Bauland für höherwertiges Gewerbe ist in Potsdam Mangelware geworden. Die Stadt hat keine eigenen Flächen - und die privaten Eigentümer hoffen auf etwas ganz anderes.
In Potsdam gibt es derzeit so gut wie kein kurzfristig verfügbares Bauland für höherwertiges Gewerbe mehr. „Im vorigen Jahr konnten wir noch 14,1 Hektar Gewerbeflächen vermitteln“, sagt der Chef der städtischen Wirtschaftsförderung, Stefan Frerichs. „Derzeit haben wir nur noch rund 3,4 Hektar für höherwertiges Gewerbe, die wir ohne weiteres zur Verfügung stellen könnten.“ Das Problem: Die Stadt selbst verfügt über keine eigenen Gewerbeflächen. Und die privaten Eigentümer sitzen vielfach auf ihren Grundstücken. „Sie hoffen, dass ihre Flächen irgendwann umgewidmet werden und sie mit Wohnungen bebaut werden dürfen“, so Frerichs. Denn im stark wachsenden Potsdam mit dem zu knappen Wohnungsangebot ist das lukrativer. „Für Gewerbe-Bauland bekommen Sie maximal 100 Euro pro Quadratmeter, für Wohn-Bauland dagegen mindestens dreimal so viel“, sagt Frerichs.
Der Leiter der Wirtschaftsförderung wirbt deshalb seit Jahren dafür, dass die Stadt Potsdam selbst Bauflächen für Gewerbe kauft, entwickelt und vermarktet. „Das Geld wird durch den anhaltenden Zuzug aber für andere Aufgaben gebraucht“, sagt Frerichs. 160 Millionen Euro fließen allein in dringend benötigte neue Schulen. „Hätten wir aber mehr Platz für Unternehmen, bekämen wir auch mehr Gewerbesteuern“, macht der Wirtschaftsförderer die Quadratur des Kreises deutlich.
„Es gibt genügend Interessenten, die sich in Potsdam ansiedeln wollen“, sagt Frerichs. „Wir können den Bedarf nur nicht decken.“ 34 Unternehmen fragten im vergangenem Jahr nach einem Gewerbegrundstück. „Ihr Bedarf lag bei rund 46 Hektar.“
Gewerbeflächen dürfen nicht mehr umgewidmet werden
Inzwischen darf der Mann, der die Wirtschaft nach Potsdam holen soll, wenigstens auf eins hoffen: dass die Politik nicht mehr Bauland, das für Gewerbe vorgesehen war, für Wohnungsbau umwidmet. Dafür sorgt das „Gewerbeflächen-Sicherungskonzept“, das die Stadtverordneten im April 2012 beschlossen haben. Sie erklärten 40 Standorte zu „gewerblichen Potenzialflächen“ bis zum Jahr 2020. Allerdings seien die meisten Grundstücke nicht sofort nutzbar. Entweder fehle die nötige Verkehrserschließung, oder die Eigentümer verlangten momentan so horrende Preise, die von den potenziellen Investoren nicht gezahlt werden.
