren dauern durchschnittlich 9,6 Monate. Insgesamt gingen beim Verwaltungsgericht Berlin im vergangenen Jahr 13.800 neue Fälle ein.
Eine Extremsituation wie in den 90er-Jahren nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens erwartet Buchheister nicht. „Der große Fehler der 90er- Jahre war, dass das Verwaltungsgericht weitgehend alleingelassen wurde“, sagte Buchheister. „Das ist heute nicht mehr der Fall, die Politiker sehen mit einem anderen Blick auf das Problem.“ Mit der letzten Flüchtlingswelle aus den Ländern Ex-Jugoslawiens wurde das Verwaltungsgericht mit Fällen regelrecht überrollt. Die Bearbeitung dauerte damals teils mehrere Jahre.
Bei der zweiten Instanz, dem Oberverwaltungsgericht, spielen Asylverfahren derzeit keine Rolle. Im vergangenen Jahr sind 93 Widersprüche gegen abgelehnte Asylanträge eingegangen. Das liegt nach Angaben Buchheisters an der Rechtslage. Die Hürden für einen Widerspruch gegen einen abgelehnten Asylantrag seien hoch. Allerdings gebe es Bestrebungen der Bundesregierung, abgelehnten Asylbewerbern den Weg in die nächste Instanz zu erleichtern. „Dann müsste das Oberverwaltungsgericht praktisch jedes Verfahren noch einmal überprüfen“, so Buchheister. Das würde auch zu längeren Verfahren führen, befürchtet der Gerichtspräsident.
Im vergangenen Jahr haben sich 80.000 Flüchtlinge in Berlin registrieren lassen, 55.000 davon befinden sich noch in der Stadt. Wie viele Asylanträge inzwischen abgelehnt worden sind, ist derzeit nicht bekannt.
Während das vergangene Jahr für die Verwaltungsgerichte nach Angaben Buchheisters insgesamt eher ruhig verlief, stehen in diesem Jahr eine Reihe bedeutender Entscheidungen an. So wird das OVG über die Rechtmäßigkeit der sogenannten Wannseeroute entscheiden, bei der es um die geplante BER-Flugroute über den Atomreaktor in Wannsee geht. Das Gericht hat zu klären, ob die Risiken eines Flugs über den Forschungsreaktor ausreichend abgewogen wurden.
Außerdem beschäftigt sich das Gericht mit der Frage, ob die Beamtenbesoldung in Berlin gegen die Verfassung verstößt. Elf Beamte halten die Besoldung für zu niedrig und haben dagegen geklagt. Schließlich befassen sich die Richter auch mit dem Fall einer Bewerberin, die bei der Polizei wegen ihrer Brustimplantate abgelehnt wurde. Auch sie nimmt die Ablehnung nicht hin.