Berlin. Der S- und Fernbahnhof Südkreuz ist ein Beispiel für den Bahnhof der Zukunft. Dort werden verkehrstechnische Neuheiten getestet, die sich in der gesamten Stadt etablieren könnten. Zum neuesten Clou gehören leuchtende Bahnsteigkanten, die mit den Bahnnutzern kommunizieren und so für mehr Sicherheit beim Ein- und Aussteigen sorgen.
Das System soll intuitiv sein. Die aufleuchtenden Linien markieren den Bereich, in dem der Zug halten wird. Leuchten sie rot auf, sollte dieser Bereich von Fahrgästen nicht übertreten werden. Blinkt das rote Licht, fährt der Zug gerade in den Bahnhof ein. Wechselt die Farbe ins Grüne, bedeutet dies für den Fahrgast, dass der Zug verlassen beziehungsweise betreten werden kann. „Wenn der Ein- und Ausstieg schneller verläuft, kann der Zug auch früher abfahren“, sagt Cornelia Kadatz, Chefin der sechs Berliner Fernbahnhöfe.
Bahnhof Südkreuz: LED-Linien zeigen, wie voll ein Waggon ist
Und es gibt noch mehr, was die Leuchtstreifen mitteilen können: Etwa wie voll ein Waggon ist. Dabei können die Markierungen abschnittsweise rot, gelb oder grün aufleuchten. Auf diese Weise kann den Fahrgästen mitgeteilt werden, auf welcher Höhe des Bahnsteigs, ein möglichst freies Zugabteil vorzufinden ist. Am Südkreuz will man die Signale jedoch zunächst nur für Einfahrt und Einstieg nutzen.
Installiert sind die Leuchtmodule schon. Für die Testphase ließ die Deutsche Bahn AG die dafür nötigen Betonplatten mit LED-Lampen auf einem Teilstück des Bahnsteigs 1 bereits verlegen. In den kommenden Wochen folgt auch der Rest des 150 Meter langen Bahnsteigs. Im Echtbetrieb ausprobiert, werden die Leuchtsignale aber erst ab Anfang des kommenden Jahres, wie Kadatz erklärt. „Mit den Erkenntnissen aus dem Feldversuch werden wir schauen, was im echten Betrieb – auch über den Bahnhof Südkreuz hinaus – sinnvoll ist.“ Dann wolle man schauen, welche anderen Bahnhöfe und Bahnsteige eventuell auch für diese Technik infrage kommen.
Fahrgäste bequem über den Bahnhof leiten
Hinter dem Versuch steckt laut Kadatz das Ziel, mehr Fahrgäste auf die Schiene zu bringen. Dabei helfe, Fahrgäste möglichst bequem über die Bahnhöfe zu leiten und für einen optimalen Verkehrsfluss zu sorgen. Mit welchen Kosten das neue System verbunden ist, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Der Stromverbrauch allerdings sei sehr gering.
Damit die Leuchten an den Bahnsteigen die Ankunft des Zuges auch korrekt darstellen, werden die nötigen Informationen mittels eines vor dem Bahnhof stationierten Lesegeräts an die Leuchtelemente übertragen. In Pfählen verbaute Lichtsensoren erkennen, wie lang ein Zug ist, aber auch wann er im Bahnhof eintreffen wird und wie viele Personen sich in den einzelnen Waggons befinden.
Berliner Start-up Siut bringt Beton zum Leuchten
Hinter den leuchtenden Bahnsteigen steckt das Berliner Unternehmen Siut mit den beiden Gründern Vincent Genz und Benjamin Westerheide. Als Studenten der Technischen Universität entwickelten sie den robusten Beton, der sich, angereichert mit Lichtleiterfasern, punktuell zum Leuchten bringen lässt. Wo die Fasern zusammenlaufen, sorgen LEDs für das Aufleuchten. Die Zusammensetzung des Betons ist ein Firmengeheimnis.
Der Zukunftsbahnhof Südkreuz kann aber noch mehr. Windräder und Solaranlagen zur Stromerzeugung auf dem Dach oder ein Farbkonzept zur besseren Orientierung und Besucherlenkung – nachhaltige Mobilitätsideen können an den Zukunftsbahnhöfen zunächst getestet und ausgewertet werden. Im November, spätestens Dezember, soll zudem ein neuer Wartebereich eingeweiht werden. „Inklusive Palmen“, sagt Kadatz.
Auch Bornholmer Straße zählt zu den Zukunftsbahnhöfen
In Berlin zählt auch die Station Bornholmer Straße zu den Zukunftsbahnhöfen. Insgesamt gibt es in Deutschland 16, in unterschiedlichen Größen, um repräsentativ zu sein.
Die Idee der leuchtenden Bahnsteigkanten indes ist nicht neu. Seit 2018 testet bereits die S-Bahn Stuttgart Lichtfaserbeton-Platten von Siut, die unterschiedliche Symbole aufzeigen können. Auch dort vermitteln die Lichter dem ÖPNV-Nutzer beispielsweise eine günstige Einsteigeposition.
In den 90er-Jahren waren auch in Berlin bereits Leuchtbänder in die Bahnsteige eingebaut worden. Bei den Versuchen am Alexanderplatz und Friedrichstraße streikte jedoch die Technik so oft, dass man den Versuch ein paar Jahre später beendete.