Reinickendorf
Kriminalität

Reinickendorf-Ost ist sicherer, als es sich anfühlt

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Janine Richter
Burkard Dregger (CDU), Mitglied des Abgeordnetenhauses, und Polizeihauptkommissar Jens Schröder vom Polizeiabschnitt 12 im Gespräch mit Bürgern

Burkard Dregger (CDU), Mitglied des Abgeordnetenhauses, und Polizeihauptkommissar Jens Schröder vom Polizeiabschnitt 12 im Gespräch mit Bürgern

Foto: Janine Richter

In Reinickendorf-Ost und Tegel wähnen sich Bürger bedroht. Laut Polizei sind die Straftaten aber rückläufig.

Berlin. Karin Rathgen fühlt sich wie viele alteingesessene Mieter nicht sicher und fremd in Reinickendorf-Ost. Vermehrt hat sie wieder von Einbrüchen im Kiez gehört. Vor Kurzem hätten Männer bei ihr geklingelt und sich als Mitarbeiter eines Telekommunikationsunternehmens ausgegeben. "Ich habe mir deshalb ein elektronisches Sicherheitsschloss einbauen lassen", sagt sie. Außerdem macht ihr Spion Fotos, wenn sie durchs Guckloch schaut. Eine Infrarotkamera schließlich erhelle ihr dunkles Treppenhaus. Sie wohnt an der Breitkopfstraße und hat einfach Angst.

Doch bei einem Kiezrundgang mit Burkard Dregger (CDU), Mitglied des Abgeordnetenhauses, und Polizeihauptkommissar Jens Schröder vom Polizeiabschnitt 12 wurde jetzt deutlich, dass das Unsicherheitsgefühl vieler Menschen täuscht. In fast allen Deliktfeldern seien die Zahlen zurückgegangen, versichert Schröder. Einzig Fahrraddiebstähle, Diebstähle von Navis und Airbags aus Fahrzeugen und Trickbetrügerei an Wohnungstüren und Telefonen nähmen stark zu. Wohnungs- und Geschäftseinbrüche sowie Raubdelikte seien rückläufig. In April und März 2018 habe es im Kiez nur fünf Raubdelikte gegeben.

Polizei: Reinickendorf-Ost ist kein Kriminalitätsschwerpunkt

"Reinickendorf-Ost ist nicht der ruhigste Bereich im Bezirk, aber von einem Kriminalitätsschwerpunkt sind wir weit entfernt", stellt Schröder klar. Bei den Einbrüchen handele es sich vorrangig um Schnellzugriffe im Erdgeschoss, über die Balkone und Fenster. "Es ist leicht einzusteigen, wenn die Leute die Fenster über Nacht auflassen", sagt Schröder. Er vermute, dass die Einbrecher Deutsche seien, die im Umfeld wohnen und schnell Laptops oder Handys zu Geld machen wollen. Denn hier sei in den Wohnungen nicht viel zu holen. "Räuberleiter und schwuppdiwupp ist alles raus. Die sind sehr leise, die kriegt man nicht mit."

Auch Drogenkonsum und -handel seien von den einschlägigen Plätzen verdrängt worden. Im Januar habe der Polizeiabschnitt mit Unterstützungseinheiten und Ordnungsamt 18 Großeinsätze durchgeführt. Kontrolliert wurden der Franz-Neumann-Platz, der Schäfersee und die Residenzstraße bis Paracelsus-Bad. Bei 87 Personen habe man die Identitäten festgestellt. Zwei Männer seien in Untersuchungshaft genommen worden. "Seitdem ist der Drogenhandel und -konsum an dieser Stelle deutlich zurückgegangen. Wir haben die Szene gut durchgemischt", so Schröder. Dealer und Konsumenten hätten sich durch die Präsenz an andere U-Bahnhöfe der U8 verzogen, beispielsweise zur Bornholmer Straße oder zum Alexanderplatz.

Die Markstraße im Blick

Vor zwei Wochen hat der Abschnitt 12 erneut die Flohmärkte an der Markstraße kontrolliert und dabei mehrere Umzugskisten mit Neuware aus einem Einbruch ins Geschäft einer Modekette sichergestellt. Hehlerei von Elektroartikeln, Kleidung und Fahrrädern sei dort das große Problem. Auch "Rocker" seien zurück in ihrem Revier an der Residenzstraße, so Schröder. Aber sie seien nicht mehr so präsent. "Wir haben das alles im Blick", sagt er beim Kiezrundgang. Einschlägige Shishabars und andere Lokale an Letteallee und Residenzstraße seien in November 2017 und Januar 2018 durchsucht worden. Dabei wurden laut Schröder nur gewerberechtliche Verstöße festgestellt.

Auch in Tegel herrscht unter Geschäftsinhabern und Bürgern das Gefühl fehlender Sicherheit. Kürzlich klärte dort Kriminaldirektor Carsten Wendt, der für Reinickendorf und Pankow zuständig ist, beim Tegeler Stammtisch im "Hax'nhaus" auf, dass dieses subjektive Unsicherheitsgefühl trügt. "Sie leben hier in einer sicheren Gegend", sagte er. Wendt war fünf Jahre lang Leiter der Kriminalpolizei Kreuzberg, Neukölln und Friedrichshain und hat den direkten Vergleich. Zudem sei er bei den Lagebesprechungen der Direktion 1 dabei.

"Die Kriminalität ist zurückgegangen", sagte er. Dies decke sich mit den berlinweiten Zahlen aus der Kriminalitätsstatistik. Es passieren seiner Aussage nach elf Prozent weniger Straftaten im Ortsteil. Das Unsicherheitsgefühl habe sich aber in Tegel durch Einzelereignisse verfestigt. Mehrere Juweliere an der Berliner Straße waren im vergangenen Jahr überfallen worden. Bei einem schweren Raubüberfall im Dezember 2017 hatte sich ein Juwelier gewehrt und dem Täter in den Rücken geschossen. "Das war schon eine sehr, sehr außergewöhnlich Straftat", gab Wendt zu. Doch seien dies Einzelfälle. 2017 habe es nur vier Raubüberfälle in Tegel gegeben. Zweimal blieb es beim Versuch. "Was die Raubtaten auf Geschäfte betrifft, leben Sie in Wolkenkuckucksheim", sagte Wendt.

Immer weniger Einbrüche in Mietwohnungen und Villen

Auch die Zahl der Raubüberfälle auf offener Straße seien zurückgegangen. Im Ortsteil Tegel habe es im Jahr 2017 44 Raubüberfälle gegeben; 2016 seien es hingegen 65 gewesen. Das entspricht einer Reduzierung um 30 Prozent. 2017 verzeichnete die Direktion 44 Geschäftseinbrüche. Bei 40 Prozent davon blieb es bei einem Versuch. Auf lange Sicht gäbe es zwar eine leichte Steigerung der Versuchstaten, aber die Täter würden vermehrt durch bessere Sicherungen abgeschreckt oder beim Versuch durch Nachbarn und Betroffene gestört.

Auch bei den Einbrüchen in Mietwohnungen und Villen gebe es "massiv sinkende Fallzahlen", sagte Wendt. Es habe 25 bis 30 Prozent weniger Einbrüche gegeben. "Im letzten Jahr haben wir im Norden eine Bande von südamerikanischen Villeneinbrechern ausfindig gemacht und konnten rund 50 Straftaten aufklären", sagte Wendt. Sein Fazit: "Wir haben die Lage im Griff." Die Zahlen der Kriminalitätsstatistik stünden eben dem Gefühl der Bürger entgegen.