Mizwa Mobil

Diese Synagoge rollt samt Rabbiner quer durch Deutschland

| Lesedauer: 6 Minuten
Dirk Krampitz
Rabbiner Yehuda Teichtal von der Jüdischen Gemeinde Chabad stellt das „Mizwa Mobil“ vor geladenen Gästen vor.

Rabbiner Yehuda Teichtal von der Jüdischen Gemeinde Chabad stellt das „Mizwa Mobil“ vor geladenen Gästen vor.

Foto: Sergej Glanze / FUNKE Foto Services

Rabbiner Yehuda Teichtal hat seine mobile Synagoge eingeweiht. Sie soll Ort für Gebete und Informationen über den Glauben sein.

Berlin.  Mit einer roten Stoffschleife verschnürt wie ein Geschenkpaket steht das „Mizwa Mobil“ auf dem Hof des Jüdischen Bildungszentrums Chabad Lubawitsch an der Münsterschen Straße. Der schwarze Citroen-Lieferwagen mit dem sogenannten Koffer-Aufbau, einer Kabine, wie man sie auch von Postautos oder Wohnmobilen kennt, ist die erste mobile Synagoge Deutschlands. Am Sonntagnachmittag ist sie vor geladenen Gästen und Mitgliedern der Gemeinde eingeweiht worden. „Wer hat dieses Wetter bestellt?“, fragt der Rabbiner Yehuda Teichtal amüsiert angesichts der leichten Schneegraupel und setzt dann frohgemut hinterher: „Egal, besser als Regen.“

Das Jüdische Bildungszentrum Chabad Lubawitsch Berlin wurde 2007 in Wilmersdorf eröffnet. Nach eigenen Angaben ist es das größte jüdische Bildungszentrum in Europa und umfasst eine Synagoge mit 250 Plätzen, ein jüdisches Ritualbad, ein koscheres Restaurant, ein Rabbinerausbildungsprogramm namens Jeschiwa, Seminarräume, einen Festsaal, eine Bibliothek, eine Jugendlounge, einen Judaica-Laden und nun eben auch eine fahrbare Synagoge mit einer kleinen Handbibliothek, Gebetsriemen, Kerzen und einer Thora-Rolle im Wandschrank.

Drei Berliner Familien haben für die mobile Synagoge gespendet

Drei Familien der Gemeinde haben insgesamt 100.000 Euro aufgebracht, um einen Lieferwagen von einer Hamburger Firma mit dem Synagogen-Aufbau ausstatten zu lasen. Die Mäzene wollen sich lieber im Hintergrund halten, ihre Namen nicht in der Zeitung lesen. Umso lieber spricht ein Vertreter der Familien aber über das Projekt: „Wir waren im vergangenen Jahr in New York und haben dort ein solches Mobil auf der 5th Avenue gesehen und wir wussten sofort: Das ist etwas, was auch nach Berlin gehört, das brauchen wir.“ Damit es im Winter nicht zu kalt und im Sommer nicht zu warm wird, gibt es eine Klimaanlage auf Akkubasis, außerdem dimmbare LED-Lichter und drehbare Sessel im Cockpit. „Ich hoffe, unser Projekt findet viele Nachahmer bundesweit.“

„Auf dem Weg, die Welt zu einem besseren Ort zu machen!“ steht an der Seitenwand des „Mizwa Mobils“. Dazu gibt es Bilder von drei Kerzenleuchtern und den Tefillin, also den jüdischen Gebetsriemen. Eigentlich ist klar, dass das Auto zu einer jüdischen Organisation gehört. Doch zu eindeutig wollten es die Initiatoren doch nicht machen: Auf den Davidstern haben sie bei der Gestaltung bewusst verzichtet. „Leider dann doch auch aus Sicherheitsgründen“, gibt der Vertreter der Familien zu.

Die mobile Synagoge soll nicht nur in Berlin zum Einsatz kommen, sondern bei Bedarf deutschlandweit – gerade auch dort, wo jüdische Menschen lebten, die nächste jüdische Gemeinde aber weit entfernt sei. „Wir wollen auch nach Sachsen“, sagt Teichtal. „Was sind Juden, was sind unsere Praktiken, was ist unsere Kultur?“, das sind für Rabbi Fragen, die Besucher des Mobils umtreiben könnten. Er kann sich vorstellen, dass es um Herzlichkeit, Feiertage und Traditionen geht, über das jüdische Leben ganz allgemein. Aber auch die Geschichte.

Auch Susan Sideropoulos setzt sich für das Mizwa Mobil ein

„Es geht darum, die Sichtbarkeit zu erhöhen“, sagt Teichtal, um „Toleranz und Miteinander“ zu ermöglichen. „Vielleicht möchte jemand, statt Zahlen über antisemitische Übergriffe zu lesen, lieber einmal wissen, wie wir leben, wie wir feiern“, sagt Teichtal, der ganz bewusst auf positive Prägungen setzt. Und wie auf Kommando spielt der junge Musiker an seiner Orgel schmissigen Klezmer, und die Gemeinde klatscht im Takt, während Teichtal leicht kämpferisch sagt: „Wir freuen uns in Deutschland jüdisches Leben zu leben und das wird auch so bleiben.“

Zur Eröffnung eingeladen ist auch Schauspielerin Susan Sideropoulos. „Ich zeige ganz bewusst mein jüdisches Leben, auch auf Social Media“, sagt sie. Vor zwei Tagen wurde sie von Rabbi Teichtal angerufen, ob sie nicht eine kurze Rede halten will. Sie kennen sich gut. „Ich bin dankbar, dass Yehuda so lange zu unserer Familie gehört. Vor siebzehn Jahren hat er meinen Mann und mich getraut, gerade bereiten wir mit ihm die Bar Mizwa unseres Sohnes vor.“ Sie will ihre Bekanntheit und ihren Instagram-Account dafür nutzen, das Mobil bekannter zu machen.

Der rollende Rabbiner in der mobilen Synagoge ist Mendel Brandwein. Zusammen mit einem Fahrer oder einer Fahrerin wird der 25-Jährige durch Berlin und ganz Deutschland tingeln. Abseits des ihm bestens vertrauten Glaubens wird er hier ganz neues Gebiet betreten: Er ist vor anderthalb Monaten aus New York nach Berlin gezogen. „Extra für diese Aufgabe. Davor war ich nur einmal in Deutschland und das auch nur einige Tage für Chanukka“, erzählt der New Yorker. In seiner Heimat hat er schon Erfahrungen in einer fahrenden Synagoge gesammelt. „Den großen Unterschied machen wir bei den Leuten, zu denen wir fahren, die sonst nicht zu uns gekommen wären. Das sind sehr schöne Erlebnisse.“

Gleich nach der Einweihung ist das Mizwa Mobil übrigens am späten Nachmittag zu seiner ersten Fahrt aufgebrochen: Premierenhaltestelle war das Brandenburger Tor auf der Ostseite. Leider werden die künftigen Haltepunkte aus Sicherheitsgründen nicht im Voraus veröffentlicht. Aber es werden prominente Plätze sein, auch Schulen oder Orte, wo ganz einfach viele Menschen vorbeikommen. Wer das Mobil sehen will, muss also Glück haben oder einmal freundlich bei Chabad Lubawitsch nachfragen.

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