Die IHK erwartet ab 2020 am Flughafen BER ein “ernsthaftes Kapazitätsproblem“. Ein Weiterbetrieb in Tegel sei aber keine Lösung.
Die Berliner Wirtschaft verlangt von Politik und Flughafengesellschaft verstärkte Anstrengungen zum Ausbau des neuen Flughafens in Schönefeld und warnt gleichzeitig davor, Tegel offen zu halten. „Wir fordern ausreichende Passagierkapazitäten am BER“, sagte die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK), Beatrice Kramm. Hauptgeschäftsführer Jan Eder warnte, nach den bisherigen Überlegungen für eine Erweiterung „bekommen wir zwischen 2020 und 2023 ein ernsthaftes Kapazitätsproblem“.
Diese Einschätzung deckt sich mit der des Offenbacher Flughafenplaners Dieter Faulenbach da Costa. Er geht angesichts steigender Passagierzahlen ebenfalls für die Zeit direkt nach einer BER-Eröffnung von zu wenigen Check-in-Countern, Sicherheitsschleusen und Gepäckbändern aus. Zwar gibt es noch keinen Eröffnungstermin für den BER, aber fast alle Beobachter erwarten, dass ein Start vor Mitte oder Herbst 2019 nicht möglich sein wird.
Regierungsterminal soll am westlichen Rand des Rollfelds entstehen
Für einen wesentlichen Zielkonflikt in der Flughafenplanung hat die IHK-Führung einen Lösungsvorschlag. Das vom Bund geplante Regierungsterminal könnte am westlichen Rand des Rollfeldes entstehen. Dort stehen Hallen der Berliner Messegesellschaft, die vor allem für die Internationale Luftfahrtausstellung (ILA) genutzt wurden. Der Messe beschert der Unterhalt seit Jahren Verluste.

Bisher plant der Bund, seine Flugbereitschaft und die Abfertigungsstelle für Staatsgäste und Regierungsmitglieder ziemlich genau dort zu errichten, wo heute Erweiterungsbauten des alten Schönefelder Terminalgebäudes SXF stehen. Das Gelände nennt sich Ramp 2. Die dortigen Kapazitäten sind jedoch für Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup unverzichtbar, um seinen Masterplan für den Ausbau des BER umsetzen zu können. Er will den Airport schrittweise bis 2040 auf 55 Millionen Passagiere ausbauen. Vergangenes Jahr waren es 33 Millionen Fluggäste, das Wachstum im ersten Halbjahr 2017 betrug fast sieben Prozent.
Für das Regierungsprojekt sind Kosten von 200 Millionen Euro angesetzt, weil dort auch die Soldaten der Flugbereitschaft unterkommen sollen. Zudem müsste die Truppe auf dem Rollfeld bis zu 25 Maschinen parken können.
Bund und Flughafen reden über Terminal-Standort
Derzeit ist nördlich des Schönefelder Rollfeldes das provisorische Regierungsterminal im Bau. Das 80 Millionen Euro teure Gebäude soll langfristig die Geschäftsflieger der General Aviation nutzen. Flughafengesellschaft und Bundesregierung verhandeln derzeit darüber, wann der Bau des endgültigen Terminalgebäudes beginnen kann. Lütke Daldrup will frühestens 2020 oder 2021 beginnen. Das Bundesbauministerium drückt aufs Tempo. Man gehe „zurzeit“ davon aus, dass „die Flughafengesellschaft bereits während der Bauarbeiten des Regierungsflughafens den Flugbetrieb statt auf Ramp 2 auf anderen Vorfeldern des Flughafens BER abfertigt“, so das Ministerium.
Mit einem Regierungsterminal in Selchow hätte Lütke Daldrup deutlich mehr Spielraum für den Ausbau des BER. So war der Nutzungskonflikt mit dem Bund ein wesentlicher Grund, warum im Masterplan zusätzliche Terminal-Bauten an der Nordseite des Flughafengeländes ausgeschlossen worden waren. Erweiterungen an der Westseite des Areals hatten die Planer wegen der fehlenden Schienenanbindung verworfen. Aber Staatsgäste und Minister würden in der Limousine vorfahren und nicht mit dem Zug.
Die Handelskammer spricht sich dafür aus, mit einem entschlossenen Ausbau die Abfertigungskapazitäten mit Neubauten um 20 Millionen Passagiere pro Jahr im Vergleich zum Kern-BER annähernd zu verdoppeln. Das Hauptterminal ist für 22 Millionen Fluggäste ausgelegt, sechs Millionen bringt die Verlängerung des Nordpiers, zwölf Millionen Schönefeld-Alt. Mit diesen insgesamt 40 Millionen Passagieren würde der gesamte BER dann so ziemlich genau die für 2019/20 erwartete Nachfrage decken können. Luftfahrtexperten mahnen jedoch eine Reserve an und verweisen auf die absehbar schlechte Servicequalität.
Rechtslage verlangt die Schließung von Tegel
Trotz dieses Drucks am BER ist aus Sicht der IHK ein beim Volksentscheid am 24. September zur Wahl stehender Weiterbetrieb in Tegel keine Lösung. Man müsste den Flughafen Tegel nach bundesrepublikanischem Recht neu eröffnen, so die Einschätzung der IHK-Juristen. Das sei für einen innerstädtischen Flughafen fast nicht mehr möglich.
Zudem würde ein Weiterbetrieb die „Legitimationsgrundlage für den Bau des BER gefährden“. Die Gerichte hatten den Bau im stadtnahen Schönefeld nur genehmigt, weil damit mehr Berliner vom Fluglärm entlastet würden. IHK-Präsidentin Kramm fürchtet einen „Rechtsstreit an zwei Fronten“, wenn Anwohner in Tegel und am BER gegen die dortigen Flughäfen klagen. Eine einstweilige Verfügung, so Kramm, könnte dann den Betrieb in Tegel beenden.