Verwahrlosung

Probleme mit illegalem Sperrmüll in Neukölln immer schlimmer

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Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) mit Aufräum-Maskottchen „Lilo“ vor einem abgestellten Sofa. Dessen Entsorgung kostet 375 Euro.

Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) mit Aufräum-Maskottchen „Lilo“ vor einem abgestellten Sofa. Dessen Entsorgung kostet 375 Euro.

Foto: Patrick Goldstein

In Neukölln gibt es einen erheblicher Anstieg von illegal abgeladenem Sperrmüll. Kosten für die Beseitigung: 1,2 Millionen Euro.

Berlin. Wenn es nicht so erschreckend wäre, man müsste lachen: Ein kurzer Gang durch die Nebenstraßen Neuköllns, und binnen fünf Minuten hat man das Grundmobiliar für ein Wohnzimmer beisammen. Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) ist an diesem späten Montagmittag unterwegs zwischen Tempelhofer Feld und Hermannstraße, um wilde Müllkippen zu markieren. Und er wird schneller fündig als er erwartet hatte. Innerhalb kaum eines Kilometers stößt er auf einen Fernseher, ein Sofa, eine Matratze. Derlei Rücksichtslosigkeit kostete den Bezirk im vergangenen Jahr 1,2 Millionen Euro. Und nicht immer sind Anwohner die Schuldigen.

2020 kamen 10.700 Kubikmeter an Sperrmüll zusammen. „Das ist ein Quader mit einer Kantenlänge von jeweils 20 Metern“, sagt Hikel. „Es entspricht etwa der Höhe und Größe eines Wohnhauses.“ Zum Vergleich: 2018 waren es noch 9480 Kubikmeter, 2019 schon 10.186 Kubikmeter. „Von den Mitteln könnten wir weit wichtigere Projekte finanzieren“, sagt Hikel, „etwa neue Spielplätze oder Tablets für unsere Schulen.“

Müll in Neukölln: Teure Entsorgung

Damit Bürger merken, was so eine illegale Entsorgung für Folgen nach sich zieht, verteilt Hikel mit dem Maskottchen „Lilo“ der bezirklichen Sauberkeits-Kampagne „Schön wie wir – für ein lebenswertes Neukölln“ große Preisschilder an allen Funden entlang des Weges. 375 Euro kostet es, wenn der Bezirk bei der Berliner Stadtreinigung den Abtransport ordert. Der Preis gilt für die Gesamtmenge etwa eines Kühlschranks, einer Matratze sowie eines Fernsehgeräts.

„Nach einem Wochenende muss man montags im Bezirk nicht lange laufen, um auf etwas zu stoßen“, sagt Hikel. Vor der Karl-Weise-Grundschule, wo eine Gruppe Kinder gerade von ihrer Lehrerin ins Haus geleitet wird, findet sich ein Flachbildschirm, zehn Meter weiter steht vor dem Gebäude ein Sofa samt alter Kleidung.

Ein regelrechter Sperrmüll-Tourismus

Das Problem in Neukölln ist enorm. Schon Hikels Amtsvorgängerin, die jetzige SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey, hatte 2016 „Schön wie wir“ initiiert. In der Jahresbilanz 2020 des Fachbereichs Grün- und Freiflächen indes schrieben Amts- und Fachbereichsleiter jüngst verächtlich, man stoße im Bezirk auf eine wahre „Müllinkontinenz“. Vandalismus in den Grünanlagen sowie die Vermüllung durch Haus- und Sondermüll nähmen neben den schon üblichen Imbissverpackungen und Zigarettenkippen zu.

Hikel hatte dazu im Februar 2019 fünf sogenannte Kiezhausmeister eingestellt, die Funde an das Ordnungsamt melden, Bürger beraten, Lastenräder zum Abtransport verleihen. Monika Herrmann, Grünen-Bezirksbürgermeisterin in Friedrichshain-Kreuzberg, zog im vergangenen Monat mit einem eigenen Team nach.

Vorbild für Nachbarbezirk Friedrichshain-Kreuzberg

Beim Rundgang in Neukölln berichtet der dort eingesetzte Kiezhausmeister Attila, dass sein Bezirk einen regelrechten Sperrmüll-Tourismus erlebe: „Selbst aus Brandenburg kommen die Lastwagen, um hier ihr Material abzuladen.“ Hikel ergänzt, es seien Umzugs- und Entrümplungsunternehmen in flagranti erwischt wurden, als sie mehrere Kubikmeter abluden. Mittelbuschweg und Thomasstraße seien beliebte Orte dafür. „Manchmal fahren sie erst dreimal um den Block, um sicher zu gehen, dass sie niemand beobachtet“, sagt Hikel.