Berlin. Rechte Kampfsportgruppen trainierten ohne Vertrag im öffentlichen Sportkomplex Rennbahn in Weißensee – unter Kenntnis des Senats.

Eine Boxtrainingsgruppe steht auf dem Rasenplatz des Sportgeländes Rennbahn in Weißensee und übt sich in der richtigen Haltung und Schlagtechnik. Von Weitem wirkt die Szene nicht besonders, doch bei genauerer Betrachtung gibt es Auffälligkeiten bei der trainierenden Männergruppe. T-Shirts der Marke Greifsvogel Wear oder mit der Aufschrift „Kampf der Nibelungen“ verraten, dass es sich um eine rechtsextreme Kampfsportgruppe handelt.

Im vergangenen Jahr kamen Anhänger aus verschiedenen rechtsextremen Organisationen und Parteien auf dem durch den Bezirk Pankow betriebenen Sportkomplex zusammen, um ihre Schlagkraft zu verbessern. Während das Bezirksamt keine Kenntnis solcher Trainingseinheiten hat, ist dem Senat bekannt, „dass Rechtsextremisten in der Sportanlage Rennbahn in Weißensee sporadisch trainiert haben“, wie aus einer schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Niklas Schrader und Ferat Koçak (beide Linke) hervorgeht. Sie beziehen sich in ihrem Anliegen auf einen Artikel der Plattform Indymedia, auf der erstmals über das rechtsextremistische Sporttreffen berichtet wurde.

Laut Senat keine Nutzungsrechte der Kampfsportgruppe bekannt

Mit dem Verweis auf das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmungen macht der Senat jedoch keine Angaben zu teilnehmenden Personen. Mit der gleichen Begründung bleibt auch die Frage nach der Häufigkeit solcher Treffen unbeantwortet. Für Ferat Koçak unverständlich: Er meint, es „wäre hier, trotz berechtigter Bedenken in Bezug auf Persönlichkeitsrechte, eine anonymisierte Angabe möglich und wichtig, um den Umfang des Problems einschätzen zu können“. Insgesamt bliebe der Senat in seinen Aussagen vage, wodurch der Eindruck entstehe, dass der er das Problem der rechtsextremen Kampfsportszene nur unzureichend auf dem Schirm habe.

Schmierereien auf dem Sportkomplex Rennbahn in Weißensee.
Schmierereien auf dem Sportkomplex Rennbahn in Weißensee. © Alexander Rothe | Alexander Rothe

Koçak: „Offensichtlich im Untergrund trainiert“

Noch viel wichtiger als die Frage, wer wie oft auf dem Platz 2021 trainiert habe, sei jedoch die Frage, wieso die Gruppe im öffentlichen Sportkomplex Rennbahn überhaupt trainieren durfte, obwohl der Senatsverwaltung keine Vereinbarungen oder Verträge zur Nutzung der Sportanlage oder zur Unterbringung von Sportausrüstung in den bezirklichen Räumlichkeiten bekannt sei. „Offensichtlich wurde im Untergrund trainiert“, mutmaßt Ferat Koçak. „Es scheint allerdings unwahrscheinlich, dass der dort ansässige Verein nichts mitbekommen hat. Offensichtlich wurden diese Trainings dort toleriert. Das ist ein Skandal.“

Bei den Fußballverein SV Blau-Gelb Berlin e. V., der den Rasen bespielt, auf dem auch die rechtsextreme Kampfsporttruppe trainiert hat, scheint es jedoch keine Kenntnisse über die Zusammenkunft zu geben. Zwar wird täglich auf dem Platz gespielt, doch beginnt das erste Training erst um 16:45 Uhr. „Was sich tagsüber dort abspielt, kann ich nicht sagen“, erklärt ein Vereinsmitglied, das nicht namentlich erwähnt werden möchte.

Polizei-Studie zu Gewaltprävention in Berliner Kampfsportszene

Neben der Sportanlage Rennbahn in Weißensee würden Rechtsextremisten laut Innensenatsverwaltung Kampfsporttrainings an unterschiedlichen öffentlichen Orten organisieren, ohne diese allerdings konkret zu benennen. Diese sportlichen Aktivitäten in Verbindung mit rechtsextremistischer Ideologie werden insofern als Gefahr bewertet, als dass sie zur Radikalisierung beitragen können.

Um Jugendliche von Sportaktivitäten in diesem Kontext fernzuhalten, bietet die Polizei Berlin Informationsveranstaltungen zu unterschiedlichen Themen an, besonders in Schulen. So werden präventiv „normenverdeutlichende Gespräche mit Kindern und Jugendlichen geführt.“ Zudem werde derzeit eine erste explorative Untersuchung zum Stand der Prävention von Gewalt und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auf dem Berliner Kampfsportmarkt durchgeführt, mit deren Ergebnisse Mitte 2023 zu rechnen sei.

Gemäß Ferat Koçak wäre diese Art der Präventionsarbeit besser und glaubwürdiger bei einer demokratischen und antifaschistischen Zivilgesellschaft aufgehoben. Er fordert mehr finanzielle Unterstützung für Projekte gegen Rechts. „Wir müssen vor Ort an einer demokratischen Kultur arbeiten, die für rechte Umtriebe sensibel ist, diese benennt und klar ablehnt.“

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