Berlin. Am Estrel-Hochhaus an der Sonnenallee wird ein neues Quartier am Wasser gebaut - mit Promenade und viel Kultur. Die Pläne im Detail.

Wer einmal in London war, dürfte die Docklands kennen: Das frühere Hafengelände im Osten der Stadt ist heute eine der modernsten und begehrtesten Immobilienlagen der Welt, samt Wolkenkratzern. Ähnlich könnte es bald in Berlin-Neukölln nahe der Sonnenallee aussehen: Neben dem Estrel Tower, der derzeit auf bis zu 176 Meter Höhe gebaut wird, soll ein neues Hafenviertel entstehen: die Docks Neukölln.

Oder „DOXS NKLN“, wie es der Projektentwickler Trockland nennt. Am Neuköllner Schifffahrtskanal sollen auf 30.000 Quadratmetern Büros und ein Hostel, aber auch Restaurants, Ateliers, Museen und eine Kita entstehen. Das Motto soll „Hafen der Kulturen“ lauten. Baubeginn könnte kommendes Jahr sein, die Fertigstellung bis Mitte 2026 erfolgen. Die Morgenpost erhielt vorab Einblicke in die Projektplanung.

100 Prozent Zustimmung von den Behörden

„Wir arbeiten an dem Projekt seit einem Jahr, waren in Abstimmung mit den Behörden und bewusst ein bisschen zurückhaltender, bis wir ein deutliches Signal bekommen haben, dass die gemeinsam erarbeiteten Eckpunkte für das Projekt 100 Prozent Zustimmung bekommen“, sagt Barbara Sellwig, Projektleiterin beim Immobilienentwickler Trockland. „Jetzt können wir an die Öffentlichkeit gehen.“

Eine Animation der Uferpromenade des Bauprojekts
Eine Animation der Uferpromenade des Bauprojekts "DOXS NKLN", das bis 2026 am Schifffahrtskanal in Berlin-Neukölln entstehen soll. © Trockland

Vielen Menschen dürfte nicht einmal bewusst sein, dass Neukölln einen Hafen hat, wenn dort nicht gerade wieder ein Recyclinghof brennt. Nun wird aus einem der Schrottplätze dort ein neues Quartier, auch für die Öffentlichkeit. „Unser Konzept sieht vor, dass wir einen Uferweg von der Sonnenallee durch unser Grundstück bis zum Kiehlufer erstellen“, sagt Sellwig. „Es wird auch ein großer Stadtplatz entstehen, der offen ist, sodass das Grundstück von allen Seiten betreten und gelebt werden kann.“

Jeder kann die Bühne mit Gitarre nutzen

Animationen zeigen einen sehr ambitionierten Entwurf mit Kränen, Sonnendach und Amphitheater. Sellwig sagt, man nehme dabei „Bezug auf die Geschichte des Hafens von Neukölln und Material, das vorhanden ist.“ Die zwei Portalkäne dort würden wieder mit eingebunden. „Der ursprüngliche Hafen-Charakter soll beibehalten und in der Architektur und Struktur aufgenommen werden, etwa im Tragwerk.“

Sellwig kündigt an, Kunst und Kultur ins Quartier holen zu wollen. „Wir wollen eine Durchmischung haben und eine Lebendigkeit.“ Dazu gehören große Treppen zum Sitzen, die wie ein Amphitheater angeordnet sind mit Bühne in der Mitte. Die könne jeder nutzen, wer eine Gitarre und Verstärker mitbringe, könne dort spielen. Auch Weihnachtsmärkte oder eine Skateboard-Anlage seien denkbar.

Eine Animation der Treppen und der Bühne beim Bauprojekt
Eine Animation der Treppen und der Bühne beim Bauprojekt "DOXS NKLN", das bis 2026 am Schifffahrtskanal in Berlin-Neukölln entstehen soll. © Trockland

Was das Ganze kostet, will Trockland nicht verraten. „Wir gehen mit Zahlen und Kosten nicht an die Öffentlichkeit“, sagt Sellwig. „Natürlich muss sich das auch für uns finanzieren.“ Es werde daher auch produzierendes Gewerbe und Start-Ups dort geben. Aber auch ein Hostel, das hoffentlich Schulklassen besuchen und den Bezirk besichtigen werden. „Auch eine Kita war von vorneherein eingeplant.“

„Die Bilder machen etwas her, die Architektur direkt am Wasser, das finde ich spektakulär“, sagt der künftige Betreiber des Nena Hostels, Florian Wichelmann von der Vermietungsfirma Nena Hospitality. Er kann noch nicht sagen, was ein Hostelbett kosten wird, aber schätzt im Durchschnitt knapp über 30 Euro. Die Lage sei gut für ein Hostel, der Bezirk bei jungen Leuten beliebt, die Ringbahn nicht weit entfernt.

Bauboom im Südosten Berlins

Generell entsteht rund um den S-Bahnhof Sonnenallee vieles: Auf dem gegenüberliegenden Ufer zieht wohl im September die private Hochschule SRH in einen Neubau ein, „The Shed“ genannt, der mit einer Baracke hat der so wenig zu tun wie der neue Turm des Estrel-Hotels am Schifffahrtskanal. Die geplante Verlängerung der A100 in der Nähe dürfte zum Bauboom im Südosten, speziell in Neukölln, beitragen.

„Das wird direkt neben dem Estrel bauen, ist zunächst einmal Zufall“, versichert Sellwig. Man sei aber in den Dialog mit allen Nachbarn gegangen, Hotel, Bauunternehmern, Papierherstellern und anderen Firmen. „Die Freundlichkeit, die uns in Neukölln entgegengebracht wird, hat mich wirklich umgehauen“, sagt sie.

Werden Nachbarn verdrängt - oder nur Schrott?

Allerdings begrüßt nicht jeder das neue Quartier. „Was rund um den Estrel-Tower geplant wird, ist eine krasse Parallelwelt“, kritisiert Carla Aßmann von der Links-Fraktion Neukölln. Der Bezirk brauche keine weiteren Hotels, riesige Büroflächen und teure Wohnungen. „Diese Raumschiffprojekte werden neben Neuköllns ärmsten Nachbarschaften hochgezogen, der Weißen Siedlung und der High-Deck-Siedlung.“ Aßmann fürchtet, dies führe zu Verdrängung, erst aus dem öffentlichen Raum und später aus Wohnungen.

Projektentwickler Trockland hingegen betont: „Wir wollen niemanden verdrängen, sondern die Gegend aufwerten“, sagt Sellwig. Viele Nachbarn drumherum seien begeistert, dass sich die Ziegrastraße weiterentwickele und ein Ort für Neuköllner entstehe. Und zunächst wird hier nur Schrott verdrängt. Und nachhaltig soll der Bau sein, mit wenig Versiegelung, Versickerungsflächen und Solaranlagen.

Mitte 2026 eröffnet das Quartier - aber ohne Ruderer

„Wir haben derzeit noch unseren Mieter Alba, der ist bis September mit seinem Schrottplatz bei uns“, erklärt Sellwig das weitere Vorgehen. Parallel müsse man den Bauantrag fertigstellen, „den wir hoffentlich im Oktober einreichen können. Dann könnte, wenn alles gut läuft, in sechs Monaten die Baugenehmigung vorliegen und wir könnten im April nächsten Jahres anfangen zu bauen.“

Mitte 2026 könnten die ersten Mieter und Besucher das Quartier bevölkern. Nur eines wird fehlen aus den Animationen: Die Ruderboote auf dem Wasser. Der Schifffahrtskanal bleibt eher ein Industriegewässer.

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