Berlin. André Gaufer hat eine Wohnung gekauft. Nächste Woche ist sein Prozess gegen die Adler Group. Er klagt auf Einhaltung seines Vertrages.

Knapp 70 Quadratmeter, einen Blick über Berlin aus dem 19. Stock und einen sorglosen Start ins Leben – genau das wollte André Gaufer seiner Tochter bieten. Das war seine Motivation, eine Wohnung im Steglitzer Kreisel zu kaufen. Lina war 13 Jahre als Gaufer 2018 den Kaufvertrag unterschrieb. Wohnung, Tiefgaragenstellplatz, Fertigstellung Mitte 2022 – das waren die Bestandteile des Vertrags, damals noch mit der CG-Gruppe.

Alles fühlt sich zu dem Zeitpunkt für ihn perfekt an. „Ich hatte keinen Zweifel, die richtige Entscheidung getroffen zu haben“, sagt der 57-Jährige. Dass er fünf Jahre später auf die Einhaltung seines Kaufvertrages gegen die Adler Group klagen und um die Wohnung bangen muss – das konnte er da noch nicht ahnen. Doch so ist es gekommen: Am 15. März ist der Prozess vor dem Berliner Landgericht.

„Tag X“ nennt Gaufer den Tag, an dem die die Richter seine Klage verhandeln, „ein entscheidender und wichtiger Tag, an dem sich das Blatt wenden kann“. An dem er erfahren wird, „welchen Wert ein Notarvertrag hat“. Für den Geschäftsführer der PROfinance GmbH in Lichterfelde, der sich auf die Fondsvermittlung spezialisiert hat, geht es um Gerechtigkeit für die kleinen Leute, wie er sagt. Er klagt allein gegen die Adler Group, einen riesigen Immobilienkonzern.

330 Eigentumswohnungen sollten bis Ende 2021 fertig sein

Auf der Kreisel-Baustelle lief anfangs alles nach Plan. 330 Eigentumswohnungen sollen in dem ehemaligen Bürohochhaus an der Steglitzer Schloßstraße entstehen. Es heißt, dass 130 verkauft sind. Ende 2021 sollten sie fertig sein. 2017 wurde Christoph Gröner mit seiner CG-Gruppe Eigentümer des Hochhauses und startete die Sanierung und den Verkauf der Apartments. Mitte 2020 wechselte das vom Asbest befreite und entkernte Stahlskelett mehrfach den Besitzer und wurde schließlich Eigentum der Adler Group.

Der Immobilienkonzern änderte die Baupläne, die vorher festgelegte Zeitschiene war nicht mehr einzuhalten. Das hatte auch Auswirkungen auf die Käufer der Wohnungen: Sie müssen Bereitstellungszinsen für ihre Kredite zahlen, die noch nicht abgerufen werden können. Denn die Fertigstellung ihrer Wohnungen hat sich von Jahr zu Jahr verschoben, nicht zuletzt aber auch wegen der Corona-Pandemie und den Folgen. Jetzt rechnet die Adler Group damit, 2025 das gesamte Projekt abgeschlossen zu haben.

Die neuen Pläne des Investors hatten aber auch Auswirkungen auf die Kaufverträge. Diese sollten mit einem Nachtrag geändert werden. „Zum Nachteil der Käufer“, sagt Gaufer. Kein Tiefgaragenstellplatz, kein Fahrradaufzug, auf dem Dach ein Mobilfunkmast – das sollten nach seiner Auskunft die neuen Vertragsbestandteile sein.

André Gaufer will potenzielle Immobilienkäufer vor Tricks warnen

Als er sich weigerte, zu unterschreiben, „hat die Adler Group einseitig den Rücktritt aus meinem Kaufvertrag erklärt“, so der Wohnungskäufer. Das will er nicht hinnehmen. Er klagt auf die Erfüllung seines Vertrages, so wie er vereinbart ist, „erst recht, weil ich mir nicht drohen lasse“.

André Gaufer befasst sich in dem Buch „Immobilienpoker“ mit dem Steglitzer Kreisel und der Adler Group.
André Gaufer befasst sich in dem Buch „Immobilienpoker“ mit dem Steglitzer Kreisel und der Adler Group. © Katrin Lange | Katrin Lange

Er weiß, dass er mit seinem Fall ein Exempel statuieren wird, sein Ziel ist es aber auch, potenzielle Wohnungskäufer vor Tricks zu warnen. Aus diesem Grund hat er seine Geschichte aufgeschrieben. Das Buch „Immobilienpoker“, mit dem Untertitel „Ein Immobilienkonzern mit dubiosen Geschäften und schmutzigen Tricks. Und ein Mann, der sie aufdeckt“ ist gerade erschienen (Amazon, 200 Seiten, 14,99 Euro).

Darin ist nicht nur nachzulesen, wie sich André Gaufer aus ärmlichen Verhältnissen und Zeiten, in denen er auf der Straße lebte, herausgearbeitet hat. In dem Buch hat er auch alles dokumentiert, von der Unterschrift unter den Kaufvertrag mit der CG-Gruppe über die Korrespondenzen mit der Adler Group bis zum geplanten Prozesstermin. „Die Leute sollen sensibilisiert werden, was auf sie zukommt, wenn sie heute eine Wohnung kaufen wollen“, erklärt Gaufer das Anliegen seines Buches.

Es geht aber auch um die Rolle des Wirtschaftsprüfers KPMG und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), um Grundbuch-Tricks, frisierte Bilanzen und fragwürdige Bewertungsverfahren. Die hatte im Fall der Adler Group der Shortseller Fraser Perring, der bekannt ist als „Wirecard-Jäger“, angeprangert.

In seinem 2021 erschienen Report beschreibt Perring, dass Adler darauf ausgelegt sei, Unternehmen zu übernehmen und mit Schulden zu belasten. „Er prangert stillstehende Baustellen, Bilanzierungstricks und die Überbewertung von Immobilien an“, heißt es in Gaufers Buch über den Shortseller aus London. Adler hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Adler Group will sich weder zum Buch noch zum Baugeschehen äußern

Die Adler Group will sich auf Anfrage nicht äußern. Auf die Bitte, sich zu dem Buch zu positionieren und kurz über den aktuellen Stand der Bauarbeiten am Steglitzer Kreisel zu informieren, heißt es nur von Matteo Twerenbold aus der Pressestelle des Unternehmens: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir hierzu keinen Kommentar abgeben.“

Trotz aller Verzögerungen, die die Adler Group auch mit Lieferengpässen nach der Corona-Krise angibt, lässt das Unternehmen keinen Zweifel daran, dass das Projekt Steglitzer Kreisel fertig gestellt wird. Ein reges Baugeschehen ist nicht zu beobachten, was der Investor mit Arbeiten im Inneren des Gebäudes begründet.

Was sich André Gaufer in der jetzigen Situation am meisten wünscht? „Dass die Adler Group das Projekt durchzieht und zu Ende bringt.“ Das Unternehmen sollte sich auf seinen eigentlichen Auftrag besinnen und Wohnraum schaffen. Wenn das Projekt jetzt richtig durchstarten würde, könnten die Wohnungen seiner Meinung nach Ende 2024, Anfang 2025 fertig sein. Dann ist Lina 19 und kann als Studentin einziehen.

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