Von Lauterbach zu Putin

Querdenker in Pankow entdecken Ukraine-Krieg als Thema

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"Wir sind die rote Linie", verkündet ein Tross von Corona-Skeptikern in Pankow, der jeden Montag nach Prenzlauer Berg zieht. Neuerdings auch mit Wortmeldungen zum Ukraine-Krieg.

"Wir sind die rote Linie", verkündet ein Tross von Corona-Skeptikern in Pankow, der jeden Montag nach Prenzlauer Berg zieht. Neuerdings auch mit Wortmeldungen zum Ukraine-Krieg.

Foto: Thomas Schubert

Jeden Montag marschieren Corona-Skeptiker aus Pankow zur Gethsemanekirche. Dort wehrt sich eine Initiative auch gegen Putin-Parolen.

Berlin. Auch nach dem Wegfall der meisten Corona-Einschränkungen lässt eine Gruppe von Corona-Skeptikern von ihren Montagsdemonstrationen in Pankow nicht ab. Jeden Abend des ersten Tags der Woche marschiert eine Figur namens „Captain Future“, bekannt für eine Aktion zum Lied „Ein bisschen Sars muss sein“, regelmäßig an der Seite der Partei „Die Basis“ vom Pankower Anger in Richtung Prenzlauer Berg. Querdenker und Corona-Skeptiker verschiedener Couleur haben bei der Polizei unter dem Motto „Wir sind die rote Linie“ eine regelmäßige Demonstration angemeldet und ziehen mit Musik und Redebeiträgen stadteinwärts. „Masken ab!“ skandiert „Captain Future“ dabei an den Tram-Haltestellen der BVG, wo Fahrgäste noch Mund und Nase bedecken.

Am Ziel der Demonstrationsstrecke, der Gethsemanekirche, werden sie von der örtlichen Gegeninitiative bereits erwartet. Vor knapp sechs Monaten als Bewegung gegen die Vereinnahmung dieses Geschichtsorts aus dem Querdenker-Milieu gegründet, steht die Gruppe weiterhin jeden Montag unverdrossen an der Stargarder Straße, begrüßt auch namhafte Redegäste wie Marianne Birthler, die demnächst über den Mauerfall sprechen soll. Es geht um den friedlichen demokratischen Umbruch von 1989. Und um die friedliche Abwehr der Behauptung, Deutschland befinde sich aufgrund von Corona-Schutzmaßnahmen nun wieder in einer Diktatur.

Initiative in Prenzlauer Berg beobachtet „Übernahme von Putin-Narrativen“

Neuerdings wird diese Erzählung aus den Kreisen der Corona-Skeptiker aber auf neue Weise interpretiert, wie Wiebke, eine der Kundgebungsteilnehmerinnen berichtet. „Es gibt einen nahtlosen Übergang vom Corona-Thema zum Ukraine-Krieg“, sagt sie zu einem Schwenk, ,der die Initiative mit Sorge erfüllt – „wir beobachten eine Übernahme von Putin-Narrativen.“ Dazu gehört etwa die Behauptung, dass es sich beim Feldzug Russlands nicht um einen Krieg handle und dass die Russen ein legitimes Interesse haben, sich mit einem Angriff auf die Ukraine selbst zu schützen.

Mitglieder der Initiative hören verschiedene pro-russischen Parolen, die ihnen vor der Gethsemanekirche entgegengerufen werden. Auch hier ist die Lesart des Corona-Skeptiker-Umzugs, dass Deutsche die Leidtragende von fremdbestimmten politischen Entscheidungen seien. „Es ist eine mehr als grenzwertige Form von Geschichtsvergessenheit“, sagt Wiebke zur Annahme, Deutschland befände sich einer Diktatur wie zu Zeiten der DDR.

Impfpflicht, Masken, Ukraine-Krieg, Putin, Lauterbach – die Themen verschwimmen

Solange die Umzüge vom Pankower Anger zur Kirche anhalten, sieht die Gruppe keine Grundlage, ihre eigene Veranstaltungsreihe zu beenden. Und trotz des Themenschwenks zum Ukraine-Krieg bleibt die Ablehnung von Corona-Maßnahmen ein Hauptmotiv der Kolonne um Captain Future. Dass die allgemeine Corona-Impfpflicht gescheitert ist, bedeutet für sie nicht, dass die Politik keinen weiteren Versuch der Einführung plant. Auch die Absetzung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gehört zu den Kernthemen der Truppe, die immer wiederkehren. So gehen die Pankower Montagsdemos ab 18 Uhr zur Gethsemanekirche weiter – so auch heute und kommende Woche.

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