Das brandenburgische Handwerk will verstärkt auf Studienabbrecher zugehen und für eine praktische Ausbildung werben. „Was viele gar nicht wissen ist, dass Meistertitel Bachelorabschlüssen mittlerweile gleichgestellt sind“, sagte die Sprecherin der Handwerkskammer Potsdam, Ute Maciejok. Studienabbrecher würden gerne von den Betrieben eingestellt sowie aus- und weitergebildet.
Generell müsse das Image des Handwerks verbessert werden, sagte Maciejok. „Eine Über- und Unterordnung zwischen Studium und praktischer Arbeit des Handwerks gibt es nach unserer Ansicht nicht“, betonte die Sprecherin der Handwerkskammer. Zumeist seien Jobs in mittlerer Führungsebene und in unmittelbarer Verantwortung auch ohne einen Studienabschluss möglich, betonte Maciejok.
Für das Ausbildungsjahr 2014/15 sind im Potsdamer Handwerksbezirk derzeit 472 freie Lehrstellen in der Online-Jobbörse aufgelistet. Das Spektrum reicht vom Elektroniker über Kfz-Mechatroniker bis hin zum Maurer. Am Sonnabend will die Handwerkskammer Potsdam sich auf einem Gesellentag in Caputh unter anderem mit Strategien der Nachwuchsgewinnung beschäftigen. Der Aktionstag steht unter dem Motto „Handwerk zwischen Zunft und Zukunft.“
Harter Konkurrenzkampf um jeden Azubi
Wegen der geburtenschwachen Jahrgänge ist nach Maciejoks Angaben ein harter Konkurrenzkampf um jeden potenziellen Azubi ausgebrochen. In Brandenburg gibt es aktuell 40.000 Handwerksbetriebe mit insgesamt 160.000 Beschäftigten.
Auch die Berliner Handwerksbetriebe buhlen verstärkt um Studienabbrecher. Immerhin beenden laut Berufsbildungsbericht 28 Prozent der Studenten ihr Bachelor-Studium vorzeitig. An den Maschinenbau-Fakultäten bricht sogar jeder zweite Studierende das Studium ab. Gleichzeitig suchen die Berliner Betriebe der Handwerkskammern in diesen Wochen 370 Auszubildende.
Berliner Betriebe suchen auch
„Wenn der Ausbildungsbetrieb einverstanden ist, können die Studienabbrecher ihre Ausbildungszeit um bis zu ein Jahr verkürzen“, sagt Katharina Schumann, Laufbahnberaterin der Berliner Handwerkskammer. Eine noch stärkere Verkürzung sei nicht angebracht, da die Auszubildenden vor allem die handwerklichen Fähigkeiten erlernen müssten. Die Handwerkskammer arbeite mit den Hochschulen eng zusammen, um Studienabbrecher so früh wie möglich für einen Wechsel in die Ausbildung zu gewinnen. Es sei einfacher nach zwei oder vier Semestern zu wechseln, als sich nach jahrelangem Studium einzugestehen, dass man auf dem falschen Weg gewesen sei, sagt Katharina Schumann.
Die Handwerksbetriebe würden vor allem auf diejenigen hoffen, die beispielsweise im Maschinenbaustudium nicht überfordert sind, aber gern in der Richtung bleiben wollen. Langzeitstudenten rate sie nach einem Studienabbruch eher die Richtung zu wechseln. Schließlich sei das Fach durch jahrelange Negativerfahrungen geprägt.
Im vergangenen Jahr habe die Handwerkskammer erstmals eine Messe für Studienabbrecher organisiert. Das Interesse sei groß gewesen. Schließlich gebe es auch lukrative Karrieremöglichkeiten, beispielsweise für Bewerber die später mit einem Meister die Selbstständigkeit anstreben. Viele Handwerksunternehmer würden in Berlin vor der Rente stehen und einen potenziellen Nachfolger suchen. Beliebt bei Studenten seien aber auch die Ausbildungen zum Tischler oder Goldschmied.
IHK Berlin wirbt mit Projekt „your turn“
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin versucht Studienabbrecher mit dem Projekt „your turn“ zu gewinnen. Die Bewerber, die von der Uni kommen, können die Ausbildung in nur 18 statt der 36 regulären Monate absolvieren. Allerdings gilt das Angebot nur für drei Ausbildungswege. So sollen möglichst Informatikstudenten zu Fachinformatikern für Systemintegration werden. Außerdem sollen Studienabbrecher in verkürzter Zeit zu Immobilienkaufleuten ausgebildet werden. Seit September gilt das Angebot auch für eine verkürzte Ausbildung zum Kaufmann beziehungsweise zur Kauffrau im Groß- und Außenhandel. Je nach Fachkräftemangel könnten weitere Ausbildungen hinzukommen.
Erst kürzlich hatte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) eine bundesweite Initiative angekündigt, um Studienabbrecher für Handwerksberufe zu gewinnen. In Zeiten des Fachkräftemangels würden die Betriebe erfolgreich sein, die den Bewerbern attraktive Angebote machten. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks erklärte, das Handwerk brauche die ausbildungsstarken Jugendlichen, da durch den technologischen Wandel die Anforderungen in vielen Berufen gestiegen seien.