Reinickendorf
Busstation

Das ist Berlins letztes Pop-Art-Wartehäuschen aus den 70ern

| Lesedauer: 5 Minuten
Janine Richter
BVG-Mitarbeiter Alexander Schulz und Felix Schönebeck (r.) von der Kiez-Initiative „I love Tegel“ setzen sich für die einzige Pop-Art-Wartehalle Berlins ein

BVG-Mitarbeiter Alexander Schulz und Felix Schönebeck (r.) von der Kiez-Initiative „I love Tegel“ setzen sich für die einzige Pop-Art-Wartehalle Berlins ein

Foto: Janine Richter

Reinickendorfer befürchten den Abriss der einzigartigen Halle. Das Landesdenkmalamt prüft nun die Schutzwürdigkeit.

Reinickendorf. Tausende kommen täglich auf dem Weg zum und vom Flughafen Tegel an der Bushaltestelle „Luftfracht“ vorbei und haben die Wartehalle wahrscheinlich noch nicht als besonderes Relikt wahrgenommen. Alexander Schulz, Mitarbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), schon. Denn in Reinickendorf steht das letzte rote Bus-Wartehäuschen der 1970er-Jahre. Viele von ihnen prägten einst das Stadtbild West-Berlins. „Ich kenne das poppige, rote Wartehäuschen schon eine Ewigkeit. Es steht hier sehr unauffällig“, sagt der 34-Jährige. Hobbymäßig beschäftigt er sich mit dem Öffentlichen Nahverkehr und dessen Geschichte. Er ist Mitglied des 1954 gegründeten Vereins „Arbeitskreis Berliner Nahverkehr“. Ihn treibt die Angst um, dass die Wartehalle plötzlich abgerissen wird, wenn der Flughafen Tegel schließt.

„Ich habe in diversen Publikationen nachgeforscht, bin herumgefahren und habe herausgefunden, dass es das letzte Pop-Art-Wartehäuschen Berlins ist“, sagt Schulz. Laut seinen Recherchen haben einst rote Haltestellen gleicher Bauart an den Stadtautobahnen gestanden, beispielsweise zwei nahe des Goerdelerstegs und der Paul-Hertz-Siedlung in Charlottenburg-Wilmersdorf. Sie seien 2011 im Zuge der Sanierung der Kaimauern des Westhafenkanals und der Stadtautobahn weggerissen worden.

Weitere sieben Pop-Art-Wartehäuschen habe er beispielsweise an der Mecklenburgischen Straße, am Bundesplatz, am Walther-Schreiber-Platz und an der Schloßstraße gefunden. Diese seien aber verschwunden und nur durch Fotomaterial noch belegbar. „Zudem soll es im Märkischen Viertel welche gegeben haben, was bisher anhand von Fotografien noch nicht belegt werden konnte“, erzählt Schulz. Der Fotobeweis fehle auch für ein Häuschen an der Hinckeldeybrücke. In Alt-Tempelhof gäbe es noch eine Kombination aus U-Bahneingang, Imbiss und Wartehäuschen.

Wartehalle gehört der Flughafengesellschaft

„Ich will nicht, dass unsere Wartehalle plötzlich verschwindet, wie alle anderen. Ich möchte, dass das Häuschen so erhalten bleibt, wie es jetzt ist, hier oder an einem anderen öffentlichen Ort.“ Es würde beispielsweise gut an die Schloßstraße in Steglitz in die Nähe des Bierpinsels passen. „In Reinickendorf haben wir eigentlich nichts, wo es so richtig hinpassen würde. Maximal am Kurt-Schumacher-Platz vielleicht.“

Rückenwind bekommt er da auch von seinem Arbeitgeber, der die rote Bushaltestelle unter der Haltestellennummer 378 führt. „Diese Wartehalle ist schon ein sehr spezielles Relikt aus den 70er-Jahren. Und irgendwie schön, dass es so etwas noch gibt“, sagt Gerd Freitag von der BVG. Doch die Verkehrsbetriebe können sich den Erhalt nur Wünschen, aber nicht darüber bestimmen. Denn die Wartehalle gehört zum Eigentum der Flughafengesellschaft Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB). Sie ist auch für die Instandhaltung und Reinigung der Wartehalle zuständig. Der BVG gehöre lediglich die Fahrgast-Informationsvitrine im Inneren des Häuschens, die verglasten und beleuchtete „Autobus“-Anzeigen an beiden Seitenteilen und die Haltestellenpfosten. „Die Info-Vitrine werden wir selbstverständlich inspizieren und gegebenenfalls instand setzen“, verspricht er. Leider werde diese häufig beschädigt. Bei der Gelegenheit könne man auch die Autobus-Schilder behutsam restaurieren, regt Alexander Schulz an.

Die BVG plane jedenfalls gegenwärtig nicht, die Wartehalle ersatzlos abzubauen oder gegen eine „Standard-Wartehalle“ auszutauschen. Positive Signale bezüglich des Erhaltes kommen auch von der Flughafengesellschaft. Sie kümmert sich um die notwendigen Reparaturen, weil das Wartehäuschen zum Flughafengelände gehört „Erst vor drei Wochen haben wir die Bushaltestelle neu in den Originalfarbtönen streichen lassen und auch die Bank erneuert“, sagt der Sprecher. Geplant sei, die Haltestelle bis zur Schließung des Flughafens Tegel sechs Monate nach der Eröffnung des BER im Oktober 2020 in Betrieb zu belassen. „Bis dahin werden wir diese selbstverständlich mit der gleichen Liebe weiter bewirtschaften. Einen Erhalt nach Schließung des Flughafens Tegel unterstützen wir gern.“

Landesdenkmalamt prüft Unterschutzstellung

Auch das Landesdenkmalamt Berlin hat spätestens jetzt die kleine Wartehalle auf dem Radar: „Wir sind dabei den Denkmalwert des Flughafens Tegel zu prüfen. In diesem Zusammenhang wird das Wartehäuschen mit betrachtet“, versichert eine Sprecherin. Wenn es zur Unterschutzstellung des gesamten Flughafen-Areals käme, gehöre das Wartehäuschen zur Gesamtanlage dazu und werde erhalten. „Aktuell ist es unseres Erachtens aber noch nicht bedroht.“

Dass alle Beteiligten ihre guten Vorsätze nicht vergessen, dafür will Felix Schönebeck von der Kiez-Initiative „I Love Tegel“ sorgen. Alexander Schulz hat ihn um Hilfe gebeten. „Auch mir liegt das alte Stück West-Berlin am Herzen und ich möchte das kleine Denkmal als solches ausweisen lassen und dauerhaft sichern“, sagt der 28-Jährige, der gleichzeitig Bezirksverordneter der Reinickendorfer CDU-Fraktion ist. „Wir freuen uns, dass der Denkmalwert nun vom Landesamt geprüft wird. Wir wollen das Häuschen unabhängig vom Flughafen sichern“, sagt Schönebeck. Notfalls wäre auch ein anderer Standort in Berlin für die Initiative okay.

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