Berlin-Lichtenberg

Obdachlosencamp Rummelsburger Bucht - Protest nach Auflösung

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Lea Verstl

In Lichtenberg ist an der Rummelsburger Bucht ein Obdachlosen-Camp mit etwa 50 Bewohnern aufgelöst worden. Es kam zu Protesten.

Berlin. Nach der nächtlichen Räumung des Obdachlosen-Camps an der Rummelsburger Bucht haben Dutzende Menschen gegen die Maßnahme des Bezirks Lichtenberg protestiert. Linke Gruppen hatten am Samstag zum Protest am Ostkreuz aufgerufen und forderten, dass die ehemaligen Bewohner des Camps dorthin zurückkehren dürfen. Anwesende sprachen von bis zu 100 ehemaligen Bewohnern und Unterstützern, ein Polizeisprecher konnte am frühen Nachmittag noch keine Zahl nennen.

In einer Mitteilung der Demonstranten hieß es: „Die kälteste Woche des Jahres bei Temperaturen von -12 Grad steht bevor, Corona-Inzidenzzahlen sind nach wie vor hoch, und die Berliner Polizei und Politik hat nichts Besseres zu tun, als den Ärmsten der Armen ihre Unterkunft, Feuerstellen und Besitz wegzunehmen.“

In einem Schreiben auf einer linken Internet-Plattform stand, dass als Reaktion auf die Räumung in der Nacht auf Samstag eine Sparkasse in der Nähe beschädigt und Bagger auf einer nahe gelegenen Baustelle „unbrauchbar gemacht“ worden seien. Der Polizei war das Schreiben bekannt, ein Sprecher konnte am Samstagnachmittag aber nur bestätigen, dass in Rummelsburg auf der Baustelle an der Hauptstraße Scheiben von Bauwagen und Baufahrzeugen eingeschlagen wurden.

Obdachlose werden in Traglufthalle am Ringcenter untergebracht

Kevin Hönicke (SPD), stellvertretender Bürgermeister von Lichtenberg, war während der Demonstration vor Ort. "Mir war es wichtig, dass Bewohner heute noch ihre Sachen aus dem Camp holen können" sagt er. Vor dem Eingang des Camps standen Polizisten, die Obdachlose einzeln hineinließen, um ihr Eigentum vom Gelände zu bringen. Informiert habe das Bezirksamt die Bewohner am Freitagnachmittag, sagte Hönicke. Den Bewohnern sei Zeit gegeben worden, ihre Sachen zusammenzupacken. Diese konnten auch mitgenommen werden. „Auch Hunde durften mit umziehen.“ Bewohner des Camps wurden in eine Traglufthalle in der Nähe des Ringcenters gebracht.

Nicht alle Bewohner wollen eine feste Unterkunft

Einige der Camp-Bewohner, laut Hönicke zumeist Bulgaren, hätten aber nicht in eine feste Unterkunft gewollt. Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Soziales erklärte, die Obdachlosen würden am Sonnabend abends von der Traglufthalle in ein Hostel an der Boxhagener Straße gebracht. Dort würden sie „vollverpflegt“, so der Sprecher weiter. Die Bewohner sollen demnach bis Ende April in dem Hostel bleiben können. Wie die Senatsverwaltung am Abend über Twitter mitteilte, seien die Obdachlosen am Abend in das Hostel in Friedrichshain gefahren worden. Neben der Vollverpflegung gebe es auch eine Sozialberatung.

Er lege darauf Wert, dass die Unterbringung zumindest während des bevorstehenden Kälteeinbruchs in den kommenden sieben Tage gesichert sei, sagte Hönicke. Danach würden Sozialarbeiter versuchen, den Bewohnern andere Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Dazu müssten diese aber bereit sein. "Diese Menschen haben tiefes Misstrauen gegenüber dem Staat. Sozialarbeiter werden versuchen, sie wieder in das Sozialsystem einzufügen", so Hönicke.

Das Camp sollte in den kommenden Monaten aufgelöst werden, fügte der Stadtrat hinzu. "Die Situation im Camp ist schon seit dem Sommer prekär. Es gibt dort Ratten und Müll, deshalb musste das Bezirksamt die Auflösung anordnen", sagt Hönicke.

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Eine Bewohnerin sagte, sie sei von der nächtlichen Räumungsaktion überrascht worden. "Viele von uns wollen nicht in die Traglufthalle, sondern an der Rummelsburger Bucht bleiben." Auch seien sie und ihre Nachbarn zu kurzfristig über die Aktion informiert worden.

