Freizeit

Mariendorf bekommt nicht wie geplant ein Freizeitbad

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Joachim Fahrun
Die Seepferdchen-Parade in Mariendorf muss wohl weiter im alten Bad stattfinden. Die Neubaupläne sind vorerst abgeblasen

Die Seepferdchen-Parade in Mariendorf muss wohl weiter im alten Bad stattfinden. Die Neubaupläne sind vorerst abgeblasen

Foto: BM

Die Berliner Bäderbetriebe haben entschieden, das Neubauprojekt in Mariendorf vorerst nicht weiterzuverfolgen. Das ist der Grund.

Berlin. Es war eines der großen Vorhaben der vorletzten Berliner Regierungskoalition. 2015 stellten der immer noch amtierende SPD-Fraktionschef Raed Saleh und sein damaliger CDU-Kollege Florian Graf große Investitionspläne für die Berliner Bäderbetriebe vor. In dem kurz zuvor aus Haushaltsüberschüssen neu eingerichteten „Sondervermögen Infrastruktur für die wachsende Stadt“ (Siwa) wurden 60 Millionen Euro für zwei neue Multifunktionsbäder vorgesehen. Eines in Pankow und eines in Mariendorf.

Viele Diskussionen, und Planungen später ist das einstmals politisch hoch angesiedelte Vorhaben um die Hälfte geschrumpft. Die Berliner Bäderbetriebe haben entschieden, das Neubauprojekt in Mariendorf vorerst nicht weiterzuverfolgen. Die 60 Millionen Euro reichten nach Jahren der Baupreissteigerungen nur noch für ein kombiniertes Sommer- und Hallenbad, rechnete der neue Bäderchef Johannes Kleinsorg schon Ende vergangenen Jahres den Aufsichtsräten vor.

Statt der geplanten rund 30 Millionen pro Standort würden nun 57 Millionen Euro für ein neues Kombi-Bad benötigt. Seinerzeit war noch der damalige Innen- und heutige Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) der Vorsitzende des Kontrollgremiums, inzwischen ist das Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger (SPD).

Die Wahl fiel auf Pankow, der Standort Mariendorf fiel im Bäder-Aufsichtsrat durch

Der Aufsichtsrat entschied sich für Pankow. Der Bezirk sei mit Wasserfläche unterversorgt, sagte am Dienstag ein Mitglied der Morgenpost. Außerdem habe Pankow den Vorteil, den Neubau so auf die große Liegewiese neben dem bestehenden Freibad an der Wolfshagener Straße errichten zu können, sodass der Badebetrieb weitergehen kann. In Mariendorf am Ankogelweg sah der Plan zunächst den Abriss des bestehenden Bades vor, es wäre also für die Bauzeit Wasserfläche weggefallen.

So richtig kommuniziert wurde diese diskrete Abkehr von einem einst wichtigen Projekt aber erst, als die Bäderbetriebe jetzt im Abgeordnetenhaus ihre Zukunftspläne darlegen mussten. Die Finanzierungszusage sei „heute völlig unzureichend“, heißt es in dem vertraulichen Papier für die Abgeordneten. Der Aufsichtsrat habe die Konzentration auf ein Bad vorgegeben und die Entscheidung für Pankow bestätigt. Die Situation für Mariendorf sei „unklar“. Das Vorhaben sei „auf Eis gelegt“, hieß es aus dem Bäder-Aufsichtsrat.

Berlins Bäderbetriebe wollten ihre Strategie ändern und Besuchermagneten bauen

Diese Wende bedeutet nach langer Debatte wieder einen Wechsel in der Strategie der Bäderbetriebe. Der frühere Vorstandschef Ole Bested Hensing hatte die Politik überzeugt, dass es keinen Sinn mache, immer nur Löcher zu stopfen und alte, für ein breites Publikum wenig attraktive Bäder für viel Geld zu sanieren. Stattdessen sollte man nach dem Vorbild von Spaß- und Multifunktionsbädern andernorts neue Besucher-Magneten errichten. Nun wird es dazu nur an einem Standort in Berlin kommen. Angesichts der Finanzlage der Bäderbetriebe und des Landes Berlin dürften auch andere Vorhaben wie ein neues Bad in Marzahn kurz- bis mittelfristig keine Realisierungschance haben. Das Projekt taucht in dem Bäderbetriebe-Papier als „Merkposten“ auf, Budgetbedarf und Finanzierung seien aber offen. Neben dem Neubau in Pankow wird nur in Spandau-Süd eine neue Schwimmsporthalle vorangetrieben. 1,8 Millionen Euro Planungsmittel sind vorgesehen, die Finanzierung für die Umsetzung ist aber ebenfalls noch ungeklärt.

Den stillschweigenden Verzicht auf das neue Bad in Mariendorf möchte der Tempelhof-Schöneberger SPD-Abgeordnete Lars Rauchfuß aber nicht so einfach hinnehmen. „Entscheidungen über die Verwendung von Investitionsmitteln trifft immer noch das Parlament“, sagte Rauchfuß der Morgenpost. Er wolle das Thema auf jeden Fall noch einmal in der SPD-Fraktion zur Sprache bringen.

Bäderchef beziffert den Sanierungsstau auf 400 Millionen Euro

Allerdings benötigen die Bäderbetriebe auch ohne ambitionierte Neubauten erhebliche Summen vom Land. Auf rund 400 Millionen Euro beziffert Bäder-Chef Kleinsorg in seinem Bericht bis 2030 den Sanierungsstau in den 60 Bädern „ohne Neu- und Ersatzneubauten“ und ohne, dass die Entwicklung der Baukosten in diese Schätzung einbezogen wäre. Im Aufsichtsrat sind demnach bis 2026 Sanierungsvorhaben mit Kosten von 165 Millionen Euro geplant. Davon seien aber nur 61 Millionen Euro wirklich zugesagt. Aus dem derzeit im Abgeordnetenhaus beratenen Doppelhaushalt 2022/23 bräuchten die Bäderbetriebe 100 Millionen Euro. Im Senatsentwurf für den Etat sind aber nur zweimal 14 Millionen Euro als Kapitalzuführung vorgesehen. Das würde es der Anstalt öffentlichen Rechts jedoch erleichtern, selbst Kredite zur Finanzierung aufzunehmen.

Die Bäderbetriebe bangen auch noch um ihre prioritären Projekte. So fehlt für die 42 Millionen Euro teure Sanierung des Wellenbades am Kreuzberger Spreewaldplatz noch die Finanzierungszusage. Deswegen wurde die Halle im Herbst 2021 sogar zum Teil wieder geöffnet. Die Reparatur des bereits geschlossenen Stadtbades Charlottenburg an der Krumme Straße, geschätzt 27 Millionen Euro teuer, ist auf nach 2027 vertagt worden. Und auch die großen Sanierungsvorhaben am Stadtbad Lankwitz, an der Lehr- und Sportschwimmhalle Schöneberg am Sachsendamm und dem Kombibad Seestraße haben die Bäderbetriebe wegen „fehlender Finanzierungsaussichten“ auf nach 2027 verschoben.