Berlin. Der Eigentümer des Steglitzer Kreisels durfte den Kaufvertrag nicht ändern und auch nicht vom Vertrag zurücktreten. Was das bedeutet.

Von der Adler Group war niemand am Morgen im Saal 115 am Landgericht Berlin erschienen. Zur Urteilsverkündung blieb die Seite der Beklagten leer. Die Eigentümer des Steglitzer Kreisels werden es jetzt schriftlich erfahren, dass sie den Prozess verloren haben. Das Landgericht stellte sich voll und ganz auf die Seite des Klägers. André Gaufer hat den Prozess gegen den Immobilienriesen, die Adler Group, gewonnen.

Der Geschäftsführer der Profinance GmbH zeigte sich nach der Verkündung vor dem Verhandlungssaal erleichtert. „Heute haben wir einen bedeutenden Schritt für die Gerechtigkeit gemacht“, sagte Gaufer. Die Adler Group habe das Pokerspiel um den Steglitzer Kreisel verloren. Trotz aller Drohungen und Einschüchterungen der Adler Group habe das Gericht ihm Recht gegeben. „Die fragwürdigen Methoden von Strippenziehern, Vorständen, Rechtsanwälten und Notaren sind gescheitert“, so Gaufer.

Der Finanzexperte aus Steglitz wollte nichts anderes, als das, was eigentlich selbstverständlich ist: Dass sein Notar- und Kaufvertrag gilt. So wie er beim Kauf der Wohnung geschlossen und unterschrieben wurde. Und nicht in einer nachträglich geänderten Fassung. Doch im Fall der Adler Group musste er sich dieses Recht einklagen.

Steglitzer Kreisel: Urteil schafft einen Präzedenzfall

„Es bleibt bei der ursprünglichen Vereinbarung“, schloss die Richterin ihr kurze Urteilsbegründung. Die Adler Group habe keinen Anspruch auf eine Vertragsanpassung, auch der einseitige Rücktritt vom Kaufvertrag sei nicht wirksam. Damit steht fest: Der Vertrag hat Bestand. Der Kläger habe einen Anspruch darauf, dass er nun auch erfüllt werde, ergänzt Anne Pietzcker, Pressesprecherin der Berliner Zivilgerichte, die Ausführungen der Richterin. Ob der Kreisel-Eigentümer jetzt Rechtsmittel einlege, werde sich zeigen.

Auf Nachfrage der Morgenpost gab es von der Adler Group keine Stellungnahme dazu. Pressesprecherin Dobroslawa Pazder bat um Verständnis, „dass wir uns zu laufenden Verfahren grundsätzlich nicht öffentlich äußern“. Nach dem Urteil wolle man die schriftliche Begründung abwarten und diese anschließend analysieren. Sicher und verkündet ist: Die Adler Group muss die Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht Berlin tragen.

Das Urteil schafft einen Präzedenzfall. Denn André Gaufer ist nicht der einzige, der in dieser Situation ist. Der 57-Jährige hatte 2018 eine Wohnung in der 19. Etage des Steglitzer Kreisels und einen Tiefgaragenstellplatz gekauft. Versprochen wurde ihm auch ein Fahrradaufzug. Doch dann wechselten die Projektentwickler: von der CG-Gruppe über die Consus Real Estate schließlich zur Adler Group.

Käufer sollten nachteilige Änderungen unterschreiben

Der neue Eigentümer änderte die Baupläne. Alle, die bereits eine Wohnung im Steglitzer Kreisel gekauft hatten, sollten nun Ergänzungsverträge unterschreiben. Und damit in vielen Fällen nachteilige Änderungen akzeptieren. Im Fall von Gaufer war darin weder sein ausgewählter Tiefgaragenstellplatz noch der Fahrradaufzug enthalten. Daraufhin reichte er Klage ein. Die Reaktion der Adler Group: Sie trat einseitig von dem Kaufvertrag zurück.

Das sei ein harter Schlag für ihn gewesen, so der Finanzexperte. Denn er habe an das „aufstrebende Hochhausprojekt Steglitzer Kreisel“ geglaubt. Und deshalb auch in eine Wohnung investiert. Unter den Wohnungskäufern gibt es jetzt nach Auskunft von Gaufer zwei Gruppen. Etwa 100 sollen die Änderungsverträge unterschrieben haben, wesentlich weniger haben – so wie er – nicht unterschrieben.

Für die Adler Group bedeutet das, dass sie die originalen Kaufverträge erfüllen muss. Dafür gibt es eigentlich nur zwei Optionen: Sie ändert die Baupläne wieder, so wie es ursprünglich geplant war, damit alle Ansprüche aus den Verträgen erfüllt werden können. Oder sie einigt sich mit den Käufern, deren alte Notarverträge nun wieder gelten, auf die Zahlung von Schadenersatz.

Bauprojekt soll jetzt 2025 abgeschlossen sein

„In meinem Vertrag steht, dass die Wohnung Ende 2021, spätestens im Juni 2022 fertig ist“, sagt André Gaufer. Allein schon aus dem Grund, dass diese Daten nicht zu halten sind, sei ihm ein Schaden entstanden. Denn die Bereitstellungszinsen für den Kredit bei der Bank liefen weiter.

Im Moment soll der Kreisel samt Sockelgeschoss Ende 2024 fertig sein, für das gesamte Projekt wird auch schon von 2025 gesprochen. Etwa die Hälfte der 330 Eigentumswohnungen soll nach Auskunft der Adler Group verkauft oder reserviert sein, viele Neueigentümer sind auch schon im Grundbuch vermerkt.

Obwohl die Adler Group immer wieder beteuert, dass im Inneren des Turms Bauarbeiten laufen, ist von außen wenig zu sehen. Gerüchte von Stillstand machen die Runde, denen die Adler Group vehement widerspricht. Doch die Skandale um den angeschlagenen Immobilienkonzern ziehen immer weitere Kreise.

Europaweite Razzia bei der Adler Group Ende Juni

Erst Ende Juni gab es eine europaweiter Razzia wegen des Verdachts der Falschbilanzierung und der Marktmanipulation bei der Adler Group. 21 Objekte wurden durchsucht, darunter Geschäftsräume und Wohnungen in Berlin, Düsseldorf sowie in Österreich, Monaco, den Niederlanden, Portugal und Großbritannien. Beteiligt waren 175 Beamte.

„Ich meine nach wie vor, dass die Adler Group nicht die Immobilienfirma sein wird, die den Turm und den Sockel zu Ende bauen wird“, so Gaufer. Er gehe aber fest davon aus, dass das Bauprojekt Steglitzer Kreisel fertig gestellt wird. „Die Wohnung im Kreisel war schon immer mein Traum.“

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