Der Bezirk hat eine Städtepartnerschaft mit dem nordsyrischen Dêrik beschlossen. Ein erstes Projekt ist unterwegs

Elke Dangeleit erhält dieser Tage per Mail öfters Quittungen in arabischer Schrift. Belege über erworbene Büsche, Bäume, Ausrüstungsgegenstände für schwere Geländearbeit. Die jpgs kommen aus Nordsyrien, und mit jeder weiteren Zuschrift wächst bei der 59-jährigen Kreuzbergerin der Eindruck, dass die neue Zusammenarbeit über rund 3500 Kilometer Entfernung recht vielversprechend verläuft.

Der interkontinentale Austausch ist Teil ihres lange verfolgten Projekts: die Städtepartnerschaft mit der Stadt Dêrik. Die Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg beschloss jetzt den von der Linksfraktion initiierten Antrag, der mit den Fraktionen von Grünen und SPD eingereicht worden war.

Schmelztiegel der Kulturen und Religionen

26.000 Menschen leben in der syrischen Stadt im Dreiländereck mit der Türkei und dem Irak. „Es gibt durchaus Parallelen zu unserem Bezirk“, sagt Dageleit. „Die Stadt ist ein Schmelztiegel der Kulturen und Religionen.“ Im einstigen Mesopotamien gelegen, leben dort Kurden, Araber, Jesiden und Aramäer nebeneinander.

Ein weiteres Merkmal, das auch Friedrichshain-Kreuzberg kennzeichnet: die Beachtung einer Gleichberechtigung der Geschlechter. „In der selbstverwalteten Region in Nord- und Ostsyrien sind alle Sitze der Gremien zur Hälfte mit Männern und Frauen besetzt“, sagt Dangeleit. So hat Dêrik eine Bürgermeisterin und einen Bürgermeister.

Ethnologin und Journalistin

Motor der Initiative: Elke Dangeleit ist im Vorstand des Städtepartnerschaftsvereins Friedrichshain-Kreuzberg und Bezirksverordnete der Linken-Fraktion.
Motor der Initiative: Elke Dangeleit ist im Vorstand des Städtepartnerschaftsvereins Friedrichshain-Kreuzberg und Bezirksverordnete der Linken-Fraktion. © Patrick Goldstein

Als alteingesessene Kreuzbergerin, die in den 80er-Jahren für die Alternative Liste im Bezirksparlament Lokalpolitik machte, habe sich für sie der Kontakt zu Türken und Kurden und schließlich in die Region ganz selbstverständlich entwickelt, sagt Dangeleit. Die Ethnologin und Journalistin, die inzwischen der Linken-Fraktion angehört, unternahm eine Reihe von Reisen dorthin und war besonders fasziniert von den kurdischen Frauen, die sie als selbstbewusst und „wehrhaft“ kennenlernte, so Dangeleit.

Aus der kurdischen Community in Friedrichshain-Kreuzberg kam die Anregung einer Städtepartnerschaft. Im Herbst 2017 trugen auch die Bürgermeister von Dêrik den Vorschlag Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann (Grüne) vor. Der neu gegründete Verein erhielt Ende September von der Bezirksverordnetenversammlung den Auftrag, die Partnerschaft vorzubereiten. Elke Dangeleit fuhr als Mitglied einer Delegation im Oktober des darauf folgenden Jahres über den Irak nach Dêrik.

Großes Flüchtlingscamp der Jesiden

Die Stadt sei von Kriegsschäden verschont, sagt sie. Milizen der dominierenden Kurden waren es, die verhinderten, dass die Islamisten des IS Dêrik erobern konnten. Es sei „eine ganz normale Stadt mit Nahost-Flair“, sagt Dangeleit. Die auffälligen nackten Hauskonstruktionen sind nicht von Bomben zerstörte Gebäude, sondern Projekte, die wegen des Krieges nicht fertig gestellt wurden.

Allerdings ist die Stadt gekennzeichnet von einem großen Flüchtlingscamp der Jesiden aus der irakischen Shingal-Region, die im August 2014 vor dem IS flüchteten. Hinzu kommen laut Dangeleit Flüchtlinge aus dem von der Türkei besetzten syrischen Afrin.

Im Mai wird im Bezirk eine Delegation aus Dêrik erwartet. Ein erstes gemeinsames Projekt begann im Februar. Das ausgetrocknete Flussbett der Stadt soll begrünt werden. „Jeder warf dort bislang seinen Müll ab“, sagt Elke Dangeleit. Jetzt solle es zur „grünen Lunge“ der staubigen, trockenen Stadt werden.

Jetzt werden Spender gesucht

Für die Maßnahme haben sie und der Verein 10.000 Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung akquiriert. Daraus erklärt sich auch der Eingang der arabischen Rechnungen auf Dangeleits Computer. „Für jede Ausgabe dort drüben brauche ich ein ausgefülltes Formular als Beleg“, sagt sie. „Wir müssen alles korrekt und nachvollziehbar abrechnen.“ Der Einsatz der Bundesmittel sei eine Art Versuchsballon. „Die Summe ist überschaubar. Wir können ausprobieren, ob die Verwendung funktioniert.“ Bedingung für die Bewilligung ist, dass der Verein selbst einen Anteil von weiteren 3500 Euro zusammenträgt. Dafür werden jetzt Spender gebraucht, was sich als schwer erweist.

Weitere Projekte sind auf dem Weg. Verein und Bezirk sehen in der Partnerschaft eine geeignete Methode, um ihren Anteil zu leisten, stabilisierend auf die Region einzuwirken und demokratische Strukturen zu stärken. Eine solche Partnerschaft, die Frieden und Zusammenhalt der Bürger unterstützt, so hatte Dangeleit am Tag des Beschlusses vor der BVV gesagt, sei „der einzig richtige Weg, Fluchtursachen zu begegnen“.

Das geschieht auch auf privater Ebene. Ein Buchladen an der Oranienstraße hat Kontakt mit einem Geschäft in Dêrik aufgenommen, ein EDV-Shop will sich mit einem vergleichbaren Geschäft in der Partnerstadt verbinden. Viele weitere Ideen sollen folgen.

Spenden an: Städtepartnerschaft Friedrichshain-Kreuzberg – Dêrik e.V., IBAN: DE54 4306 0967 1225 6804 00, BIC: GENODEM1GLS, GLS-Bank