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Mit diesem Trick soll der Kiezladen "Lekr" gerettet werden

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Van Dan Le hat bisher nur Steckerleisten im Sortiment, aber verkauft demnächst vielleicht Strom für Elektroautos.

Van Dan Le hat bisher nur Steckerleisten im Sortiment, aber verkauft demnächst vielleicht Strom für Elektroautos.

Foto: Thomas Schubert

Kiezgeschäft als Stromversorger: Freunde des „Lekr“-Markts wollen den Shop neu erfinden. Doch der Senat erkennt das nicht an.

Berlin. Steckerleisten mit Knöpfen zum Stromsparen? Die hat Van Dan Le schon im Sortiment. Saft verkauft er sowieso. Und wenn es nach einer Anwohnerinitiative aus dem Bötzowviertel geht, könnte Les Kiezsupermarkt „Lekr“ bald den Handel revolutionieren. Hier soll der erste Berliner Gemischtwarenladen mit angeschlossener Elektrotankstelle entstehen.

Erst war es ein witziger Einfall - aber jetzt wird die Sache ernst. „Herr Le hat bereits bei Stromanbietern wie Vattenfall angefragt und prüft, was sich machen lässt“, erklärt Stefan Gehrke, einer der Väter dieser Idee. „Viele haben sich geärgert, dass ein kleiner Supermarkt sonntags geschlossen bleiben muss, aber Tankstellenshops offen haben. Jetzt wollen wir ernsthaft herausfinden, was wäre, wenn der ,Lekr‘ eine E-Tankstelle eröffnet.“ Gehrkes Initiative, die Unterschriften gegen die Sonntagsschließung von Les Laden gesammelt hat, spricht ihrerseits mit Verbänden, Stromerzeugern und Start-ups.

Und der gebürtige Vietnamese schaut nicht zu, was dabei herauskommt, sondern plant aktiv mit. Er sagt: „Viele Unterstützer haben meine Frau und mich gefragt, ob wir nicht etwas Neues versuchen wollen. Eine normale Tankstelle vor dem Laden geht ja schlecht. Aber eine Tankstelle für E-Fahrräder oder Autos vielleicht schon.“

Le hat Kybernetik studiert und arbeitete zu DDR-Zeiten in einem Ingenieursberuf. Sein technischer Sachverstand könnte sich jetzt wieder bezahlt machen. „Mit Elektrik kenne ich mich gut aus“, merkt der Geschäftsmann an, während er Regale mit Suppendosen und Saucen auffüllt. Die kleine Handlung ist bis unters Dach mit Windeln, Weinen und Hunderten anderen Produkten gefüllt. Ob er auch noch den Bürgersteig bespielen kann? Van Dan Le traut es sich zu.

Mobile Ladestation könnte die Lösung sein

Offen bleibt, welche technische Lösung man für die E-Tankstelle wählt. Entweder beschränkt sich Le auf Ladestationen für Elektroräder oder er setzt auf Zapfsäulen für Elektroautos. Oder er beschafft ein System, das sich flexibel einsetzen lässt und keine baulichen Veränderungen braucht. Womöglich geeignet wäre zum Beispiel ein flexibles Ladegerät, das so klein ist wie ein Fahrradanhänger. Mit solchen mobilen Anlagen könne man ein Auto in zwei Stunden laden, meint Stefan Gehrke. Dafür bräuchte man natürlich wiederum zwei Pkw-Stellplätze, die für das „Auftanken“ von elektrisch betriebenen Pkw reserviert sind. Eventuell ließe sich ein Carsharing-Anbieter, der vor dem Laden vier Parkbuchten reserviert hat, überzeugen, mit „Lekr“ zu kooperieren. „Gerade in unserem Viertel könnte ich mir vorstellen, dass viele Leute Interesse an einem E-Auto haben, aber wegen der fehlenden Parkplätze mit Ladestationen keins kaufen“, sagt Gehrke zur Situation. Und die zentrale Lage des „Lekr“ an der Ecke Hufeland- und Bötzowstraße könnte sich als Trumpf erweisen.

Aber noch ist da eine wichtige Frage zu klären: Darf ein Laden mit Elektrozapfsäulen die gleichen Privilegien genießen wie eine herkömmliche Tankstelle mit angeschlossenem Shop? Darf ein inhabergeführter Laden sonntags ebenso öffnen wie eine Anlage mit Zapfstationen, die nebenbei auch Chips und Brötchen verkauft? Ja, meint Stefan Gehrke. Er beruft sich auf eine Entscheidung des Landgerichts in Dresden, wonach E-Tankstellen und solche, die Benzin und Diesel verkaufen, den gleichen Status haben – also auch am Sonntag bestimmte Lebensmittel verkaufen dürfen.

Nein, sagt die Senatsverwaltung für Soziales. "Eine Tankstelle ist gemäß des Berliner Ladenöffnungsgesetzes eine Verkaufsstelle, die der Abgabe von Betriebsstoffen und Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge dient. Die Anlage oder Einrichtung muss also in erster Linie für die Betankung von Kraftfahrzeugen mit Treibstoff bestimmt sein", wendet Sprecherin Karin Rietz ein. Als Treibstoff gelten Benzin, Diesel, Motorenöl, sonstige Kraft-und Schmierstoffe, Frostschutzmittel, destilliertes Wasser für Batterien, Reinigungsmittel und sogar Preßluft. Aber kein Strom. Wenn der "Lekr" also als E-Tankstelle sonntags seine Waren verkaufen wollte, müsste man gegen diese Auslegung der Regeln klagen.

Das Schicksal des Van Dan Le, der für seinen kleinen Laden lebt, liefert inzwischen sogar Stoff für eine Geschichte. Der Filmemacher und Anwohner Andreas Scheffer ließ sich von Le inspirieren und drehte den Streifen „Longs Laden.“ Die Handlung spielt zwar in Neukölln – aber Herr Le ist die Blaupause für den Protagonisten. Scheffer stieg in die Hilfskampagne von Stefan Gehrke mit ein und ist nun einer der Köpfe der E-Tankstellen-Idee. Statt eine Ausnahme für die Ladenöffnung eines einzelnen Shops zu erwirken, meint Scheffer, gehe es jetzt darum, die vorhandenen Ausnahmen des Ladenöffnungsgesetzes geschickter zu nutzen.

Junge Liberale setzen sich für Kiezhändler ein

Ob die Filmgeschichte im wahren Leben ein glückliches Ende nimmt? Den „Kaufmann von nebenan“, wie Le sich laut einem Schild über der Kasse nennt, hat das strenge Durchgreifen des Bezirksamts Pankow hart getroffen. Seit einer Kontrolle an einem Sonntag im vergangenen Herbst, muss der "Lekr" zur umsatzstärksten Zeit wirklich geschlossen bleiben.

Unterdessen melden immer mehr Läden in Pankow, die das Ladenschlussgesetz bislang umgangen haben und nie kontrolliert wurden, dass sie jetzt sonntags Besuch vom Ordnungsamt bekommen. In anderen Bezirken wie zum Beispiel Mitte bleiben aber zahlreiche Geschäftsleute, die sonntags öffnen, unbehelligt, wundert sich der Vorsitzende der Jungen Liberalen in Berlin, David Jahn. Dass die Läden nach jetzigem Recht am siebten Tag der Woche geschlossen bleiben müssen, sei zwar formell richtig. „Absurd wird es aber, wenn es vom jeweiligen Bezirksamt abhängt, wer öffnen darf und wer nicht.“ Auch deshalb fordert Jahn im Namen der FDP: „Alle sollten selbst bestimmen dürfen, wann sie offen haben und wann nicht.“