Berlin. Zehntausende Spandauer Haushalte finden vierteljährlich den "Spandauer Rathausbrief" im Briefkasten, eine achtseitige Zeitung der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Finanziert wird die Publikation aus Mitteln der Fraktion, wie Uwe Ziesak, kommissarischer Fraktionsvorsitzender, der Berliner Morgenpost nun bestätigte. Genau das könnte zum Problem werden - denn für die Verwendung der Fraktionsmittel gibt es genaue Vorgaben, gegen die der Rathausbrief wohl verstößt. Über die Angelegenheit hatte der "Tagesspiegel Checkpoint" zuerst berichtet.
Die Zeitung ist seit Dezember 2019 insgesamt fünf Mal erschienen, auf der ersten Seite in jeder Ausgabe prominent zu finden: der Spandauer SPD-Abgeordnete und Kreisvorsitzende Raed Saleh, seit kurzem auch Parteivorsitzender in Berlin. Die aktuellste Ausgabe beinhaltete zudem ein ganzseitiges Interview von Saleh mit Franziska Giffey, der Co-Landesvorsitzenden und SPD-Spitzenkandidatin für die kommende Abgeordnetenhauswahl. Hinzukommen Berichte über den neuen Flughafen BER, die Schließung und Zukunft vom Flughafen Tegel sowie eine Initiative der Jusos. Über die Arbeit der Spandauer SPD-Fraktion wird auf anderen Seiten berichtet, in den zuvor genannten Artikeln fehlt jedoch ein Bezug.
Bund der Steuerzahler sieht Zweckentfremdung der Gelder
Kriterien dazu, wie Fraktionszuschüsse zu verwenden sind, beinhaltet das Bezirksverwaltungsgesetz, auch vom Berliner Rechnungshof gibt es "Hinweise
für die Bewirtschaftung der Fraktionszuschüsse" in der BVV. Dort heißt es, mit staatlichen Zuschüssen dürfe Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen nur finanziert werden, "wenn sie einen hinreichenden Bezug zur Arbeit der Fraktionen aufweist und auf eine gezielte Werbung für eine Partei und deren Personal verzichtet". Im offiziellen Praxiskommentar zum Berliner Verwaltungsrecht ist zu lesen: "Die Öffentlichkeitsarbeit muss sich unmittelbar auf die vergangene, gegenwärtige oder künftige Tätigkeit der Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung in der laufenden Wahlperiode beziehen."
Alexander Kraus, Vorsitzender vom Bund der Steuerzahler in Berlin, ist deshalb auch der Ansicht, dass mit dem "Spandauer Rathausbrief" gegen die geltenden Kriterien verstoßen wird. Öffentlichkeitsarbeit sei Fraktionen nur mit konkretem Bezug zu ihrer Arbeit erlaubt; der Eindruck einer werbenden Einflussnahme zugunsten der Partei oder ihrer Wahlbewerber vermieden werden, erklärt Kraus. "Wenn die BVV-Fraktion mit ihrem Rathausbrief Sympathiewerbung für die Landes-SPD, Frau Giffey und Herrn Saleh macht, ist dies eine klare Zweckentfremdung von Steuermitteln für Zwecke der Partei und verboten.“
Auch Arndt Meißner, Chef der CDU-Fraktion in der Spandauer BVV sagt: "Jeder Fraktion muss bekannt sein, dass aus Fraktionsmitteln keine Parteiarbeit finanziert werden darf." Da vom BVV-Büro derzeit ohnehin die Finanzen aller Fraktionen überprüft werden, solle bei dieser Kontrolle die Einhaltung aller Regeln geprüft werden. "Sonst droht ein Vertrauensverlust in die wichtige kommunale Arbeit", so Meißner.
Finanzen der Fraktionen werden von Bezirksaufsicht geprüft
Uwe Ziesak sieht dagegen beim Rathausbrief und dessen Finanzierung keine Probleme. Man müsse den Lesern auch Informationen geben, was über Spandau hinaus passiert, meint er. Und Saleh habe als Abgeordneter für Spandau einen direkten Bezug zum Bezirk. Wie viel genau die Fraktion in die Zeitung finanziert hat, konnte Ziesak auf Nachfrage jedoch nicht sagen. Er verwies darauf, dass die Unterlagen über die Verwendung der Fraktionsmittel, zumindest für das Jahr 2019, derzeit im BVV-Büro liegen - wegen eben jener Kontrolle der Finanzen.
Dort soll für alle Fraktionen geprüft werden, ob Gelder zweckfremd genutzt worden. Ist das der Fall, sollen die entsprechenden Summen zurückgefordert werden, erklärte die Vorsteherin der BVV, Gaby Schiller (SPD), Ende 2020 in einer Mitteilung. Auffälligkeiten sollen zudem der Bezirksaufsicht des Senats zur Überprüfung vorgelegt werden.
Ergebnisse der Finanzprüfung sollen öffentlich gemacht werden
Die Mittelverwendung der SPD-Fraktion hatte schon kürzlich Aufsehen erregt, weil sich Christian Haß, bis Ende 2020 noch Fraktionschef, selbst aus der Kasse ein Darlehen genehmigt hatte. Die Unstimmigkeiten waren im November bei einer internen Kassenprüfung aufgefallen, sagte Ziesak. Inzwischen soll Haß die entnommenen Summen zurückgezahlt haben, dennoch gab es viel Kritik an dem Verhalten, das nach Einschätzung des Bunds der Steuerzahler selbst mit einer Genehmigung durch den Fraktionsvorstand nicht zulässig gewesen wäre.
Ziesak sagt, er hoffe, die Prüfung der Unterlagen seiner Fraktion werde vom BVV-Büro noch in diesem Monat abgeschlossen. Die Vorsteherin hatte angekündigt, die Ergebnisse der Prüfung der Verwendungsnachweise sowie der Nachprüfung durch die Bezirksaufsicht anschließend im Interesse größtmöglicher
Transparenz öffentlich zugänglich machen. Einen genauen Zeitpunkt dafür nannte sie jedoch noch nicht.
Mehr über den Bezirk Spandau lesen Sie hier.