Grüne Dächer, Gärten und ein Treffpunkt für alle in der Schalterhalle an der Geisbergstraße. Die Post hat sich mittlerweile von fast allen Immobilien in Berlin getrennt.
Schon das Entree zeugt von einer Großzügigkeit, die sich heutige Bauherren aus Kostengründen meist nicht mehr leisten. Vor allem bei ursprünglichen Zweckbauten wie diesem. Doch zur Entstehungszeit des alten Post- und Telegrafenamtes Berlin W 30 in den Jahren 1924 bis 1926 wurde die Schalterhalle noch repräsentativ geplant. Zur Freude des neuen Eigentümers des denkmalgeschützten Hauses an der Geisberg- Ecke Welserstraße in Schöneberg.
Er will sich die Großzügigkeit zunutze machen. Er baut das Denkmal für Eigentumswohnungen um und ergänzt das Gebäude durch Neubauten, sodass Platz für insgesamt 130 Wohnungen entsteht. Rund 70 Millionen Euro, inklusive des Kaufpreises, werden investiert. Im Herbst sollen Sanierung, Restaurierung, Um- und Neubau starten, zwei Jahre später sollen die neuen Wohnungseigentümer einziehen.
Großzügigkeit ist bei dem Vorhaben wie schon zur Entstehungszeit mehr als nur eine Vermarktungsstrategie. Die alte Schalterhalle mit ihren Rundbögen im Innern, original erhaltenen Geländern und der freigelegten Betonbalkendecke dient den künftigen Hausbewohnern als Treff – zum Plaudern, Feiern, zur Geschäftsbesprechung, zum Sport treiben oder einfach nur zum gemeinsamen „Tatort“-Schauen am Sonntagabend. Auch ein Fitnessraum ist geplant.
Leben und Arbeiten im Atelier
„In Städten wie New York oder London, wo wir geschäftlich auch engagiert sind, ist diese soziale Komponente bereits sehr populär“, berichtet Basil J. Demeroutis, geschäftsführender Partner des Unternehmens Fore aus London. Dieser Gemeinschaftsgedanke werde bei Wohnbauprojekten zunehmend wichtiger. Deshalb hat der Investor entschieden, dass er die ehemalige Schalterhalle den künftigen Bewohnern zur gemeinschaftlichen Nutzung kostenlos überlässt. Sie müssten nur für die Kosten des Betriebs – inklusive des Concierge – aufkommen.
Beim architektonischen Konzept hat sich in einem Wettbewerb mit fünf Büros Ortner & Ortner Baukunst mit seinen Ideen für die Umgestaltung durchgesetzt. Die Begeisterung für das Denkmal ist dem Architekten Markus Penell anzumerken: „Ein Super-Altbau. Eine vorbildlich robuste Kombination aus hansestädtischer Ziegelarchitektur, schon damals kombiniert mit dem neuen Werkstoff Beton“, schwärmt er. Die „fantastische Portalanlage sei aus einem Stück Beton gegossen. Das Neue umarmt hier das Alte.“ Bereits freigelegt ist die alte Wandverzierung: Keine Fliesen, sondern dreieckige Kunststeine in ockergelb und schwarz, die lackiert und lasiert wurden. „Es gab zu der Zeit nicht mehr genug Natursteine, um Häuser zu verkleiden. Wir nehmen das Thema farblich für die anderen Durchgänge auch in den geplanten Anbauten auf“, erläutert Penell bei einer Besichtigungstour über das Areal.
Geplant sind 129 Wohnungen, fünf Ateliers, in denen gewohnt und gearbeitet werden kann, sowie zwei Gewerbeeinheiten. Der Anteil von alt und neu entspricht dabei einem Verhältnis von 60 zu 40. An den Seiten ergänzen neue Flügelgebäude den Altbau, das Dach erhält ein zusätzliches Geschoss. An der Welserstraße wird ein schmales Stadthaus errichtet, das entweder als Haus mit 400 Quadratmetern verkauft wird oder in Form von vier Eigentumswohnungen. Nach Auskunft des Projektentwicklers liegt der Verkaufspreis ab 3990 Euro pro Quadratmeter für die Erdgeschosswohnungen bis hin zu rund 9000 Euro. Bereits sehr gut nachgefragt von jungen Familien seien sieben Erdgeschosswohnungen, die im Hof auch über einen Garten verfügten. Der nahe Pausenlärm aus der Grundschule störe sie nicht, da die Interessenten selbst Kinder hätten, berichtet Marc F. Kimmich von der Copro Projektentwicklung GmbH. Die Dächer werden begrünt und erhalten Terrassen. Zwei Tiefgaragen mit 60 Plätzen sind geplant.
Die Deutsche Post hatte ihre Immobilie an der Schöneberger Geisbergstraße 7-9 bereits zum 1. Januar 2006 verkauft. Aktuell befinden sich dort noch ein Zustellstützpunkt der Post für die Briefzustellung, eine Geschäftspostannahmestelle für Großkunden und eine Postfachanlage. Momentan nutzt die Post dort ihre Räumlichkeiten als Mieter. Wie lange noch, ist unklar.
Überwiegend stehen die Gewerbeflächen seit Längerem leer. Der Eigentümer geht davon aus, dass die Post die Flächen noch in diesem Jahr komplett aufgibt. Die Postbank-Filiale, die ehemals auch in dem Gebäude untergebracht war, ist im August 2010 ausgezogen und wurde am neuen Standort Kleiststraße 23-26 wiedereröffnet.
Die Telekom wird das Gebäude nach Auskunft des Investors weiternutzen. Ausziehen muss jedoch die private Musikschule Happy Music, die von rund 350 Schülern besucht wird, sowie das dazugehörige Musikgeschäft. „Wir wären gern geblieben, das war seitens des Investors aber nicht gewünscht. Unser Mietvertrag endet in Kürze. Hoffentlich finden wir schnell einen Ersatz in der Nähe“, sagte Geschäftsführer Matthias Schuricke. Der Investor plant an der Ecke im Gebäude ein Café, wie er sagte.
Bebauungsplan ist beschlossen
Das Bezirksamt hat für das Bauvorhaben bereits eine Teilbaugenehmigung erteilt. Der Bebauungsplan war im Februar von der BVV beschlossen worden. „Unser Denkmalschutz hat die Umnutzung des denkmalgeschützten Post-Gebäudes zu Wohnzwecken intensiv begleitet. Die gefundenen Lösungen gefallen auch mir sehr gut“, sagte Stadtentwicklungsstadträtin Sibyll Klotz (Grüne).
Die Abstimmungsprozesse insgesamt – auch wegen eines weiteren Eigentümerwechsels nach dem Verkauf durch die Post – hätten allerdings Jahre gedauert. Sie seien zu einer Zeit gestartet, als der Senat von einer ausreichenden Zahl von Wohnungen in allen Preissegmenten ausgegangen sei. „Deshalb konnte es hier auch keine Anwendung des Modells der sozialgerechten Bodennutzung geben“, so Klotz. Der Investor habe sich jedoch zu einer Reihe von Leistungen bereit erklärt: Die Neugestaltung des Schulhofes der Finow-Grundschule hat bereits begonnen. Nach Auskunft des Investors kostet sie 250.000 Euro. Außerdem habe er sich verpflichtet, für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen Räume für eine therapeutische Wohngemeinschaft und zwei weitere Trägerwohnungen zur Verfügung zu stellen. Ein städtebaulicher Vertrag regele die Einzelheiten.