Alte Pappeln und kranke Kastanien können extremen Wetterereignissen schlechter widerstehen. Es wird mit neuen Arten experimentiert.
Unter den Linden, Kastanien- oder Pappelallee – es sind altehrwürdige Bäume, die Berlins Straßen ihre Namen geben. Mit ausladenden Kronen spenden sie Schatten, prägen den Charakter der Kieze und begründen den Ruf der Hauptstadt als grüne Metropole. Aber sind Linde, Kastanie und Pappel auch in der Lage, den Klimawandel zu überleben? Halten sie Dürreperioden und Starkregenereignissen stand?
Amberbaum als Alternative zur Pappel
Im Straßen- und Grünflächenamt Pankow ist die Erkenntnis herangereift, dass ein Austausch von empfindlichen Bäumen sinnvoller sein könnte als die Pflege von immer kränkeren Gehölzen. „Wir wollen auf Baumarten setzen, die passend für den Standort sind“, sagt Amtsleiter Andreas Johnke. Dabei gehe es nicht nur um klimatische Veränderungen, sondern auch um Lichtverhältnisse, die Bodenbeschaffenheit und die Lage von Leitungen im Untergrund. Wo heute eine alte Pappel aufragt, findet man womöglich bald einen Amberbaum – ein Gehölz, dessen Saft früher im Süden der USA zur Herstellung von Kaugummi diente.
Bäumen in Prenzlauer Berg steht der natürliche Tod bevor
Laut Johnke stehen in vielen Straßen Veränderungen bevor – aus natürlichen Gründen. „Eine Pappel kann 40 bis 50 Jahre alt werden. Dann fällt sie einfach um“, gibt er zu bedenken. Und an vielen Stellen sei dieser Zeitpunkt fast erreicht. Deshalb plant das Amt „einen Austausch von Straßenbäumen, die nur noch geringe Entwicklungsmöglichkeiten besitzen. Sie sollten durch klimaverträgliche, robustere Baumarten ersetzt werden“, heißt es in einer Mitteilung des Bezirksamts.
Experimente mit südlichen Bäumen dank milderer Winter
Wie ein „Umbau“ des Straßenbaumbestandes ablaufen könnte, hat das Amt nun bei einem Ortstermin mit Anwohnern in Prenzlauer Berg skizziert. Hier steht derzeit die Fällung von insgesamt 42 Bäumen an der Driesener und der Seelower Straße zur Diskussion, wovon 40 ersetzt werden sollen. Es geht um Pappeln und Weiden, die Platz machen sollen für resistentere Gehölze – zum Beispiel die Hainbuche und den Französischen Ahorn, eine Art, die vor allem im Mittelmeerraum zu Hause ist. „Noch vor zehn Jahren, als es richtige Winter gab, wäre der hier nicht klargekommen“, sagte Landschaftsarchitektin Brigitte Gehrke beim Rundgang mit Anwohnern. Jetzt sei die Lage eine andere. Welche Baumart passt an welche Stelle? Eine Faustregel gibt es nicht. In Pankow soll der Praxistest zeigen, welche Pflanze wo gedeiht. Das Grünflächenamt versteht die Maßnahme als Experiment.
35 Prozent der Berliner Bäume sind Linden
Für den Derk Ehlert, den Umweltexperten des Berliner Senats, ist das nichts Neues. Schon seit Jahren sind solche Versuche auch in anderen Bezirken im Gange. Das Ziel: Eine neue, gesündere Mischung für die 435.000 Straßenbäume zu finden. Dafür habe man Unterarten der bislang vorherrschenden Baumsorten angepflanzt, die mehr Widerstandskraft versprechen. 35 Prozent aller jetzigen Straßenbäume in Berlin seien Linden, 20 Prozent Ahorne und 10 Prozent Eichen, rechnet Ehlert vor. Als problematisch gelten tatsächlich Pappeln – „sie neigen dazu, mit ihren Wurzeln das Gehwegpflaster anzuheben“, weiß Ehlert. Wegen der hohen Belastung, zum Beispiel durch Hundeurin und Druck auf die Wurzeln, würden Bäume in der Stadt nicht annähernd so alt wie im Wald.
Schäden des Dürresommers zeigen sich erst jetzt
Miniermotten zerfressen die Blätter der Kastanien, Platanen leiden an Massaria, der Stadtverkehr rafft Birken dahin. Und trotzdem hängen die Berliner an ihren alten Bäumen. Exotische Ersatzpflanzungen müssen es aus Ehlerts Sicht auch nicht sein. Das Kriterium sei unverändert: „Sie müssen standorttypisch sein. Das heißt, dass sie sich mit den hiesigen Böden vertragen und von Insekten angenommen werden“, erklärt der Experte. Ob der Amberbaum eine Alternative sein kann? „Er neigt dazu, in die Horizontale zu wachsen“, wendet Ehlert ein. Das könne für die Verkehrssicherheit problematisch werden – aber die Herbstfärbung sei ausgesprochen schön.
Welche Schäden durch den vergangenen Dürresommer aufgetreten sind, hat der Senat noch nicht ermitteln können. Zum einen kommen die Bezirke beim Dokumentieren der Schäden nur langsam voran. „Zum anderen werden die Folgen erst später deutlich“, berichtet Ehlert. Ein deutliches Zeichen sei die Wipfeldürre.
Fällung nur mit Zustimmung der Anwohner
Den Pappeln und Weiden in Prenzlauer Berg sind Schäden jedenfalls kaum anzumerken. Wohl auch deshalb wehren sich Anwohner gegen die geplanten Fällungen in der Driesener und Seelower Straße. Mehrfach wurde beim Rundgang der Vorwurf laut, das Grünflächenamt wolle auf pflegeleichte Baumarten umsatteln, weil Budget und Personal für die jetzigen Bäume nicht ausreicht. Amtsleiter Andreas Johnke bestreitet energisch, dass der Baumaustausch aus Spargründen geschehen soll. „Als Gärtner sind wir Überzeugungstäter. Es geht nicht darum, dass wir wenig Arbeit haben wollen“, stellt er klar. Ob Pankow wirklich 42 Pappeln und Weiden fällen lässt, ist noch nicht entschieden. Gegen den erklärten Willen der Nachbarn werden keine Bäume gefällt, betont Johnke. Erst wenn die Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben ist, führt kein Weg am radikalen Schnitt vorbei.