Mariendorf . Das Netzwerk Fahrradfreundliches Tempelhof rief zur Mahnwache auf. Eine Radfahrerin wurde auf dem Mariendorfer Damm getötet.

Bei einer Mahnwache an diesem Montag gedachten rund 200 Menschen der jüngst bei einem Verkehrsunfall auf dem Mariendorfer Damm getöteten Radfahrerin. Das Netzwerk Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg, der ADFC und Changing Cities e.V. riefen dazu auf. Sie fordern von der Politik „endlich Konsequenzen“.

Die 76 Jahre alte Radfahrerin war am Montagmittag, 6. Mai, verletzt worden, weil ein Lkw-Fahrer sie ohne Sicherheitsabstand überholt hat. Der Unfall ereignete sich auf dem Mariendorfer Damm stadtauswärts in Höhe der Dorfkirche, wie die Polizei mitteilte. Die Frau starb am 12. Juni an den schweren Kopf- und inneren Verletzungen, die sie sich bei dem Unfall zugezogen hatte.

„Die Ursache war auch im tragischen Fall dieser Radfahrerin fehlende, sichere Radinfrastruktur – wie leider so oft“, stellte Fahrradaktivist Jens Blume von Changing Cities fest. „Wir sind traurig und wir sind fassungslos. Aber wir sind auch enttäuscht und wütend“, sagte er bei der Mahnwache. Gut angelegte, geschützte Radwege ermöglichten einen engen Überholabstand überhaupt gar nicht erst.

Veranstalter kritisieren Bezirkspolitiker

Sieht man sich auf dem Mariendorfer Damm um, dann stelle man fest: Die Straße ist enorm breit, in der Summe wird dem Autoverkehr Platz für sechs Fahrspuren gegeben. „Um dem Radverkehr?“, fragte Blume. „Der ist hier bis auf wenige Radweg-Stummel überhaupt nicht berücksichtigt.“ Laut Zeugen stürzte die Frau, als der Lkw-Fahrer sie mit seinem Sattelzug beim Überholen berührte.

„Dass Mitmenschen immer wieder durch Lkw getötet werden, akzeptieren wir nicht als hinzunehmende Normalität“, unterstreichen die Veranstalter der Mahnwache in einem Aufruf an die Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg. „Sie als BVV-Mitglieder haben einen direkten Einfluss darauf, ob Radfahrende Menschen sicher an ihr Ziel kommen – oder eben nicht.“ In Sachen Geschwindigkeit und Prioritätensetzung dürfe es kein Weiter-So geben .Die Kampagnenorganisation Changing Cities will die Verkehrswende von unten weiter vorantreiben.

Ein Appell an das Mobilitätsgesetz

Die Fahrradaktivisten fordern, die gefährliche Kreuzung am Mariendorfer Damm sofort zu entschärfen und sichere, geschützte und durchgängige Radwege zu schaffen, wie sie das Mobilitätsgesetz vorschreibt. Damit dort und an der Bundesstraße 96 nie wieder ein ungeschützter Verkehrsteilnehmer getötet werde, müsse dem Autoverkehr eine Fahrspur auf jeder Seite weggenommen werden. Dann könnten sichere, geschützte, durchgehende Radwege angelegt werden, so Blume.

An den Kreuzungen sollten die Ampel separat geschaltet werden, so dass die Möglichkeit einer Kollision von so ungleichen Verkehrsteilnehmende wie Rad und Lkw auf ein absolutes Minimum reduziert werde, forderte der Fahrradaktivist. Er warnte: „Die Senatsverwaltung und der Bezirk Tempelhof-Schöneberg dürfen sich nicht mit einigen wenigen Modellprojekten zufrieden geben, sondern ganz Berlin muss schnellstens sicher und bequem mit dem Fahrrad befahrbar werden.“

Die Situation am Mariendorfer Damm sei deshalb gefährlich, weil aus drei Fahrstreifen vor der Kreuzung zwei Fahrstreifen nach der Kreuzung werden. Durch die Pfeile im mittleren und linken Fahrstreifen vor der Kreuzung werde den motorisierten Verkehrsteilnehmern die trügerische Information gegeben, ihre Fahrstreifen würden nach der Kreuzung fortgesetzt.

Gravierende Mängel aus Radfahrersicht

Tatsächlich könnten aber jederzeit Fahrzeuge aus dem rechten Fahrstreifen vor der Kreuzung in den rechten Fahrstreifen nach der Kreuzung fahren. Das betreffe gerade Radfahrende, die gemäß Rechtsfahrgebot im rechten Fahrstreifen fahren. Die Infrastruktur habe insbesondere aus Radfahrersicht gravierende Mängel. Das Einquetschen, Wegdrängen oder zu knappe Überholen von Radfahrenden nach der Kreuzung sei programmiert, so die Kritik.

Schweigeminute eingelegt

Bei der Mahnwache wurde der verstorbenen Radfahrerin mit einer Schweigeminute gedacht und ein weißes Fahrrad aufgestellt, das von an das Unfallopfer erinnern soll.

Der SPD-Kreischef und Bezirksverordnete Lars Rauchfuß sagte auf Anfrage: „Wir müssen bei der Radfahrinfrastruktur dringend zu einer Verbesserung kommen.“ Es gehe viel zu langsam voran, so seine Kritik an der zuständigen Bezirksstadträtin Christiane Heiß (Grüne). In der vergangenen Bezirksverordnetenversammlung nannte Rauchfuß die Bilanz der ersten zweieinhalb Jahre der Stadträtin im Amt eine „Enttäuschung“, geprägt von Pleiten, Pech und Pannen.