Im Bürgerforum der Initiative „Pankow sagt nein zum Flughafen Tegel“ zeigt sich das Misstrauen gegen den Starttermin des BER.

Unter dem massiven Dach der alten Dorfkirche war es still genug, um zu reden. Und Gesprächsbedarf gab es beim Bürgerforum der Initiative „Pankow sagt nein zum Flughafen Tegel“ bis spät in den Abend. Vor der Kirche am Anger – mitten in der Einflugschneise – herrschte nach der Veranstaltung auch nicht mehr Stille als zuvor. Selbst zwischen 23 Uhr und 6 Uhr, wenn am wichtigsten Airport Berlins das Nachtflugverbot greifen sollte, setzten 10.123 Flieger pro Jahr dank Ausnahmegenehmigungen zur Landung an. Egal ob der neue Hauptstadtflughafen BER wie versprochen im Oktober 2020 eröffnet: aus Pankow dürfte es bis dahin Klagen geben. Der Grundstein dafür ist ein juristischer Kniff der Initiative.

Juristische Kettenreaktion soll Nachtflüge stoppen

„Wir haben in den Haushalten 10.000 Postkarten mit der Forderung nach der Einhaltung der Nachtruhe verteilt und darum gebeten, sie ausgefüllt an die oberste Luftfahrtbehörde zu schicken“, beschreibt Mitgründerin Gunda Ukener die Kampagne. Mehr als 1000 Pankower sendeten ihre Karten bislang ein – und erhielten ein Formschreiben der zuständigen Senatsverwaltung für Verkehr zurück. Wenn nachts aber weiterhin keine Ruhe herrscht, können sich die Absender auf das Formschreiben berufen und gegen Nachtflüge in Tegel klagen. „Sobald auch nur ein einziger vor Gericht recht bekommt, werden die Schleusen geöffnet. Dann muss man alle betroffenen Bürger schützen“, beschreibt Initiativen-Mitglied Berend Hendriks die erhoffte Kettenreaktion. Schon jetzt gehe es darum, möglichst viel juristischen Druck aufzubauen. Zu Silvester endet die jetzige Ausnahmeregelung. Danach stehen den Bewohnern in der TXL-Einflugschneise nach Auffassung der BI Lärmschutzmaßnahmen zu.

„Bin fassungslos, wie stark die Zahl der Starts und Landungen gestiegen ist“

Unabhängig von der Postkartenkampagne war bei der Versammlung das Misstrauen der Anwohner gegen den Start des Flugbetriebs am BER und der Schließung von Tegel im Oktober 2020 greifbar. Aus dem Publikum gab es entrüstete Wortmeldungen von Pankowern, die vor vielen Jahren im Glauben hierhin gezogen waren, dass Tegel kurz darauf schließen wird.

Pankow gegen Tegel: In der Dorfkirche verfolgten mehrere Hundert Teilnehmer die Debatte und beklagten sich über Krach, der sie um den Schlaf bringt.
Pankow gegen Tegel: In der Dorfkirche verfolgten mehrere Hundert Teilnehmer die Debatte und beklagten sich über Krach, der sie um den Schlaf bringt. © Thomas Schubert

„Seit 2004 wohne ich hier. Und bin fassungslos, wie stark die Zahl der Starts und Landungen gestiegen ist“, sagte zum Beispiel Alexander Maus. Dabei liegt für ihn und viele andere Betroffene eine einfache Lösung auf der Hand: Es müssten mehr Fluglinien nach Schönefeld wechseln. Zumindest Nachtflüge mit Ausnahmegenehmigung sollten den kleineren Airport nutzen müssen, schlug ein anderer Gast des Forums vor. „Warum leiten wir nicht alle Flieger um?“, rief er.

Verkehrssenatorin sagte die Teilnahme am Forum ab

Antworten sollte eigentlich Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) geben. Laut der Veranstalter habe sie aber einen Tag vor dem Forum abgesagt. So blieb die Bühne zum Beispiel dem Bundestagsabgeordneten der Linken, Stefan Liebich, überlassen. Als Experte für Außenpolitik sei er selbst häufig auf Flugzeuge angewiesen – und leide als Pankower zugleich unter dem Lärm. „Ich bin mit schuld, dass geflogen wird. Und ich fliege so tief, dass ich von oben meinen eigenen Balkon sehen kann“, beschreibt er sein Dilemma. Liebich unterstützt Bemühungen um einen verschärften Lärmschutz im Bund. „Aber der beste Lärmschutz ist, wenn Tegel geschlossen“, erklärte er zum beschlossenen Aus bei Inbetriebnahme des BER.

Pankower sollen Recht auf Stille durchsetzen

Stefan Gelbhaar, der Bundestagsabgeordnete der Grünen, kündigte an, dass die rot-rot-grüne Landesregierung eine Erhöhung der Lärmentgelte bei Ausnahmegenehmigungen für späte Flüge nach Hamburger Vorbild auch für Berlin anstreben will. Ansonsten ermunterte er die Pankower, das eigene Recht auf nächtliche Stille durchzusetzen – „Druck und Klageandrohung hilft!“

„Egoismus ist kaum auszuhalten“

Als Tegel-Gegner aus der Landespolitik versuchte sich der SPD-Abgeordnete Jörg Stroedter zu profilieren. Er plädierte für ein Verbot aller innerdeutschen Flüge und eine drastische Verteuerung des Kerosins. Einen Teil der Nachtflüge könne man den Berlinern ersparen, wenn man das bereits fertige Regierungsterminal am BER eröffnet. Dann würden wenigstens diese dienstlichen Flüge nachts in Schönefeld landen. Zugleich wies Stroedter darauf hin, dass es beim Volksentscheid über die Offenhaltung von Tegel eine Mehrheit der Berliner an TXL festhielt. Den Unterstützern, die kurze Wege schätzten, warf der SPD-Mann Bequemlichkeit vor – „dieser Egoismus ist kaum auszuhalten“, schimpfte er.

Flugfeindlichkeit der Redner sorgt für Erstaunen

Im Publikum sorgte die geballte Flugfeindlichkeit der Redner für Verwunderung. Ein Gast wollte es genau wissen und fragte, warum sich die nächtlichen Landungen trotz des Einklangs von Politikern der SPD, Grünen und Linken seit Jahren nicht stoppen ließen? Immerhin liege es in ihrer Macht, die Situation mit einer Verschärfung der Bestimmungen in Berlin zu ändern.

Nachtflüge in Tegel wegen Kapazitätsproblemen?

Sozialdemokrat Stroedter berief sich darauf, dass Bundes- und Europarecht die landespolitischen Bemühungen aussteche. Auch innerhalb der Flughafengesellschaft müsse man den Bund und Brandenburg als Miteigentümer überzeugen, gab er zu bedenken. „Das Grundproblem ist einfach, dass man den Flugplan bei einem Airport, der für 8 Millionen Fluggäste pro Jahr ausgelegt ist, aber über 20 Millionen befördern muss, nicht einhalten kann.“

Ob Initiativen-Sprecherin Gunda Ukener an eine Schließung von Tegel im Herbst glaubt glaubt? Trotz der eigenen Bemühungen blieb auch sie am Ende vorsichtig und sagte: „Auf Prognosen lasse ich mich nicht ein. Ich glaube es erst, wenn der letzte Flieger über Pankow schwebt – und dann Stille herrscht.“