Klosterviertel

Parochialkirche in Mitte wird die Turmspitze aufgesetzt

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Helga Labenski
Das erste Bauteil für den Glockenturm der Parochialkirche in Mitte wird mit einem Kran auf den Turm gehoben

Das erste Bauteil für den Glockenturm der Parochialkirche in Mitte wird mit einem Kran auf den Turm gehoben

Foto: Paul Zinken / dpa

Die Parochialkirche in Mitte bekommt ihren Glockenturm wieder. Die Holzkonstruktion der Turmspitze wurde mit Kupferblech verkleidet.

Der Kranführer hat es endlich am Haken, das erste Teil der Turmspitze für die Parochialkirche in Mitte. In monatelanger Arbeit war der tonnenschwere Koloss aus Stahl und Holz, hinter Planen verborgen, auf der Klosterstraße zusammengesetzt und mit Kupferblech verkleidet worden.

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Nun schwebt er auf den 30 Meter hohen Rumpf des Kirchturms zu. Am Montag haben die Bauleute mit der Montage des Glockenturms begonnen – 72 Jahre nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Der Verein „Denk mal an Berlin“ steht damit kurz vor seinem lang gehegten Ziel, mit dem Turm des barocken Gotteshauses dem Klosterviertel in der historischen Berliner Mitte sein markantestes Wahrzeichen zurückzugeben.

1944 wird der Sakralbau durch Brandbomben zerstört

Die Parochialkirche gehörte zu den ersten Neubauten der reformierten Kirche in Berlin. Sie wurde zwischen 1695 und 1714 nach einem Entwurf des Baumeister Johann Arnold Nering errichtet. Im Mai 1944 wurde sie aber durch Brandbomben zerstört. Der getroffene Turm stürzte in das Kirchenschiff, das Inventar verbrannte. Und selbst die meisten der 37 Glocken schmolzen, die die Kirche zu einer Touristenattraktion gemacht hatten.

Tausende kamen an den Wochenenden, um die wechselnden Melodien des von Soldatenkönig Friedrich-Wilhelm I. gestifteten Glockenspiels zu hören. „Singuhrkirche“ nannten die Berliner deshalb das Gotteshaus an der Klosterstraße. Später wurden die Melodien sogar im Rundfunk übertragen.

Glockenspiel wird aus 52 Bronzeglocken bestehen

Das neue Glockenspiel wird nun sogar aus 52 Bronzeglocken bestehen, die in den Niederlanden gegossen worden sind. Das Carillon kann sowohl elektronisch als manuell gespielt werden. Die Stützen für das Glockengestühl werden getrennt von den Kupfergeschossen auf den Turm gebracht und dort montiert.

Das Uhrengeschoss ist mit rund 40 Tonnen das schwerste Element der fünfteiligen Turmspitze. Es soll am Mittwoch montiert werden. „Wir haben das etliche Male durchgerechnet“, sagte Architekt Jochen Langeheinecke am Montag der Berliner Morgenpost. Er ist seit den 90er-Jahren mit der Rekon­struktion der Parochialkirche befasst und hat auch die Planungen für die neue Turmspitze übernommen. Das Uhrengeschoss gilt als kritischstes Element des Turmbaus. „Denn damit kommen wir an die Belastbarkeitsgrenze des Krans.“ Weil aber insgesamt weniger Holz verbaut wurde als vor 300 Jahren, werde die rekonstruierte Turmspitze einschließlich Glocken nur 84 Tonnen wiegen – 26 Tonnen weniger als das zerstörte Original.

Rund drei Tage soll es dauern, die kupferummantelten Turmteile und die sogenannte „Kaiserspitze“ als Abschlusselement zu montieren. Die „Pyramide“ das längste und vorletzte Bauteil der Holz-Stahl-Konstruktion unter der Kaiserspitze, kommt aus Spandau. Es ist von Schülern der Knobelsdorff-Schule gebaut worden. Architekt Lange­heinecke arbeitet bei der Rekonstruktion der Parochialkirche seit Jahren mit dem Spandauer Oberstufenzentrum für Bautechnik zusammen. „Es war mir wichtig, dass die Schule auch ein Teil der Turmspitze übernimmt“, betonte der Brandenburger aus Werneuchen.

Rund 3,5 Millionen Euro kostet der Wiederaufbau des dann 65 Meter hohen Glockenturms der Parochialkirche. Mit 2,9 Millionen Euro hat die Lotto-Stiftung den größten Teil der Finanzierung gesichert. 620.000 Euro Spenden hat der Verein „Denk mal an Berlin“ als Bauherr für die Rekonstruktion der Turmspitze gesammelt. „Wir sind total im Kostenrahmen geblieben“, sagte eine Mitarbeiterin von „Denk mal an Berlin“ am Montag der Berliner Morgenpost. Allein 420.000 Euro stammen aus privaten Mitteln des Vereinsvorsitzenden Hans Wall. Das Geld für die Turmspitze ist nicht die erste Spende des früheren Inhabers des gleichnamigen Unternehmens für Stadtmöbel und Werbeanlagen für die Rekonstruktion des Gotteshauses im Klosterviertel. Wall nennt die Parochialkirche „ein Juwel der Berliner Barockbaukunst“.

Am 1. Juli wird das Richtfest für den Kirchturm gefeiert

Am 1. Juli um 16 Uhr wird das Richtfest für den Kirchturm gefeiert. Dabei sein werden auch 60 Auszubildende der Knobelsdorff-Schule. Danach werden die Bauleute aber noch rund zwei Monate für den Innenausbau benötigen. Etwa drei Wochen rechnet Architekt Lange­heinecke, bis das Glockenspiel installiert ist. Die Einweihung der dann vollständig rekonstruierten Parochialkirche in Mitte soll voraussichtlich im September sein.

Das Kirchenschiff und der Turmschaft wurden bereits seit Ende der 80er-Jahre mit Unterstützung des Landesdenkmalamtes, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der Landeskirche saniert. Die evangelische Kirchengemeinde St. Petri - St. Marien, die den Wiederaufbau der Turmspitze dem Verein „Denk mal an Berlin“ übertragen hat, nutzt den Bau für Gottesdienste und außerdem, in Kooperation mit der Stiftung Kirchliches Kulturerbe, für Ausstellungen und Aufführungen. Der inzwischen ebenfalls sanierte Parochial-Kirchhof und die unter der Kirche befindliche Gruft zählen zu den wichtigen Zeugnissen der Bestattungskultur in Berlin.