Berlin. Auf dem Mehringplatz gab es eine Aktion mit Seniorenvertretern. Es ging um Hilfe und Pflege im Alter. Dabei wurden Probleme deutlich.
Es war genau der richtige Standort: Im seit jeher von Migranten geprägten Kreuzberg, am Mehringplatz, einem sozialen Brennpunkt, versuchten Seniorenvertreter der Berliner Bezirke sowie Vertreter von Landesorganisationen und Friedrichshain-Kreuzberg am Mittwochvormittag eine öffentlichkeitswirksame Kontaktaufnahme mit alten, einst zugewanderten Berlinern. Einige, so die koreanischstämmige Vertreterin für den Bezirk, Kyong Jarman, kämen aus dem abgeschotteten Umfeld ihrer Landsleute nicht hinaus – obwohl sie etwa bei Pflege und Armut dringend jene Unterstützung bräuchten, die Berlins Ämter reichlich bereit halten.

Seniorenvertreter sowie das Kompetenzzentrum interkulturelle Öffnung der Altenhilfe (Kom-Zen), eine Stabsstelle der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, empfingen in der Fußgängerzone mit einer überdachten Sitzecke, Kuchen, Tee mit Zitrone und belegten Brötchen: dem interkulturellen Sofa, wie Cristina Peirón Baehr vom Kom-Zen erklärte. „Ich hatte die Idee, damit auf migrantische Senioren zuzugehen und ihnen im Gespräch zu zeigen, welche Unterstützung sie wahrnehmen können.“
Senioren haben oft nicht den Mut, zum Amt zu gehen
Ganz besonders geht es da um Pflege und Geld. Das Kom-Zen ist unter anderem beauftragt, die Öffnung des Versorgungssystems für Rentner anderer als deutscher Nationalität voranzutreiben. Da allerdings bestünden laut Kyong Jarman, die seit diesem Jahr in der Seniorenvertretung von Friedrichshain-Kreuzberg tätig ist, erhebliche Probleme.
„Asiaten beispielsweise haben einiges Schamgefühl, als Bittsteller zu Behörden zu gehen.“ Die 69-jährige ehemalige medizinisch-technische Assistentin war vor zehn Jahren von Hannover nach Berlin gekommen, angezogen vom multikulturellen Ruf der Stadt. Hier allerdings habe sie mit Bedauern festgestellt: „Die meisten migrantischen Menschen in der Stadt bewegen sich nur in ihren eigenen Communitys.“ Bei Koreanern etwa sprach Jarman von einer „Ghettoisierung“. Besonders ältere Menschen könnten da schlecht Deutsch, verlören das, was sie können, zudem im Alter, und seien schlecht integriert.
„Zu wenig Rente“
Aus vietnamesischen Kreisen in Friedrichshain wisse sie, dass dort Menschen, die jahrzehntelang etwa kleine Geschäfte betrieben, nun mit viel zu wenig Rente dastünden. „Je älter sie werden, desto ärmer werden sie.“ Mit geringem Auskommen hätten viele zugewanderte Menschen zu kämpfen, die in der DDR beschäftigt waren.
Kom-Zen-Referentin Peirón Baehr sagte, es bestünden bei migrantischen Senioren „erhebliche Orientierungslosigkeit und Wissenslücken darüber, worauf sie Anspruch haben“. Während sie im Gegensatz zu Senioren aus deutschen Familien über ein weit besseres Netzwerk aus Verwandten, Freunden und Bekannten verfügten, damit etwa auch weit weniger unter Einsamkeit litten, geschehe ihre Pflege häufiger durch Angehörige. „Das Pflichtbewusstsein gegenüber Alten ist in vielen migrantischen Gemeinschaften größer“, so Peirón Baehr. „Da gerät den Senioren aber außer Acht, dass sie damit häufig die Verwandten überlasten.“
Senioren fürchten hohe Heizkosten
Mit Aktionen wie am Mehringplatz will das Kom-Zen auch zukünftig auf die Menschen in den Kiezen zugehen, ihnen die Beratungsmöglichkeiten von Pflegediensten und bezirklicher Seniorenvertretung deutlich machen. „Wird dies heute ein Erfolg“, so Cristina Peirón Baehr, „werden wir es im kommenden Jahr in anderen Bezirken fortsetzen.“

Vor Ort war am Mittwoch auch Oliver Nöll (Linke), stellvertretender Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg und Stadtrat für Arbeit, Bürgerdienste und Soziales. Neben stadtweit üblichen Sorgen und Problem der Alten im Bezirk benannte er als markantes Problem in Friedrichshain-Kreuzberg die im Berlinvergleich höhe Belastung mit Leihfahrzeugen, etwa Rollern und Rädern. Achtlos auf Bürgersteigen abgestellt, stellten diese erhebliche Hindernisse für Senioren dar. Aktuell indes wisse er aus dem Kontakt mit Seniorenvertretern, dass gerade alte Menschen derzeit erhebliche Probleme wegen steigender Energiekosten fürchteten.