Berlin. Wer ist schuld am BER-Debakel? Der Regierende Bürgermeister und Frank Henkel vor dem Untersuchungsausschuss.

Das Parlament zeigte am Freitag, wer Herr im Hause ist. Fast anderthalb Stunden ließen die Mitglieder des Untersuchungsausschusses zum BER den Regierenden Bürgermeister warten, die letzten Minuten sogar im Vorzimmer. Man tagte hinter verschlossenen Türen über Ausschuss-Regularien. „Geht es jetzt los?“, fragte Michael Müller (SPD), als sich die Tür öffnete, und zog demonstrativ seine Mundwinkel hoch, als er den Raum 113 des Abgeordnetenhauses betrat und sich ganz allein auf die Zeugenbank setzte.

Vor allem die FDP mit ihrem Fraktionschef Sebastian Czaja hatte es darauf angelegt, Müller Regelverstöße vorzuhalten. Diese basierten auf Aussagen des früheren Flughafenchefs Karsten Mühlenfeld. Müller habe sich demnach als Aufsichtsratsvorsitzender zu stark als „Obergeschäftsführer“ ins Tagesgeschäft eingemischt, aber nicht persönlich mit Mühlenfeld gesprochen. Dieser Kontakt sei nur über den später von Müller zu Mühlenfelds Nachfolger beförderten Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup gelaufen. SPD-Ausschuss-Obmann Jörg Stroedter nahm dieser Kritik jedoch gleich zu Beginn der Vernehmung den Wind aus den Segeln – indem er sie selbst ansprach.

Müller widerspricht Darstellung der Opposition

Der Regierende Bürgermeister, der 2017 aus dem Kontrollgremium ausgeschieden war, widersprach der Darstellung der Opposition. Es habe neben Treffen bei Sitzungen und SMS-Kontakt mindestens zehn persönliche Treffen mit Mühlenfeld gegeben. „Auf keinen Fall“ sei der Kontakt nur über Lütke Daldrup gelaufen. Dass er nicht mit Mühlenfeld gesprochen habe und gleichzeitig stark Einfluss genommen haben soll, sei doch „ein Widerspruch“, sagte Müller.

Am Freitag stand auch der ehemalige Innensenator und CDU-Landeschef Frank Henkel den Parlamentariern Rede und Antwort.
Am Freitag stand auch der ehemalige Innensenator und CDU-Landeschef Frank Henkel den Parlamentariern Rede und Antwort. © dpa | Jörg Carstensen

Der Regierende Bürgermeister betonte jedoch, dass er die führenden Baufirmen am BER zu Gesprächen ins Rote Rathaus gebeten habe. Er habe den Eindruck gehabt, dass sie nicht mit dem nötigen Nachdruck daran arbeiteten, die Baustelle in Ordnung zu bringen. Müller bestätigte, dass es im Aufsichtsrat auch um Mühlenfelds Überlegungen für eine Neuorganisation der Flughafengesellschaft gegangen sei. „Da kann es Vorbehalte gegeben haben“, sagte Müller. Schließlich kosteten zusätzliche Führungsebenen auch Geld. Ob Mitarbeiter der Senatskanzlei, wie von Mühlenfeld beklagt, direkt auf der Baustelle gewesen seien, konnte Müller nicht bestätigen. Es sei aber in der Senatskanzlei ein Team aufgebaut worden, nachdem Lütke Daldrup als Flughafenkoordinator ins Rote Rathaus gewechselt war.

Die CDU fragte Müller, warum er nicht schon vor dem Wahltermin 2016 gesagt habe, dass der damals noch avisierte Start-Termin 2017 nicht zu halten sei. Müller sagte, man habe gewusst, dass „alles knapp und eng“ sei. Aber die Geschäftsführung habe versichert, „dass es zu schaffen sei“, so der Regierende. Müller: „Im Nachhinein ist man immer schlauer“. Zum aktuellen Stand auf der Baustelle sagte Müller, er habe seit seinem Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat nur die Erkenntnisse, die der Flughafenchef öffentlich darstelle.

Ex-Innensenator kann sich nur an wenig erinnern

Vor Müller musste dessen früherer Partner aus der großen Koalition von 2011 bis 2016 zur Vernehmung. Ex-Innensenator Frank Henkel hatte sich seinerzeit von Müllers Vorgänger Klaus Wowereit in die Pflicht nehmen lassen und war als CDU-Vertreter in den BER-Aufsichtsrat gegangen. Jedoch konnte er sich am Freitag nur noch an wenig erinnern, was er dort konkret getan hatte.

Henkel berichtete, man sei sich einig gewesen, dass die Entrauchungsanlage funktionieren müsse, um den Flughafen in Betrieb nehmen zu können. Er habe dazu Informationen von der Flughafengesellschaft eingefordert. Bei vielen Details verwies Henkel aber auf seine Erinnerungslücken. „Das ist ein bisschen dünn“, kritisierte Sozialdemokrat Stroedter. Linken-Vertreter Carsten Schatz verwies auf Aufsichtsratsprotokolle, wonach Henkel bei sechs von 16 Sitzungen des Gremiums ganz oder teilweise abwesend gewesen sei. „Das erscheint mir extrem hoch“, konterte Henkel.

Ob er damals das Gefühl gehabt habe, dass das Projekt nicht ordentlich vorangehe, fragte sein CDU-Parteifreund Christian Gräff. „Eine Erinnerung daran, wie die Gefühlslage war, die habe ich nicht“, antwortete Henkel. Ob man schon vor der Wahl 2016 gewusst habe, dass der Start des BER 2017 scheitern werde, weil die letzten Baugenehmigungen nicht vorlagen? Die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH habe eine Eröffnung 2017 noch für möglich gehalten, sagte Henkel mit schwacher Stimme. Obwohl: „Wenn man so oft verschiebt, dann ist es nachvollziehbar, ein Stück Skepsis zu haben“, so der Ex-Senator.