Bislang halten die meisten Bürger und Politiker das Debakel rund um den Flughafen BER für ein regionales Problem. Passagiere aus Berlin und Brandenburg müssen nun eben länger als gedacht von den alten Flughäfen Tegel und Schönefeld aus starten. Und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) muss sich im Abgeordnetenhaus etwas mehr Kritik anhören als sonst. Das nehmen ihm zwar die Wähler übel, doch Angst um seinen Regierungsposten muss Wowereit bislang noch nicht haben.
Vorgänge werden im Ausland genau beobachtet
Es fiel daher lange Zeit gar nicht schwer, das Ganze als eine rein Berliner Angelegenheit abzutun. Doch damit ist nun Schluss. Denn die Vorgänge in Schönefeld werden im Ausland sehr genau beobachtet und drohen nun, den Ruf der anderen deutschen Flughäfen zu beschädigen.
„Die deutschen Flughäfen sind im Ausland hoch angesehen. Die Umsteigezeiten sind kurz, und der Service funktioniert zuverlässig“, sagt Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV. Aus dem Grund seien deutsche Flughafengesellschaften als Investor oder Berater „sehr gefragt“, wenn irgendwo auf der Welt ein neuer Flughafen gebaut werde. „Dieser hervorragende Ruf leidet unter den anhaltenden Problemen am BER“, sagt Beisel.
Bauverzögerungen an Flughäfen sind nicht ungewöhnlich
Noch schlage sich das nicht direkt in einem Rückgang der Aufträge nieder. Doch nun würden deswegen kritische Fragen gestellt. „Die Kunden wollen die Ursachen für Bauverzögerung und Kostenanstieg am BER wissen“, so Beisel. Zwar sei es im internationalen Vergleich sicherlich nichts Außergewöhnliches, dass ein Flughafen mehr kostet und der Bau länger dauert. Außergewöhnlich sei laut Beisel nur, dass es „ausgerechnet in Deutschland“ passiere: „Das hat man im Ausland nicht erwartet.“
Zumal es nicht danach aussieht, als ob die Serie der schlechten Nachrichten beendet sei. Der derzeit anvisierte Starttermin am 27. Oktober 2013 steht nur unter Vorbehalt. Rund 300 Leute sind derzeit auf der Baustelle in Schönefeld beschäftigt. Erst am Montag wurde ihre Zahl wieder aufgestockt. Diese kann je nach Bedarf weiter erhöht werden. Doch wann es soweit sein wird, ist immer noch unklar.
Technikchef Horst Amann lässt Fehler am BER bereinigen
Technikchef Horst Amann hat seine Bestandsaufnahme im Wesentlichen abgeschlossen. Nun müssen aber noch einige Pläne fertiggestellt werden, an denen sich die Firmen bei ihrer Arbeit orientieren können. Amann stieß in den vergangenen Wochen auf teils schwerwiegende Fehler aus der Vergangenheit, bei denen gegen die Vorschriften des Bauordnungsamts verstoßen wurde. An manchen Stellen lässt er den Mangel nun ausbessern. Stellenweise will er durch spezielle Tests der Brandschutzanlage prüfen, ob sich ein Umbau vermeiden lässt. Doch dafür muss die Anlage nachweisen, dass sie auch unter diesen Bedingungen funktioniert. Daran gibt es nach wie vor Zweifel.
Falls die Anlage den Test nicht besteht, müsste sie umgebaut werden. Das würde sowohl den Zeit- als auch den Kostenplan erneut durcheinanderbringen. Letzteres geht aus der Antwort des Berliner Senats auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Jutta Matuschek (Linke) hervor. Matuschek wollte wissen, wie es in der Vergangenheit zu Kostensteigerungen kam und wie sie begründet wurden. So genehmigte der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft auf seiner Sitzung im April rund 50 Millionen Euro unter anderem für Gebühren, weitere Bauarbeiten und Auflagen aus dem Brandschutz. Ob es in Zukunft erneut zu solch einem „erweiterten Bedarf“ kommen könne, will der Senat nicht ausschließen. „Dies hängt vom weiteren Verlauf der Baumaßnahmen ab“, heißt es dazu in der Antwort auf die Kleine Anfrage.
Weiterer Ärger droht der Flughafengesellschaft aus Brandenburg
Matuschek wertet das als Zeichen, dass bei den Kosten „das Ende der Fahnenstange wahrscheinlich noch nicht erreicht“ sei. Aus der Antwort gehe schließlich hervor, dass während der Bauarbeiten laufend ein neuer Bedarf angemeldet wurde. Zudem drohen der Flughafengesellschaft noch Klagen der betroffenen Airlines und Mieter. „Ich denke nicht, dass in der derzeit aufgestellten Kostenplanung schon alle etwaigen Ansprüche aus Schadenersatz in voller Höhe berücksichtigt sind“, sagt Matuschek.
Weiterer Ärger steht der Flughafengesellschaft in Brandenburg bevor. Dort kämpfen die Befürworter eines strengen Nachtflugverbots um jede Stimme. Aus dem Grund planen sie auch eine große Aktion für den kommenden Sonnabendnachmittag in Berlin. Bürger aus Berlin und Brandenburg wollen in der Hauptstadt gegen Fluglärm und für ein konsequentes Nachtflugverbot demonstrieren. Zu diesem Protest haben mehrere Bürgerinitiativen aufgerufen. Sie wollen ab 14 Uhr vom Potsdamer Platz zur Parteizentrale der Bundes-SPD in Kreuzberg ziehen. Dort ist eine Abschlusskundgebung geplant.
Kampf für Nachtruhe in vielen europäischen Städten
Bis zum 3. Dezember haben die Bürger in Brandenburg noch Zeit, ihre Stimme für ein strenges Nachtflugverbot abzugeben. In Berlin war ein entsprechendes Volksbegehren für ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr erst kürzlich gescheitert. Mit ihrem Protest sind die Betroffenen aus Berlin und Brandenburg nicht allein. Zum gleichen Zeitpunkt sind am Sonnabend Demonstrationen gegen Fluglärm in München und Frankfurt am Main geplant. Auch in anderen europäischen Städten wie London, Brüssel, Zürich und Paris soll es laut Bundesvereinigung gegen Fluglärm Proteste geben.