Schöneberg

Kaiser-Wilhelm-Platz bekommt neuen Namen

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Julia Lehmann
Der Kaiser-Wilhelm-Platz in Schöneberg soll namentlich zukünftig Richard von Weizsäcker ehren.

Der Kaiser-Wilhelm-Platz in Schöneberg soll namentlich zukünftig Richard von Weizsäcker ehren.

Der Platz soll nach Richard von Weizsäcker benannt werden. Ausstellungshalle im Rathaus Schöneberg wird nach "Coco" Schumann benannt.

Berlin. Versuche, den Kaiser-Wilhelm-Platz in Schöneberg umzubenennen, hat es bereits einige gegeben. Nun soll er in Richard-von-Weizsäcker-Platz umbenannt werden. Das hat die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Tempelhof-Schöneberg am Mittwochabend mit knapper Mehrheit beschlossen. Die Umbenennung zu Ehren des ersten Bundespräsidenten des wiedervereinigten Deutschlands geht auf einen Antrag von Grünen, CDU und FDP zurück. In den Fraktionen von SPD und Linke gab es jedoch zum Teil scharfe Kritik an dem Vorschlag.

Besonders die anwesenden Frauen aus der SPD-Fraktion, Marijke Höppner, Martina Sommerfeld und Manuela Harling, zeigten sich empört darüber, dass erneut ein Mann statt einer Frau geehrt werden soll. „Ich finde es beschämend, wie sehr viele hier im Patriarchat denken“, sagte SPD-Fraktionsvorsitzende Marijke Höppner. Sie hätte es bevorzugt, erneut über die Benennung nach Marlene Dietrich nachzudenken. Dieser Vorschlag wurde 1996 zuerst diskutiert, fand aber damals bei der SPD keine Mehrheit.

Liste mit weiblichen Namensvorschlägen findet keine Anwendung

Unterstützung bekam sie von Parteikollegin Martina Sommerfeld. Sie machte die Ungleichbehandlung von Frauen bei Namensgebungen deutlich: Mehr als 10.000 Straßen gibt es in Berlin. „Davon sind 3000 nach Männern und gerade mal 500 bis 600 nach Frauen benannt“, so Sommerfeld.

Dabei hatte die BVV einst eine Liste mit Frauennamen beschlossen, die für eine Benennung von Straßen und Plätzen in Tempelhof-Schöneberg infrage kommen sollen. Darauf sind Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, Widerstandskämpferinnen und andere weibliche Persönlichkeiten zu finden, die einen Bezug zum Bezirk haben. „Es gibt diese Liste schon lange, sie wurde für diesen Beschluss nur leider ignoriert“, kommentierte SPD-Fraktionsmitglied Wiebke Neumann am Donnerstagmorgen einen Facebook-Post in der Gruppe „Unser Tempelhof-Schöneberg“ der Berliner Morgenpost.

Namensgebung wird in sozialen Medien diskutiert

In den sozialen Medien wurde die Entscheidung sogleich ausgiebig diskutiert. Michael Biel, Co-Vorsitzender der SPD Schöneberg, kritisierte auf Facebook, dass es vorab keine Befragung der Öffentlichkeit gegeben habe. Dass der Platz einen neuen Namen bekommt, finde er aber richtig. „Ein Platz mitten in Schöneberg, der eine große Geschichte für Freiheit und Demokratie hat, darf nicht länger Kaiser-Wilhelm-Platz heißen“, so Biel. Benannt ist der Platz nach Kaiser Wilhelm I, erster deutscher Kaiser nach Reichsgründung 1871.

Kritik kam auch von den Linken. „Frauen sind bei Namensgebungen noch immer unterrepräsentiert“, sagte Fraktionsvorsitzende Elisabeth Wissel. Sie bemängelte außerdem, dass diese Debatte „in diesen Zeiten“ überhaupt geführt werde. Es gebe weit wichtigere Themen, mit denen man sich derzeit beschäftigen sollte. Unterstützung bekam Wissel von Axel Seltz (SPD): „Es sind schon merkwürdige Prioritäten, die manche Bezirksverordnete haben.“

Grüne wollen einen Beitrag für die Demokratie

Seltz stellte auch infrage, ob der Kaiser-Wilhelm-Platz, an Haupt- und Kolonnenstraße gelegen, aufgrund seiner eher geringen Bedeutung überhaupt der richtige Platz sei, um Richard von Weizsäcker zu ehren. „Damals war der Platz für Marlene Dietrich zu popelig, und jetzt soll von Weizsäcker mit diesem popeligen Platz gewürdigt werden“, sagte Seltz. Man tue ihm damit keinen Gefallen.

Die AfD forderte die Beibehaltung des jetzigen Namens. Auch weil die Umbenennung aufwendig sei, wie der AfD-Bezirksverordnete Sebastian Richter betonte.

Man habe Richard von Weizsäcker aufgrund seiner großen Bedeutung für die Demokratie gewählt, sagte Bertram von Boxberg, Bezirksverordneter bei den Grünen, am Mittwoch in der BVV. „Richard von Weizsäcker steht für das versöhnende Deutschland“, so von Boxberg. Dieses Signal habe man mit der Namenswahl senden wollen. Von Weizsäckers Name stehe für ein neues Deutschland und zeige, wie es sich weiterentwickelt habe. Da der CDU-Politiker auch Regierender Bürgermeister von Berlin war und seinen Amtssitz im Rathaus Schöneberg hatte, gebe es auch einen Bezug zum Bezirk, argumentierte von Boxberg.

Steglitz-Zehlendorf hat ebenfalls einen Kaiser-Wilhelm-Platz

Eine ausufernde Debatte über den neuen Namensgeber habe man eigentlich verhindern wollen, sagte von Boxberg nach der BVV. Darum habe man den Antrag gemeinsam mit CDU und FDP gestellt. Die Grünen, so stellte der Grünenpolitiker klar, stünden aber weiterhin hinter dem Beschluss, Straßen und Plätze vorzugsweise nach Frauen zu benennen. „Die Umbenennung nach einem Mann soll eine Ausnahme sein“, so von Boxberg.

Möglich ist die Umbenennung nach Berliner Straßengesetz (BerlStrG) überhaupt nur, weil es einen weiteren Kaiser-Wilhelm-Platz im Bezirk Steglitz-Zehlendorf gibt und die Doppelbenennung damit aufgehoben ist.

Ausstellungshalle im Rathaus nach „Coco“ Schumann benannt

Beschlossen worden war am Mittwoch auch, die Ausstellungshalle im Rathaus Schöneberg, in der die Dauerausstellung „Wir waren Nachbarn“ untergebracht ist, nach Heinz Jakob „Coco“ Schumann zu benennen. Der Name soll „Coco-Schumann-Saal“ lauten. Der 2018 verstorbene Schumann war Jazzmusiker. Wegen seiner Musik wurde er während der Nazizeit zunächst in das KZ Theresienstadt deportiert. Er überlebte den Holocaust. Seine Biographie ist Teil der Ausstellung.

Auch dieser Antrag von Grünen, CDU und FDP wurde am Mittwoch kontrovers diskutiert. Die SPD kritisierte erneut, dass auch hier keine weibliche Persönlichkeit gewählt worden war.