Zwischen Schönow und Steglitz sollen wie einst nicht mehr nur Güter, sondern auch Personen befördert werden.

Mit einer Geschwindigkeit von zehn Kilometern in der Stunde und einem Si­gnallicht auf dem Dach zuckelt der Schienenbus VT 95 über den Dahlemer Weg in Lichterfelde. Der rote, auffällige Dieseltriebwagen stammt aus dem Jahr 1954. Passanten bleiben verwundert stehen und freuen sich dann über den ungewohnten Anblick. Das Fahrzeug gehört den Berliner Eisenbahnfreunden, die Fahrt organisiert hat die AG Märkische Kleinbahn. Etwa 30 Minuten ist der Zug mit Politikern, Wirtschaftsvertretern und Vereinsmitgliedern an Bord vom Bahnhof Schönow an der Goerz­allee bis zum S-Bahnhof Steglitz unterwegs. Einige von ihnen haben einen Plan: Auf der drei Kilometer langen Strecke sollen künftig nicht nur Güter, sondern auch wieder Personen befördert werden – so wie es vor 100 Jahren schon einmal war.

Silvio Schobinger, Eigentümer des einst leergezogenen und heute zu fast 95 Prozent neu vermieteten Goerz­werkes, hat eine Vision: Auf der Strecke soll ein „elektrisch betriebener, autonom fahrender, auf Bestellung kommender Schienenbus“ unterwegs sein, ähnlich wie ein Taxi. Acht Minuten würde die Fahrt mit so einem Gefährt bis Lichterfelde-West dauern, bis Steglitz etwa zwölf Minuten, rechnet er vor. Ab Lichterfelde kann das Fahrzeug dann von der Goerzbahn auf die Gleise der alten Stammbahn wechseln, die parallel zur S-Bahnstrecke verlaufen – so wie der alte VT 95 an diesem Tag, in dem auch Schobinger sitzt.

„Wir müssen die Bahnstrecke erhalten“

Unterstützung bekommt der Eigentümer der Goerzwerke von Henner Bunde, Staatssekretär in der Senatswirtschaftsverwaltung, und von Christian Goiny, Mitglied der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Beide haben auch in dem Dieseltriebwagen Platz genommen. Sie halten die Idee, den Personenverkehr auf dieser Strecke wiederaufzunehmen und eine schnelle und direkte Verbindung zwischen Lichterfelde und Steglitz zu schaffen, für realistisch. „Wir müssen die Bahnstrecke erhalten, nachdem die Industrienutzung durch das Gewerbegebiet an der Goerzallee weggefallen ist“, sagt Goiny. Deshalb sehe er eine Chance für die Personenbeförderung auf dieser Strecke. Für Henner Bunde geht es jetzt zunächst darum, die Infrastruktur zu sichern. Er sei derzeit im Gespräch mit der Deutschen Bahn, um die Eigentumsfragen zu klären, sagt Bunde.

Im Jahr 1905 gingen die ersten Züge zwischen dem Industriegebiet Schönow und Lichterfelde West auf die Strecke, zunächst nur für den Güterverkehr. 1919 wurde auch der Personenverkehr genehmigt. Allerdings ausschließlich für die Mitarbeiter der Goerzwerke. Nach ihrem Schichtplan wurde der Fahrplan gemacht. Das Stammwerk der Goerz­werke war an der Rheinstraße in Friedenau – der Schienenweg erleichterte das Pendeln zwischen den beiden Standorten.

Nachdem die Deutsche Bahn die Strecke im Juli 2018 eingestellt hatte, weil es keine Güter mehr zu transportieren gab, war die Zukunft der Gleise offen. Ein Fahrradweg wurde vorgeschlagen und eine Straßenbahnstrecke. Doch schließlich einigten sich Bezirk, Senat, Deutsche Bahn und Eisenbahnfreunde darauf, die Strecke zu erhalten. Zum 1. Januar 2019 soll die Betriebsführung auf die AG Märkische Kleinbahn übergehen. Der Verein betreibt bereits ein kleines Museum im Lokschuppen des ehemaligen Bahnhofs Schönow an der Goerz­allee. Zweimal im Jahr ist Tag der offenen Tür, an dem die Strecke auch für historische Fahrten genutzt wird. Doch das soll nur der Anfang eines wieder richtigen Betriebes sein. Für Martin van der Veer, Vorstand des Vereins Märkische Kleinbahn, sind jetzt zwei Dinge wichtig: „Das Museum muss erhalten bleiben, der Verkehr wieder zum Laufen gebracht werden.“ Zwei Konzepte für einen regelmäßigen Betrieb gebe es bereits: das autonom fahrende Mobil und die Idee einer oberleitungslosen Straßenbahn. Aber in erster Linie sollte der Güterverkehr vom Industriegebiet an der Goerzalle wiederaufgenommen werden.

Vertrag soll zunächst über drei Jahre laufen

Der Bezirk handelt derzeit den Vertrag mit dem Verein aus. Der solle zunächst über drei Jahre laufen, informierte Bezirksstadträtin Maren Schellenberg (Grüne) den Verkehrsausschuss des Bezirks. „Wenn die Strecke jetzt nicht weiterbetrieben wird, könnte die Widmung für den Schienenverkehr aufgehoben werden“, so Schellenberg. Deshalb habe man sich mit der Senatswirtschaftsverwaltung geeinigt, die Goerzbahn mit Unterstützung des Vereins der Märkischen Kleinbahn aufrechtzuerhalten und möglichst wieder Anschließer, also Nutzer, zu gewinnen. In drei Jahren solle die Lage neu beurteilt werden. Eine Option der Verlängerung wird im Vertrag stehen.