Berlin. Terrier Pitti wurde gerade 20 und stammt aus dem Tierheim, Husky-Mix Wolfgang fand mit 15 eine Familie. Vom Glück mit den alten Tieren.
An seinem großen Tag geht für Pitti auch der allerletzte Hunde-Wunsch in Erfüllung. Er kriegt ohnehin schon jeden erfüllt, aber an seinem 20. Geburtstag darf es noch eine Extrawurst sein. Hundetorte, Hundefanta, Besuch und eine Familienfeier – das steht auf dem Programm. Welcher Hund wird schon 20? Der kleine Jack-Russell-Terrier-Mix gehört damit zu den ältesten Hunden in Berlin.
„Tatsächlich kommt ein solches Alter sehr, sehr selten vor bei Hunden“, sagt Ute Reinhardt, Sprecherin vom Tierheim Berlin. Das Durchschnittsalter von Hunden betrage je nach Rasse zwölf bis 16 Jahre. Pitti hat aber auch noch ein besonderes Schicksal: Er war bereits 16 Jahre, als er ins Tierheim kam, weil seine Besitzer gestorben waren. Schon da zählte er zu den Hunde-Opis. Alt, nicht mehr ganz gesund, galt er als schwer vermittelbar. Heute ist der strubbelige Terrier eine kleine Kiezgröße in Prenzlauer Berg und die große Freude von Susanne und Matthias S., bei denen er seit vier Jahren lebt.
Das ist für alte Tiere aus dem Tierheim nicht selbstverständlich. Sie sind die „Sitzenbleiber“, das bestätigt die Tierheim-Sprecherin. Doch einige haben Glück. Es gibt genau diese Menschen, die sagen, dass es gerade die alten Tiere am nötigsten und am meisten verdient haben, in einer Familie umsorgt zu werden. So wie Pitti, hat auch Husky-Mix Wolfgang mit 15 Jahren gerade ein neues Zuhause in Lichterfelde-West gefunden.
Die Hunde sind vollwertige Familienmitglieder
Sie bekommen ihre Möhren weich gekocht und püriert, eine orthopädische Matratze, um schmerzfrei zu liegen. Sie geben die Geschwindigkeit beim Gassigehen vor, fahren im Lastenrad mit oder sind im Rucksack dabei. Für sie wird im Supermarkt und im Büro eine Ausnahme gemacht und die Wohnung altersgerecht umgebaut. Kurz: Alles wird für sie getan. Sowohl Pittis als auch Wolfgangs Besitzer sagen: „Der Hund ist ein vollwertiges Familienmitglied.“
Sie haben es nie bereut, sich für einen alten Hund entschieden zu haben. Im Gegenteil, sie erzählen von vielen Vorteilen: Die Tiere sind entspannt, ruhig und müssen nicht mehr erzogen werden. „Als Ersthalter ist er der leichteste Hund überhaupt“, sagt Nils M. über Husky-Mix Wolfgang. Auch Matthias S. hatte keine Erfahrung und fand Pitti „für Anfänger einfacher“.
Diese Vorstellung hat sich im Tierheim Berlin allerdings noch nicht durchgesetzt. Meistens seien junge Hunde, am liebsten Welpen gefragt, sagt Ute Reinhardt. Sobald ein Hund älter als sieben oder acht Jahre sei, habe er an Attraktivität verloren. „Es kommen die ersten Wehwehchen, der Bewegungsapparat wird deutlich schlechter, das Tier braucht häufig Medikamente und muss öfter zum Tierarzt“, nennt sie die Vorbehalte. Dabei ist auch sie der Meinung, dass ältere Tiere deutlich ausgeglichener seien. „Sie sind angekommen und nicht mehr so unruhig wie beispielsweise jüngere Hunde“, erklärt Ute Reinhardt. Häufig spüre man die Dankbarkeit der Tiere.
Ältere Tiere müssen nicht mehr erzogen werden
Das bestätigen Susanne und Matthias S.. „Wir wollten einen älteren Hund, weil wir keine Zeit zum Erziehen hatten“, sagt die Hotelfachfrau, die in der Verwaltung arbeitet und einen 19 Jahre alten Sohn hat. Schon beim ersten Spaziergang auf dem Tierheimgelände war ihnen klar, dass der kleine Terrier-Mix der richtige ist. Als sie ihn für die Probewoche abholten, hatten sie nur eine Sorge auf der Fahrt: Dass Pitti etwas zugestoßen sein könnte. Doch das aufgeweckte Kerlchen wartete.
„Anfangs war er so fit, dass er sogar noch gejoggt ist“, sagt Matthias S., 49 Jahre und Journalist. Nur alleine sein – das will der Hund gar nicht. Also kommt er mit. Er war auf den Reisen nach Schweden, Italien und Österreich dabei, immer zufrieden, denn er mag Autofahren und sitzt gern in seiner Tasche oder seinem Rucksack. Pitti mag aber auch seine Routine, die er einfordert mit „der Autorität eines alten Mannes“, sagt die 46-Jährige.
Dazu gehören die pünktlichen Mahlzeiten, die extra gekocht werden, genau wie der Vormittagsschlaf, vor dem er noch gern gegrault werden will. Pitti liebt Fressen über alles, gern auch mal ein Stück Parmesan, etwas Frischkäse und gekochtes Hühnchen. Die Brühe ist übrigens die Hundefanta, ein besonderes Highlight in seinem Hundeleben. Bei der Tierärztin ist Pitti mittlerweile der älteste Patient, sie bescheinigt ihm noch einen guten Gesundheitszustand. Sie verstehen nicht, warum sich nicht mehr Familien für ältere Hunde interessieren, sagen Susanne und Matthias S. Sie würden gerade zu Kindern besonders lieb sein.
Husky-Mix Wolfgang lebt seit zwei Wochen in Lichterfelde-West
Genau das erleben die neuen Besitzer von Husky-Mix Wolfgang, die das 15 Jahre alte Tier vor zwei Wochen aus dem Tierheim nach Lichterfelde-West geholt haben. Während des Gesprächs ist der Hund mit Tochter Charlotte auf dem Sofa. Er dreht sich auf den Rücken und zeigt, wo er am liebsten gekrault werden will. Die Zehnjährige ist begeistert: „Es ist so toll, dass er so richtig gekuschelt werden will“, sagt Charlotte.

Sie wollte unbedingt ein Haustier haben. Ihr Vater hat den Hund auf der Internetseite des Tierheims entdeckt und mit Charlotte vorher gesprochen, dass er schon alt ist und vielleicht nicht mehr so lange bei ihnen. Aber sie waren sich einig: Wolfgang soll es gut haben. „Als wir ihn dann gesehen haben, waren wir sofort überzeugt“, sagt Nils M., 40 Jahre und Produktmanager. Wolfgang sei perfekt – ruhig, verschmust.
Er habe es ihnen total leicht gemacht. Manchmal jage der Hund noch einer Krähe oder einem Fuchs hinterher. Bald schon muss der Husky-Mix wohl operiert werden. So mischt sich etwas Sorge in das Glück, endlich einen Familienhund zu haben. Aber die Zuversicht überwiegt. Wolfgangs Alter ist mit 15 Jahren nur geschätzt. „Wir hoffen, dass sie sich verschätzt haben und er vielleicht erst zehn Jahre ist“, sagt Nils M.