Projekt gescheitert

Bezirke stoppen Kinderimpfungen an Berliner Schulen

| Lesedauer: 6 Minuten
Biontech/Pfizer beantragt US-Notfallzulassung von Impfstoff für unter Fünfjährige

Biontech/Pfizer beantragt US-Notfallzulassung von Impfstoff für unter Fünfjährige

Die Pharmaunternehmen Biontech und Pfizer haben eine Notfallzulassung für ihren Corona-Impfstoff in den USA für Kinder unter fünf Jahren beantragt. Das Vakzin soll für Kinder im Alter von sechs Monaten bis einschließlich vier Jahren eingesetzt werden können, teilten die Firmen mit.

Beschreibung anzeigen

Zu viel Aufwand und ineffektive Durchführung: Senat und Bezirke stoppen Impfung an Schulen. Pankow will nun Kinder im BVV-Saal impfen.

Berlin. 
  • Seit Mitte Dezember konnten Kinder an zwölf Schulen geimpft werden.
  • Nur wenig später wurde das Projekt vielerorts gestoppt.
  • Dennoch seien Kinderimpfungen weiter sinnvoll.

Die Idee war, den Corona-Impfstoff zu den Kindern zu bringen: Mit viel Optimismus startete Mitte Dezember eine Kampagne, um an zwölf Schulen in den Bezirken möglichst viele junge Berliner im Alter von fünf bis elf Jahren mit dem Biontech-Vakzin zu versorgen. Doch nun wird bekannt: Schon kurz nach Neujahr erklärten mehrere Schulstadträte das Projekt für gescheitert. In einer Videoschalte mit der Senatsgesundheitsverwaltung sei schnell klar gewesen, dass es an der Fortführung der Kampagne kein Interesse gibt, sagt Pankows Schulstadträtin Dominique Krössin (Linke) – jedenfalls nicht in dieser Form.

„In dieser Runde ist das Vorhaben, wie es weiter geplant war, indem man durch verschiedene Schulen der Bezirke zieht und weiterimpft, gestoppt worden. Ein Großteil der Stadträte, und ich auch, haben gesagt: Das Verhältnis von organisatorischem Aufwand und der Zahl der Impflinge ist so, dass man sagen muss, es lohnt sich nicht“, berichtet Krössin. Nach jetzigem Stand sei das Vorhaben „beerdigt“ – auch wenn man im Bezirksamt Pankow Kinderimpfungen immer noch für sinnvoll hält. Kritisch sieht man nur den bisherigen Modus.

Corona: Berliner Senat bezweifelt, dass Impfstoff im Müll landete

„An einer Schule 40 bis 50 Kinder am Tag zu impfen, stand in keinem Verhältnis zur unfassbar aufwendigen Logistik. Einen Raum mit 15 Ärzten bereitzustellen für eine bestimmte Öffnungszeit ist nicht so effektiv, wie man es sich wünscht“, bewertet die Pankower Stadträtin das Konzept. „Schulen sind keine ausgebauten Impfzentren, wo die Prozesse schnell genug gehen.“

Bei der Gesundheitsverwaltung, geführt von Grünen-Senatorin Ulrike Gote, bestätigt eine Sprecherin, dass Corona-Impfungen an Schulen nicht mehr stattfinden und auch keine neuen Versuche an Lernorten geplant sind. Zugleich zeichnet die Sprecherin ein optimistischeres Bild zum ausgelaufenen Projekt und sagt: „Die Impfaktionen in den Schulen wurden insgesamt gut angenommen, jedoch in den Berliner Bezirken unterschiedlich stark nachgefragt. Die Bezirksämter haben seitdem auf unseren Wunsch hin andere Impforte für Kinder-Impfungen benannt, die für größere Impfaktionen noch besser geeignet sind.“


