Neue Ideen für die alte Trasse der Siemensbahn

Die Zukunft der alten Siemensbahn ist umstritten.

| Lesedauer: 5 Minuten
Carolin Brühl

Die Zukunft der alten Siemensbahn ist umstritten. Die Bahn will die Siemensbahn los werden, der Senat möchte sich die Option für Bahnverkehr offen halten. Studenten haben Ideen entwickelt. Von Carolin Brühl Die Bahnsteige sind umzäunt und abgeschlossen, zwischen den Stahlträgern der Hochbahn haben sich Büsche und Bäume angesiedelt. Die Natur holt sich das Gelände der ehemaligen Siemensbahn zwischen dem Charlottenburger Norden und Spandau Stück für Stück zurück. Lange sind keine Züge mehr auf der zwischen 1927 und 1929 von der Firma Siemens und Halske erbauten Trasse mehr gefahren. Der Verkehr auf dem knapp viereinhalb Kilometer langen Ast ruht schon seit dem Reichsbahnerstreik im September 1980.

Senat will sich die Option auf Bahnverkehr offen halten

Die Bahn hat nach Angaben ihres Regionalsprechers Gisbert Gahler erstmals 2006 einen Entwidmungsantrag für die Siemensbahn eingereicht, der eine andere Nutzung der Trasse ermöglichen würde, dem hat das Land Berlin widersprochen. Die Unterhaltungskosten für die tote Viaduktbahn schlagen Gahler zufolge für die Bahn mit 500.000 Euro im Jahr zu Buche. Doch der Senat will sich die Nutzung auch hinsichtlich einer Erschließung des Flugfelds Tegel offen halten. "Die Siemensbahn ist als Langfristmaßnahme explizit im Stadtentwicklungsplan Verkehr aufgeführt", sagt Derk Ehlert, Sprecher der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Für eine eventuelle Inbetriebnahme gebe es allerdings unabhängig von einem noch zu ermittelnden verkehrlichen Nutzen und der Frage des geeigneten Verkehrsmittels eine Reihe offener Fragen wie den sehr hohen Sanierungsbedarf oder Anforderungen des Denkmalschutzes zu klären. Die aktuellen Entwicklungen im Wohnungsbau‎ ließen Ehlert zufolge die Maßnahme derzeit verstärkt wieder in die Diskussion rücken, die Überlegungen befinden sich erst am Anfang. Die Trasse beginnt am Bahnhof Jungfernheide, führt über die Bahnhöfe Wernerwerk und Siemensstadt und endet an der Haltestelle Gartenfeld. Der Endbahnhof wurde zusätzlich mit einem Stellwerk und einer sechsgleisigen Abstellanlage ausgerüstet. Ein paar Jahre hat ein Gartencenter das Gelände genutzt, aber auch das ist inzwischen geschlossen. Pure Tristesse.

Doch das muss nicht so bleiben, wenn es nach Studenten der Hochschule Anhalt in Bernburg geht. Angehende Landschaftsarchitekten aus elf Ländern haben sich gemeinsam mit ihrer Professorin Nicole Uhrig der ehemaligen Bahntrasse angenommen und im Rahmen ihrer Semesterarbeiten Ideen für die Zukunft der Bahntrasse im Spannungsfeld zwischen Industriekultur, Denkmalschutz entwickelt. Braucht Berlin an dieser Stelle eine Grünverbindung im Netzwerk Jungfernheide-Spreeinsel-Schlosspark, einen Radweg, einen urbanen Park zur Erholungsnutzung oder eine ökologisch wertvolle Biotopvernetzung? Wie könnte die Spreeinsel als Bindeglied zwischen Schloss Charlottenburg, Jungfernheide und Siemensbahn die Rad- und Fußwegeverbindungen verbessern? Werden künftig wieder Züge fahren und benötigt die Trasse eine rückbaufähige Zwischennutzung? Die Antworten der Studenten reichen von einfach umsetzbaren Verbesserungsmöglichkeiten bis hin zu umfangreichen Gestaltungsvorschlägen, die als Diskussionsgrundlage für eine weitere Entwicklung betrachtet werden können, auch wenn man sich kaum vorstellen kann, dass die Stadt für derlei fantasievolle Ideen jemals genug Geld hat.

„Es war interessant zu sehen, welche Perspektiven für eine Stadtlandschaft jungen Menschen entwickeln, die völlig unvoreingenommen sind“, sagt Nicole Uhrig. Einige Impressionen des Berliner Lebens scheinen sich indes den Mitgliedern des Projekts „Timeline“ um seine Sprecherin Pranati Chaphekar schnell verfestigt zu haben. Die Studenten erdachten einen Mix aus Leben in und mit der Natur, Arbeitsplätzen unter Bäumen, mit Fahrradwegen statt Bahntrasse, aber auch mit einem Weg, der auch den sogenannten Bier-Bikes gefahrloses Fahren abseits des motorisiertem Verkehrs ermöglichen würde.

Die meisten Gruppen mischten ökologische Konzepte, die die Trasse als Verbindung zwischen Tegeler Forst, Volkspark Jungfernheide und dem Schlosspark Charlottenburg sieht, mit Angeboten für Freizeit und Kultur: ein Amphitheater am Spreeufer, Spielplätze, eine Draisine auf den alten Schienen oder sogar eine Eislaufbahn im Winter. Eine Rückkehr des S-Bahnverkehrs konnte sich unterdessen nur ein Team vorstellen. Das Team um seine Sprecherin Haripriya Singh erklärte, sie hätten in Gesprächen mit Anwohnern den Eindruck gewonnen, dass diese keine Rückkehr des Bahnverkehrs wünschten. Doch die Gruppe plante dennoch eine rückbaufähige Zwischennutzung, die eine Rückkehr der S-Bahn für die Erschließung künftiger Wohngebiete beispielsweise im Bereich des Bahnhofs Gartenfeld nicht ausschließt.

Bezirk kann sich wieder verkehrliche Nutzung vorstellen

In Charlottenburg-Wilmersdorf hat man zur Nutzung der alten Siemensbahn bereits Gedanken gemacht: "Wir hatten seit Jahr und Tag in unserem Freiraumkonzept diese Bahntrasse als Grünverbindung. Das ist auch im Landschaftsplan des Landes Berlin so dargestellt", sagt Wilhelm-Friedrich Graf zu Lynar, der Chef des bezirklichen Umweltamts. Inzwischen sehe der Bezirk die Vorzeichen angesichts der wachsenden Stadt jetzt anders. "Wir gehen davon aus, dass es irgendwann wieder zu einer verkehrlichen Nutzung kommt. Die Frage ist nur, wie lange es dauern wird." Die Ideen der Studenten, beispielsweise auch für eine Zwischennutzung, empfinde er deshalb durchaus als Bereicherung für die anstehende Diskussion.