Brände in Neukölln

Rechtsextreme zünden Autos von engagierten Bürgern an

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Alexander Dinger und Steffen Pletl
Heinz J. Ostermann vor seiner Buchhandlung Leporello

Heinz J. Ostermann vor seiner Buchhandlung Leporello

Foto: Steffen Pletl

In Neukölln wurden die Autos eines IG-Metall-Mitgliedes und eines Buchhändlers angezündet. Beide engagieren sich gegen Rechtsextreme.

In Neukölln haben in der Nacht zu Montag wieder Autos von Menschen gebrannt, die sich gegen Rechtsradikalismus engagieren. Seit Mitte Dezember gab es mehrere ähnliche Fälle. Der Staatsschutz ermittelt.

Das erste Auto ging am Montag gegen 1.30 Uhr an der Gielower Straße in Flammen auf. Eine Anwohnerin hörte Geräusche, sah dann den Brand und alarmierte die Feuerwehr, die das Feuer löschte. Der Motorraum des Autos brannte komplett aus.

Die Hitze des Feuers beschädigte auch ein daneben geparktes Fahrzeug. Das Auto gehört dem IG-Metall-Mitglied und früheren Mercedes-Benz-Betriebsrat Detlef Fendt. Der 63-Jährige ist bekannt für sein Engagement gegen Rechtsextreme. Regelmäßig nimmt er an Kundgebungen, etwa gegen NPD-Aufmärsche teil. Seinen fast 30 Jahre alten Mercedes schmückt er für diese Anlässe immer mit IG-Metall-Fahnen und Aufklebern. Mehr als ein Jahr hat er an dem Aufbau des Benz gearbeitet.

Auch Ermittler glauben nicht an Zufall

Sein Fahrzeug wurde von Rechtsextremen bereits mehrfach fotografiert und auch Ermittler glauben nicht an einen Zufall. „Schade, bald wäre es ein Oldtimer geworden“, sagt Fendt. Der Gewerkschafter vermutet, dass das gescheiterte Verbotsverfahren der NPD vor dem Bundesverfassungsgericht die Unbekannten zu diesem „Freudenfeuer“ veranlasst habe. Eine Botschaft hinterließen die Täter allerdings nicht.

Etwa eine halbe Stunde später bemerkte eine Anwohnerin an der ungefähr 2,5 Kilometer und zehn Minuten Fahrzeit entfernten Lauterberger Straße ein weiteres brennendes Auto. Auch hier brannte der Motorraum komplett aus, bevor die Feuerwehr die Flammen löschen konnten. Das Auto gehört dem Inhaber der Buchhandlung Leporello an der Krokusstraße, Heinz J. Ostermann.

Auto vor Privatadresse angezündet

Für ihn ist es nicht die erste Attacke. Im Dezember beschädigten Unbekannte die Scheibe seines Ladens in Alt-Rudow. Zuvor hatte es dort und in weiteren Buchhandlungen eine Veranstaltung unter dem Motto „Was tun gegen die AfD? Aufstehen gegen Rassismus“ gegeben. Ostermann ist Mitglied der Initiative "Neuköllner Buchläden gegen Rechtspopulismus und Rassismus". „Meine Buchhandlung ist aber ein ganz normales Geschäft“, sagt Ostermann gegenüber der Berliner Morgenpost. Bei seinem Laden handle es sich nicht – wie von anderen dargestellt – um ein Geschäft der linken Szene. Im Netz war Ostermann dennoch als „rot-grüner Hetzer“ beschimpft worden. Dass nun sein Auto an seiner Privatadresse angesteckt wurde, habe eine ganz neue Qualität.

Damit scheint sich in Neukölln die Bedrohungslage weiter zuzuspitzen. Vor zehn Tagen war in Britz das Auto der SPD-Abgeordneten Mirjam Blumenthal in Brand gesetzt worden. Blumenthal ist auch Gruppenleiterin beim sozialistischen Kinder- und Jugendverband „Die Falken“. Auch hier prüft der Staatsschutz einen möglichen politischen Hintergrund der Tat. SPD und Falken vermuten ein rechtsextremes Motiv. Offiziell heißt es von der Polizei, dass die Ermittlungen laufen.

Doch auch die SPD-Politikerin engagiert sich nach Parteiangaben vielseitig gegen Rechts. Unter anderem organisiere Blumenthal derzeit in Neukölln eine Gedenk- und Erinnerungsveranstaltung an den 71. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, teilte die Partei mit. Außerdem sitze sie im Kreisvorstand der SPD Neukölln als Beisitzerin für „Strategien gegen Rechts“ und engagiere sich gegen Radikalismus.

Auch eine evangelische Einrichtung war bereits Ziel der Attacken. Unbekannte hatten etwa in der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember einen Brandanschlag auf das Neuköllner Café „k-fetisch“ verübt und ein Spruchband der Evangelischen Kirche Rudow zerstört, das sich gegen Rassismus richtet.

Süden Neuköllns gilt als Kerngebiet vieler Rechtsextremer

„Diese gezielten Taten sind Einschüchterungsversuche und ein Angriff auf unsere Demokratie“, teilte SPD-Landeschef Michael Müller mit. Und: „Die SPD Berlin verurteilt diesen feigen Anschlag und steht solidarisch an der Seite von Mirjam Blumenthal und den Neuköllner Falken“.

Auch Franziska Giffey, Bezirksbürgermeisterin und Kreisvorsitzende der SPD Neukölln, zeigt sich solidarisch: „Es ist erschütternd, dass diese Institutionen, die sich mit friedlichen Mitteln gegen Gewalt und Ausgrenzung engagieren, derart attackiert werden. Meine Solidarität gilt all denen, die aufstehen gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz. Gewalt kann nie ein berechtigtes Mittel der Auseinandersetzung sein“, so Giffey.

Die rechtsextremen „Freien Kräfte Neukölln“ hatten im vergangenen Jahr unter dem Motto „Neukölln wehrt sich gegen Linksextreme“ zahlreiche Adressen „linker“ Treffpunkte veröffentlicht. Der Süden Neuköllns gilt als Kerngebiet vieler Rechtsextremer. Die gleiche Taktik wie sie verfolgten zuletzt auch Neuköllner Linksextremisten, die Adressen von NPD- und AfD-Mitgliedern veröffentlichten und die Fassaden ihrer Wohnhäuser beschmierten.