Corona in Berlin, Deutschland und der Welt - mehr zum Thema

Pankow wartet seit Wochen auf Bestätigung des eigenen Standortvorschlags

Einen neuen Standortvorschlag haben auch Dominique Krössin und das Bezirksamt Pankow sofort geliefert: Den BVV-Saal an der Fröbelstraße in Prenzlauer Berg. Weil die Bezirksverordneten während der Omikron-Welle fast nur noch digital tagen, wäre dieser größte Veranstaltungsraum im Bezirk frei. Und aus Sicht von Krössin eine passende Örtlichkeit zum Aufbau eines Kinderimpfzentrums, das effektiver funktioniert als eine Schulaula oder ein Klassenzimmer. Allerdings gibt es laut Bezirksamt zu diesem Vorschlag seit Wochen keine Bestätigung von der Gesundheitsverwaltung – sodass Kinderimpfungen im schülerreichsten Bezirk nur noch in Kinderarztpraxen stattfinden. Diese wiederum sind mit ihrem regulären Betrieb stark ausgelastet.

Bei der Senatsgesundheitsverwaltung heißt es zum neuen Vorstoß aus Pankow, den BVV-Saal zum Kinderimpfzentrum aufzurüsten, nur: „Der Vorschlag wird derzeit geprüft.“ Interessierte Familien verweist die Sprecherin an die Impfzentren im ICC Berlin, an der Messe, am Flughafen Tegel und an die Kinderimpfstelle am IKEA-Möbehaus in Lichtenberg. Überall sei eine Terminbuchung einfach online oder telefonisch möglich unter (030) 90 28 22 00.

Im kinderreichen Pankow, wo keine einzige Anlaufstelle mehr existiert, möchte man trotzdem möglichst bald eine Alternative zum weggebrochenen Schulimpfen schaffen. Hier hatte man das Projekt, das auch die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) persönlich vorangetrieben hatte, in der Schule am Senefelder Platz gestartet. Allerdings war die Kampagne so holprig angelaufen, dass dem Vernehmen nach Eltern persönlich fehlende Spritzen beschaffen mussten. Trotz anfänglicher Material- und Personalprobleme wurden in der Schule am Senefelder Platz vom 15. bis zum 19. Dezember 2021 rund 300 Kinderimpfungen verabreicht. So lautet die offizielle Bilanz der Gesundheitsverwaltung.

Keine Störung der Kinderimpfung durch Querdenker bekannt

Schulstadträtin Krössin war in dieser kurzen Laufzeit des Projekts vor Ort und gewann nicht den Eindruck, dass sich eine Fortführung unter den Bedingungen lohnt. Immerhin gab es hier in Prenzlauer Berg keinen Widerstand gegen das Kinderimpfen durch Kritiker aus dem Querdenker-Milieu, wie es andernorts in Deutschland zu beobachten war. Von Protesten vor den Schultoren sei nichts bekannt, sagt Krössin. Als Grund für das Scheitern sieht sie ausschließlich organisatorische Probleme. Das Interesse an Kinderimpfungen für Fünf- bis Elfjährige schätzt die Stadträtin als hoch genug ein, dass ein erneuter Anlauf an einem besser geeigneten Ort Sinn ergibt.

Unterdessen hat auch die Berliner CDU-Abgeordnete Sandra Khalatbari mit einer Anfrage Aufklärung zum Status des Schulimpfprojekts gefordert. In seiner Auskunft bestätigt Staatssekretär Thomas Götz das Aus für dieses Vorhaben. Daten zu den Kosten des Versuchs sind laut Götz noch nicht verfügbar, weil die Abschlussrechnung aussteht. Dass größere Mengen an Impfstoff aus mangelnder Nachfrage im Müll gelandet sind, bezweifelt der Staatssekretär. Impfstoff-Behälter würden erst dann geöffnet, wenn eine ausreichende Anzahl von Personen vor Ort sind, um die vorhandene Impfstoffmenge zu verwenden. „Die Impfprozesse des Landes Berlin sind derart gestaltet, dass Impfstoffverwurf weitgehend ausgeschlossen wird“, betont er in seinem Bericht.

Weitere Nachrichten aus Pankow lesen Sie hier