Kälteeinbruch erwartet - Bezirksamt Lichtenberg greift ein

Angesichts des erwarteten Kälteeinbruchs war das Obdachlosen-Camp an der Rummelsburger Bucht in der Nacht zu Samstag gegen 23.30 Uhr aufgelöst worden. „Wegen des Wetters mit Kälte, Schnee und Feuchtigkeit ist die Lage sehr bedrohlich, wir können nicht mehr gewährleisten, dass Leib und Leben für die Menschen hier gesichert sind“, hatte Hönicke am späten Abend an der Rummelsburger Bucht geagt.

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Die Senatsverwaltung für Soziales unterstützte die Aktion nach eigenen Angaben. Der Bezirk habe um Amtshilfe gebeten, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Unterbringung und Betreuung seien dann zusammen mit der Stadtmission und dem Verein Karuna organisiert worden. Neben der Traglufthalle, die schon oft für Obdachlose genutzt worden sei, wurden auch Busse der BVG für die Menschen vor Ort bereit gestellt. Die Polizei sicherte den Einsatz ab. Das Technische Hilfswerk (THW) war mit einem Lichtmast im Einsatz. Das Zeltlager sei geschlossen worden. Ein neuer Bezug solle wegen der Minusgrade verhindert werden, sagte Hönicke.

Auch Sozialarbeiter und Polizei waren an der Rummelsburger Bucht. Ein Polizeisprecher sagte am Samstag, es habe keine Zwischenfälle gegeben. SPD-Politiker Hönicke sagte: „Es war ganz entspannt, ein ruhiges Kommen und Gehen.“

Neubauprojekt an Rummelsburger Bucht geplant

Auf der Brache an der Rummelsburger Bucht leben die Menschen in Zelten und anderen Unterkünften. Bei der Obdachlosenzählung in Berlin vor einem Jahr war es der Ort mit den meisten Obdachlosen: 81. Erst danach folgte die Gegend am der Bahnhof Zoo mit 71 im Freien lebenden Menschen. Bei einer Begehung am Donnerstag seien an der Rummelsburger Bucht 40 bis 50 Zelte gezählt worden, sagte Hönicke. Das Areal ist Bauland. Dort sollen Wohnungen und die Touristen-Attraktion „Coral World“ entstehen. Am Freitagabend waren auch Sozialarbeiter an dem Camp sowie Polizei.

Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) sollen die Temperaturen am Wochenende tagsüber auf bis zu minus acht Grad sinken, die Nächte sollen noch kälter werden.

Eisiges Wochenende: Senat stellt mehr Schlafplätze zur Verfügung

Berlin stellt an dem bevorstehenden eisigen Wochenende mehrere zusätzliche Plätze im Warmen für Obdachlose bereit. In einem Hostel an der Boxhagener Straße in Friedrichshain stehen ab Samstag 18 Uhr 100 Betten Tag und Nacht zur Verfügung, wie die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales am Freitagabend mitteilte. Zudem öffnet am Sonntag auf dem Gelände der früheren Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Reinickendorf eine Einrichtung mit 100 Plätzen. Die Anzahl soll ab Dienstag auf 200 erhöht werden. Ein Hostel an der Köpenicker Straße in Kreuzberg erhöht seine Kapazität von 100 Plätzen um weitere 20, darunter auch für obdachlose Rollstuhlfahrer.

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Laut Mitteilung gibt es in den Einrichtungen der Kältehilfe aktuell 1090 Notübernachtungsplätze. In der vergangenen Woche seien davon 121 frei geblieben. In der Stadt sind demnach auch fünf Busse mit Sozialarbeitern unterwegs, um obdachlose Menschen zu unterstützen und sie in Einrichtungen zu bringen.

Wer vermute, dass eine Person unter Kälte leidet, sollte diese höflich ansprechen und fragen, ob sie Hilfe annehmen will, hieß es. Besonders im Winter könne es lebensgefährlich werden, auf der Straße zu schlafen. „Sehen Sie bitte nicht weg, wenn Sie eine Erfrierungsgefahr vermuten“, bat die Senatsverwaltung die Einwohner. Gewählt werden sollten in solchen Fällen die Notnummern 110 (Polizei) oder 112 (Feuerwehr/Rettungsdienst).

Mit dpa