Noch bevor die Ausstellung am späten Sonntagnachmittag offiziell eröffnet wurde, warteten schon die ersten Besucher vor der Tür. Im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte am Neuen Markt in Potsdam gewährt der Mäzen und Software-Milliardär Hasso Plattner seit Sonntag erste Einblicke in seine Kunst-Sammlung.
28 Werke von neun DDR-Künstlern wie Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer, Willi Sitte und Werner Tübke sind dort bis zum 16. September 2012 zu sehen. Auch ein Gemälde von Gerhard Richter ist darunter.
„Jahrhundertschritt“ noch nicht da
Spektakulärstes Exponat der Schau wird ab September 2012 ein monumentaler Guss des Werks „Jahrhundertschritt“ von Wolfgang Mattheuer sein. Die fünf Meter hohe Skulptur von 1984 kommt in den Kutschstallhof und bildet dann sozusagen das Entree. Der Titel der Ausstellung ist schlicht: „Einblick und Ausblick.“ Dahinter verbirgt sich das Versprechen auf mehr. Bedeutende Werke der höchst unterschiedlichen DDR-Künstler sollen später auch in einer dauerhaften Schau in der von Hasso Plattner geplanten Kunsthalle in Potsdam zu sehen sein. „Mit einer solchen dauerhaften Ausstellung von DDR-Kunst wäre Potsdam Vorreiter“, sagte der Kunsthistoriker Eckhart Gillen anlässlich der Eröffnung der Vorab-Schau.
Es ist eine höchst individuelle Zusammenstellung, die bis Mitte September im oberen Stock des Museums zu sehen sein wird: Gerhard Richter, der vor dem Mauerbau 1961 ausgereist war, hängt hier neben der sogenannten „Vierer-Bande“ – Heisig, Mattheuer, Sitte und Tübke – friedlich vereint, wie Eckhart Gillen es formuliert. Gillen erinnerte an die Documenta 6: Als Heisig und seine Kollegen 1977 nach Kassel eingeladen wurden, sagten Gerhard Richter, Georg Baselitz und Markus Lüpertz demonstrativ ihre Teilnahme ab. Sie wollten nicht zusammen mit den „Staatskünstlern“ ausstellen. Die Bilder aus der Sammlung Plattners zeigen für Gillen, dass man den DDR-Künstlern mit dieser Einordnung nicht gerecht wird. Als Beispiel nannte er das Werk „Karneval“ von Ulrich Hachulla. Der Maler setzt sich darin mit Tabu-Themen wie Isolation und Vereinsamung auseinander.
Plattner entschloss sich kurzfristig
Nur zwei Wochen hatten die Organisatoren Zeit für die Vorbereitung. Denn Hasso Plattner hatte sich sehr kurzfristig dazu entschlossen, einen Teil seiner Sammlung der Öffentlichkeit vorzustellen. „Es war eine professionelle Herausforderung“, sagte Museumsdirektor Kurt Winkler. Ein als Konferenzsaal genutzter Raum wurde für die Schau umfunktioniert. Die Anstrengung hat sich auch in Winklers Augen mehr als gelohnt. „Ich finde es fantastisch, eine solche Sammlung im Entstehen präsentieren zu können“, sagte er. Denn Plattners Sammlung ist noch nicht komplett. Sie soll nur einen Vorgeschmack auf das liefern, was in einigen Jahren in der Kunsthalle zu sehen sein wird. Falls Plattner sie tatsächlich in Potsdam baut.
„Die Ausstellung wird über Potsdam hinaus großes Aufsehen erregen“, zeigt sich Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) überzeugt. „Der Ausstellungsort am Neuen Markt ist auch eine Anspielung auf die Potsdamer Stadtmitte“, sagte Jakobs. Nur wenige Meter entfernt sollte im Stadtzentrum die Kunsthalle entstehen. Nach dem derzeitigem Stand baut der Mäzen sie am Jungfernsee im Norden Potsdams – auf seinem Privatgrundstück. Dort, wo auch der „Campus am Jungfernsee“ mit dem SAP-Innovationslab geplant ist.
Der Oberbürgermeister ließ sich bei der Eröffnung der Ausstellung seine Enttäuschung nicht mehr anmerken. Er hätte die Kunsthalle weitaus lieber in der Stadtmitte gehabt. Im historischen Zentrum Potsdams, da, wo die Touristen vorbeilaufen und der Hauptbahnhof nur wenige Schritte entfernt liegt. Doch nach einer wochenlangen hitzigen Debatte um den damit verknüpften Abriss des 17-stöckigen Hotels Mercure wollte Plattner mit seiner Sammlung nicht mehr dorthin. In einem offenen Brief beendete er das Vorhaben. „Es war nie meine Aufgabe oder Absicht, in die langfristige Stadtplanung von Potsdam einzugreifen“, schrieb Plattner. Selbst eine Demonstration von rund 1000 Potsdamern „für die Kunsthalle in Potsdams Stadtmitte und den Abriss des Mercure“ stimmte ihn nicht um. Auch nicht die leidenschaftlichen Plädoyers von TV-Moderator Günther Jauch, Mode-Designer Wolfgang Joop und Schauspielerin Nadja Uhl.
Jakobs: Diskussion um Stadtmitte
Ganz aufgeben will der Oberbürgermeister aber trotzdem nicht, was die Potsdamer Mitte angeht. Am Rande der Ausstellungseröffnung kündigte er an: „Wir müssen nun dringend in dem nächsten halben Jahr die Debatte darüber führen, was aus dem Hotel Mercure wird. Jakobs will den Betonklotz gegenüber dem neuen Landtagsneubau mit der historischen Stadtschloss-Fassade immer noch weg haben.
Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte am Neuen Markt in Potsdam, Di. bis Do. 10-17 Uhr, Fr. 10-19 Uhr, Sbd./So. 10-18 Uhr. Eintritt frei.