Was Wirtschaftsförderer Frerichs allerdings nicht verhindern konnte: Die Stadtverordneten haben im vergangenen Jahr die von ihm lange verteidigten Vorhalteflächen für eine Großansiedlung an der Michendorfer Chaussee gekippt. Nach jahrelanger, hitziger Diskussion um den Bau eines Tierheims entschieden sie, etwa zwei Hektar des ehemaligen Sago-Geländes an der Michendorfer Chaussee dafür freizugeben. „Damit haben wir kein großes zusammenhängendes Gewerbegebiet für eine Großansiedlung mehr“, bedauert Frerichs. „Aber wir sind im Gespräch mit dem Eigentümer, um nach Möglichkeit eine kleinteilige gewerbliche Entwicklung zu erreichen.“
„Unsere Unternehmen sind gern in Potsdam“
Dass immer mehr Unternehmen Potsdam verlassen, wegen der fehlenden Erweiterungsmöglichkeiten, steigenden Mietpreisen und aus Frust über die angeblich zu rigide Verwaltung, das kann Wirtschaftsförderer Frerichs nicht bestätigen. „In einer stark denkmalgeprägten Stadt sind Konflikte programmiert“, gibt er zu. „Sie können aber vielfach gelöst werden. Aus Umfragen wissen wir: Unsere Unternehmen sind gern in Potsdam, es gibt kaum Abwanderungsgelüste.“
Laut Mario Klünder, Projektmanager bei der Wirtschaftsförderung, ist die Zahl der Zufriedenen von 62 Prozent auf 72 Prozent gestiegen. Der „Gewerbemonitor“ lasse einen optimistischen Blick in die Zukunft zu. 2012 wurden dafür größere Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern befragt. „Der Standort entspricht in weiten Teilen den Erwartungen, man fühlt sich auch privat wohl in Potsdam, die Zukunftsaussichten für das Unternehmen wird als neutral bis optimistisch angegeben“, fasst Klünder das Ergebnis zusammen. Kritisch bewertet wurden jedoch die Entwicklung der Immobilienpreise und das geringe Angebot an Erweiterungsflächen. Mit der Kompetenz der Ansprechpartner bei der Wirtschaftsförderung zeigte sich knapp die Hälfte zufrieden, sieben Prozent äußerten sich eher unzufrieden und zwei Prozent sind sehr unzufrieden.
Einnahmen aus Gewerbesteuer sinken
Trieb die Stadt im Jahr 2007 noch 47,5 Millionen Euro an Gewerbesteuer ein, waren es 2010 nur noch 44,7 Millionen, 2012 wurden nur noch 38,5 Millionen Euro eingenommen. Jutta Moll, stellvertretende Bereichsleiterin für Wirtschaftsförderung, erklärt dies damit: „Unternehmen zahlen Gewerbesteuer auf den Gewinn. Deswegen ist diese Steuer auch konjunkturellen Schwankungen unterworfen. Zudem bildet sie nicht die aktuelle Lage ab. Denn sie fließt zeitverzögert entsprechend den Abgabefristen für die Steuererklärung.“
Am Rückzug von Betrieben lag es offenbar nicht. In Potsdam sind derzeit rund 13.000 Gewerbebetriebe gemeldet. „Im vergangenen Jahr meldeten 1076 Unternehmer ihr Gewerbe ab, es gab aber 1386 Neuanmeldungen“, so Jutta Moll. „Immerhin ein Plus von 310 Betrieben.“
Handwerkerhof in Babelsberg
Schon lange vorbei sind die Zeiten, als Handwerker sich noch eine Werkstatt im Holländischen Viertel in Potsdam leisten konnten. Das Angebot ist mittlerweile so knapp, dass Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD nur allzu gern die Bedeutung des künftigen Handwerkerhofs in Babelsberg herausstellt. Die Werkhallen, die Platz für bis zu 13 Betriebe bieten, sollen voraussichtlich Ende des Jahres fertig sein. Schlosser oder Tischler werden dort für den Quadratmeter unter sechs Euro bezahlen. „Der Handwerker- und Gewerbehof ist allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Steffen Schramm, der Geschäftsführer Technologie- und Gewerbezentren Potsdam GmbH. Die 100-prozentige städtische Tochter baut den neuen Gewerbe-Standort, der für rund 3,4 Millionen Euro entsteht. Sie betreibt ihn später auch.
Der Potsdamer Unternehmer Stephan Goericke sieht ein weiteres Problem in Potsdam: „Geeignete und bezahlbare Büroräume in der Innenstadt werden knapp.“ Der Hauptgeschäftsführer des IT-Verbandes ASQF rät dennoch zum Standort Potsdam. „Die Stadt bietet sehr viel Lebensqualität.“