Berliner helfen e.V.

Vorlesen ist immer noch angesagt

| Lesedauer: 6 Minuten
Petra Götze
Vorlesestunde des Vereins Lesewelt e.V. in der Stadtteilbibliothek Märkisches Viertel

Vorlesestunde des Vereins Lesewelt e.V. in der Stadtteilbibliothek Märkisches Viertel

Foto: David Heerde

Der Verein Lesewelt e.V. bietet mit Ehrenamtlichen Lesestunden für Kinder in öffentlichen Bibliotheken - und eine Belohnung für die Teilnehmer

Ein regnerischer Nachmittag im März. Genau das richtige scheußliche Wetter, um es sich in einer warmen Ecke mit einem Buch gemütlich zu machen. Das scheinen jedenfalls nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Kinder zu denken, die sich an diesem nasskalten Nachmittag in der Bibliothek im Fontane-Haus des Märkischen Viertels einfinden. Zielstrebig steuern sie auf den hinteren Bereich, die Jugendbibliothek zu. Dort werden sie schon erwartet: Von Heidi Born und Ulla Grupe, den beiden ehrenamtlichen Vorleserinnen des Vereins Lesewelt e.V. „Hallo Lotta, schön dass Du wieder da bist“, begrüßt Heidi Born das sechsjährige Mädchen. Die Schülerin kommt schon zum 22. Mal in die Vorlesestunde, wie ihre Mama verrät, und hat damit schon zweimal ein Buch als Geschenk erhalten. Das gibt es nämlich für jedes Kind, das zehnmal eine Vorlesestunde besucht hat.

Ein Buchgeschenk nach zehnmal teilnehmen


Die fünfjährige Bella ist zum dritten Mal dabei und überlegt erst einmal, welches Buch sie heute gern hören und anschauen möchte. „Besonders beliebt ist die Conny-Serie, aber auch das geheimnisvolle Baumhaus und die Geschichten von Willi Wiberg mögen alle“, sagt Heidi Born. Obwohl erst 55 Jahre alt hat sie schon fünf Enkelkinder und kennt sich bestens in der „Zielgruppe“ aus. Die Reinickendorferin arbeitet halbtags als Sekretärin bei Siemens und wollte ihre Freizeit für ein Ehrenamt nutzen. „Vor sechs Jahren habe ich dann den Aufruf des Vereins Lesewelt entdeckt, und seitdem bin ich als Vorleserin dabei - immer Montag nachmittags“, ezählt sie.

„Die Vorlesestunden sind eine tolle Bereicherung für unser Angebot“, meint Bibliotheksleiterin Doreen Lentz. „Das könnten wir in dieser Kontinuität gar nicht leisten, dazu fehlt uns das Personal.“ Aber sind Kinder bei dem heutigen Überangebot von Smartphones, Computern und Tablets überhaupt noch für Bücher zu begeistern?

Vielen fällt es schwer, sich zu konzentrieren

„Absolut“, meint die zweite Vorleserin Ulla Grupe, „es fällt vielen nur schwer, sich zu konzentrieren.“ Die 77-jährige war in ihrem Berufsleben Teilkonstrukteurin bei Borsig und ist seit vier Jahren als Vorleserin bei Lesewelt e.V. im Einsatz. „Ich freue mich über die Gesellschaft der Kinder, weil ich selbst keine Enkel habe“, sagt sie. Die beiden teilen ihre Zuhörer in kleine Gruppen auf. „Nein, eigentlich suchen die Kinder uns aus. Sie sollen sich ja wohlfühlen“, lacht Heidi Born.

An diesem Nachmittag macht sie es sich mit den Mädchen auf dem roten Sofa in der Leseecke gemütlich. Als erstes Buch haben Bella und Lotta den „Raben Socke“ ausgesucht. Eine Ecke weiter sitzt Ulla Grupe mit dem fünfjährigen Bruno und dem sechsjährigen Hamza und liest die Abenteuer von Willi Wiberg. „Ich geh’ schon in die erste Klasse“, verkündet Hamza stolz. Schulkinder wie er und die sechsjährige Lotta werden ermuntert, auch selbst den anderen vorzulesen. Die Vorlesestunden sind für Kinder ab vier Jahren geeignet, die Eltern bringen sie und holen sie nach einer Stunde wieder ab. „Wir hatten schon Eltern, die bleiben wollten, aber so ist das nicht gedacht“, sagt Ulla Grupe. Die Kinder sollen auch eine Beziehung zu ihren Vorleserinnen aufbauen und werden auch mal zur Ordnung gerufen. „Wenn ein Kind keine fünf Minuten still sitzen und zuhören kann, sag’ ich schon: Hört mal: wir machen das hier für Euch, wir sind freiwillig in unserer Freizeit hier. Das beeindruckt sie dann schon“, sagt die Vorleserin. Sie fesselt ihre Zuhörer gern mit Büchern der Reihe „Licht an“ aus Meyers kleiner Kinderbibliothek. Die Bilder sind auf Folie gedruckt und werden erst sichtbar, wenn man eine Art „Lampe“ aus Papier drunter hält. „Das finden sie spannend“, sagt Ulla Grupe. Sie freut sich, dass auch Kinder mit ausländischen Eltern in die Vorlesestunden kommen, um besser deutsch zu lernen. „Gerade wenn Vater oder Mutter kaum deutsch sprechen, hilft das Vorlesen sehr“, meint Heidi Born. Sie hat sich mit den Mädchen inzwischen das Buch „Was wird alles auch Mich gemacht?“ vorgenommen. Lotta und Bella fällt dazu eine Menge ein, die Stunde ist fast vorbei. Zum Abschluss setzen sich die Kinder an den runden Tisch mit den kleinen Stühlen und malen ein Blatt mit Ostereiern aus. „Wann krieg ich meinen Stempel?“ will Bruno wissen. Er bekommt ihn auf seine Lesekarte, genau wie die anderen kleinen Zuhörer.

Ehrenamtliche Vorlseser gesucht

In diesem Jahr gibt es für die fleißigsten Teilnehmer noch eine besondere Aktion, unterstützt von Berliner helfen e.V.: Wer bis zum 30. Juni zehnmal in der Vorlesestunde war und in diesem Jahr eingeschult wird, erhält eine Urkunde und kann damit beim Schultüten-Ba­steln mitmachen. An einem Nachmittag werden Schultüten selbst bemalt und mit Bildern und Buchstaben verziert. Dazu wird die Tüte gefüllt mit Dingen, die in der Schule gebraucht werden wie Buntstifte, Blöcke, Federmäppchen und Lineale.

Kontakt zu Lesewelt e.V.

Informationen zu allen Vorleseorten von Lesewelt e.V. und der Schultüten-Aktion unter 030 450 89 209 und im Internet unter www.lesewelt-berlin.org. Weitere ehrenamtliche Vorleserinnen und Vorleser sind dem Verein herzlich willkommen.