Charlottenburg-Wilmersdorf. Der Druck auf den Wohnungsmarkt in den Innenstadtbezirken wächst. Im Grenzgebiet zwischen Charlottenburg und Halensee am Westkreuz möchte der Investor Allgemeine Immobilien-Börse (AIB) GmbH 1000 Wohnungen bauen, 500 Sozialwohnungen und 500 freifinanzierte Mietwohnungen für Familien mit mittleren Einkommen. Neben den Wohnhäusern mit begrünten Fassaden und Hochgärten entlang der S-Bahn-Trasse, einer neuen Kita, Sportplätzen und einem 20.000 Quadratmeter großen öffentlich zugänglichen Park mit einem kleinen Teich will der Investor auch die Kleingärten erhalten. „Bis auf drei Gärten, die die Durchwegung stören, biete ich den Pächtern Verträge mit einer Laufzeit von 20 Jahren an“, sagt AIB-Geschäftsführer Christian Gérôme. Durch den Abriss der Holtzendorff-Brücke sieht das Konzept der Architekten Patzschke & Patzschke kann eine zehn Meter breite Zufahrt - auch für die Feuerwehr- vor. Die Feuerwehr erhält Gérôme zufolge auch eine Zufahrt zu allen Kleingärtner, die jetzt keine Zufahrt haben.
Bebauungsplan liegt bis 7. September aus
Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf lehnt eine Bebauung des Areals indes ab und will den „Westkreuzpark“ entwickeln. Der Bebauungsplanentwurf 4-66 für eine öffentliche Grünfläche und weitere Flächen zur Entwicklung von Natur und Landschaft ist noch bis zum 7. September im Rathaus Charlottenburg einsehbar.
Einig ist man sich im Bezirk zwar, dass es zu wenige Wohnungen vor allem im mittleren Preissegment in der westlichen Innenstadt gibt, aber die grüne Zukunft für das Westkreuz hat sich die knappe rot-rot-grüne Mehrheit des Bezirks schon zu Beginn der Wahlperiode zum Ziel gesetzt. „Das ist nicht verhandelbar“, sagt Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD).
Linke: Westkreuz als Kaltluftschneise für die Stadt wichtig
Linke-Fraktionschef Niklas Schenker will der Wohnungsnot in Charlottenburg-Wilmersdorf eher mit dem Instrument der Milieuschutzverordnung und Zweckentfremdungsverbotsverordnung begegnen. „Das Westkreuz-Areal muss man gesamtstädtisch betrachten“, sagt er. Es gebe bereits viele Entwicklungsgebiete, auf denen viel neuer Wohnraum entstehe. Zwar nicht in Charlottenburg-Wilmersdorf, räumt er ein, aber das Westkreuz sei als Kaltluftschneise zu wichtig für die Stadt und müsse erhalten bleiben.
FDP hält Lage für kostengünstigen Wohnraum für ideal
Doch in der Opposition rumort es: Vor allem die FDP-Fraktion kritisiert die Idee einer reinen Grünanlage: „Die Brachfläche am Westkreuz bietet sich aufgrund ihrer Lage für kostengünstigen Wohnraum geradezu an“, sagt Johannes Heyne, FDP-Fraktionschef in der Bezirksverordneten-Versammlung (BVV). Durch ein kluges Bebauungskonzept könnten hier viele Wohnungen und Grünflächen mit Parkcharakter geschaffen werden. Sogar die vorhandenen Kleingärten würden erhalten bleiben und die Luftqualität in der City West sichern. Neue Infrastruktur und ein Anschluss an den ÖPNV ist Heyne zufolge ebenfalls nicht erforderlich: „Ringbahn und Co. halten ja vor der Haustür“, sagt er. Heyne fürchtet einen weitere Verwahrlosung des Areals.
Besonders ärgert sich der FDP-Fraktionschef, dass der für Grünflächen verantwortliche Stadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) kein Konzept für die Anlage einer Grünfläche im Sinne eines öffentlich nutzbaren Parks habe, sondern die Brache erhalten wolle, wie sie sei. Ein „Westkreuzpark“ solle erst 2030 angelegt werden. „Rot-Rot-Grün muss begreifen, dass Verzicht auf Entwicklung Fortschritt verhindert, dass es an der Zeit ist, Lösungen für den Druck auf dem Wohnungsmarkt zu finden“, so der FDP-Fraktionschef.
CDU positioniert sich auch für Wohnungsbau
Die CDU hat ein Dilemma mit dem Westkreuz. Die Fraktion hat 2017 vor dem Hintergrund des Volksbegehrens zum Erhalt von Grünflächen für die Aufstellung des Bebauungsplans gestimmt. Doch der stadtentwicklungspolitische Sprecher der CDU, Christoph Brzezinski, sieht die Lage heute anders: „Wir positionieren uns wie die Landespartei klar für Wohnungsbau. Ich bin der Meinung, dass das Areal nicht unter das Volksbegehren Grünfläche fällt, weil es keine Grünfläche ist, sondern eine nicht nutzbare Brache, die niemandem etwas bringt.“
Bahn möchte Areal zu Baulandpreisen verkaufen
Für die Pläne des Bezirks gibt es Rückendeckung von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke). Auf die Frage, ob es opportun sei, in der Innenstadt ein solches Areal zur Grünfläche umzuwidmen, statt Wohnungen zu bauen, antwortet Sprecherin Petra Rohland: „Eine Entwicklung einer Wohnbebauung würde zu einer inselartigen Struktur inmitten von Bahnlärm ohne eigene Versorgung mit Infrastruktur führen.“ Demgegenüber bestünde die Chance, eine leistungsfähige Freiraumverbindung vom Stuttgarter Platz zum Grunewald zu entwickeln, so Rohland weiter.
Ungeklärt ist indes, wie der bisherige Grundstückseigentümer, die Deutsche Bahn, mit den Plänen von Senat und Bezirk umgeht. Die Bahn möchte die Fläche dem Vernehmen nach für 20 Millionen Euro verkaufen. Würde das Areal als Grün festgeschrieben, wäre ein solcher Preis nicht mehr zu erzielen. Doch das Unternehmen gibt sich bedeckt, was Fragen zu eventuellen Entschädigungsleistungen angeht: „Zu den Ausschreibungsdetails des Verkaufs und etwaigen Kaufinteressenten können wir uns nicht äußern“, sagt Bahn-Sprecher Gisbert Gahler.
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